Im Schatten von Kenia
31. Januar 2008Die ethnischen Gewaltexzesse in Westkenia werfen ihre Schatten bis nach Addis Abeba, und die meistdiskutierte Frage im Vorfeld des Gipfeltreffens der Afrikanischen Union (AU) war nicht, warum Afrikas Industrialisierung noch immer auf der Stelle tritt, sondern ob Mwai Kibaki die Reise zum Gipfel als Kenias Erster Mann antreten und die AU damit vor vollendete Tatsachen stellen wird.
Streit um Kenia
Kenias Außenminister Moses Wetangula warb für Mwai Kibaki als den rechtmäßigen Präsidenten seines Landes. "Es gibt keinen Grund für die AU, die Regierung von Präsident Kibaki nicht anzuerkennen", sagte er. "Sie sehen ja: Ich bin bereits hier und repräsentiere die Regierung von Präsident Kibaki und alle Kenianer." Zudem sei der AU-Vorsitzende Alpha Oumar Konaré zu einem Treffen mit dem Präsident Kibaki gereist - den er damit als solchen anerkannt habe.
Die amerikanische Afrika-Gesandte Jendayi Frazer wiederholte am Vorabend des Gipfels ihre Vorwürfe ethnischer Säuberungen. Vertreter der kenianischen Opposition ODM wiederholten in Addis derweil die Vorwürfe der Wahlmanipulation. Mit seiner Vereidigung habe Kibaki trotz des Protestes der Öffentlichkeit Fakten geschaffen, sagte der ODM-Generalsekretär Peter Anyang Nyongo. "Sie haben zu uns gesagt: Wenn Ihr das Ergebnis anfechten wollt, dann zieht vor ein Gericht. Wer kenianische Gerichte kennt, weiß, dass jeder, der dort Wahlgesetze anfechten will, an der Nase herumgeführt wird."
Darfur: "Ihr kümmert Euch keinen Deut"
Neben dem ehemaligen Vorzeigeland Ostafrikas steht auf dem Zehnten Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs einmal mehr Darfur auf der Tagesordnung: Noch immer behindern die sudanesischen Behörden die Entsendung der so genannten Hybrid-Truppe von AU und UN (UNAMID) in die Krisenregion, die zum 1.Januar anlaufen sollte.
Emmanuel Jal, ein ehemaliger Kindersoldat aus Sudan, der heute als Friedensbotschafter für Darfur unterwegs ist, findet kritische Worte für das Krisenmanagement der Afrikaner - ein Vorwurf, den er in einer Rede vor den versammelten Staatenlenker wiederholen wird: "Wir beschuldigen gerne den Westen, dies oder jenes Böses getan zu haben. Ich werde den Präsidenten sagen: Ihr huldigt der politischen Macht und klebt an Euren Ämtern - und kümmert Euch keinen Deut um Eure eigenen Bürger." Er wolle an die AU appellieren, Druck auf die Regierung von Sudan auszuüben und mehr Truppen zu schicken.
Somalia: Auf verlorenem Posten
Ebenfalls auf der Tagesordnung: Somalia. Die tödlichen Anschläge der letzten Woche in Mogadischu und Kismayu werden einmal mehr den Ruf nach einer Aufstockung der AU-Mission (AMISOM) laut werden lassen: Derzeit steht gerade ein Drittel der vor genau einem Jahr in Addis zugesagten 8000 Soldaten auf zunehmend verlorenem Posten. Politiker appellieren deshalb an die internationale Gemeinschaft, schnell logistische Hilfe zu leisten, um etwa die zugesagten nigerianischen Truppenteile an Ort und Stelle zu bringen.
Für die Nachfolge des Kommissionsvorsitzenden Konaré sind sechs Kandidaten im Rennen, darunter die burundische Außenministerin Antoinette Batumubwira und die Botschafterin Sambias in den USA, Inonge Mbikusita-Lewanika. Größte Chancen werden jedoch dem Außenminister und stellvertretenden Premier Gabuns, Jean Ping, zugerechnet. Für die Neubesetzung der zehn Ressorts der Kommission stehen 45 Kandidaten zur Wahl. Sudan hat nach den Kontroversen der vergangenen beiden Jahre auf den rotierenden Vorsitz der Kontinentalgruppe verzichtet – Tansania, Sambia und Ägypten stehen oben auf der Kandidatenliste.
United States of Africa
Für Emotionen unter den Delegierten dürfte einmal mehr das von Libyens Muammar Gaddafi aufgerufene Thema einer afrikanischen Einheitsregierung ("United States of Africa") sorgen: Eine Arbeitsgruppe von zehn Ministern arbeitet derzeit daran, die zerstrittenen Lager - Südafrika führt die Gruppe der "USA"-Gegner an - zusammenzuführen.
Pragmatismus wird einkehren in die AU-Halle, wenn die Verabschiedung des AU-Budgets für 2008 ansteht: Dann wird Konaré die Mitgliedsstaaten einmal mehr auffordern, ihre seit Jahren ausstehenden Beiträge zu begleichen: Heute kommen fünf Länder - Südafrika, Nigeria, Algerien, Libyen und Ägypten - praktisch für den gesamten Etat des Kontinentalverbundes auf - ein Umstand, der die Durchschlagskraft des nach den Vereinte Nationen größten Staatenbundes der Welt entscheidend behindert.