1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Auch Straftäter haben "Recht auf Vergessen"

27. November 2019

Das Bundesverfassungsgericht hat einem verurteilten Mörder grundsätzlich ein Recht auf Vergessen im Internet zugestanden. Dabei gilt die Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit.

https://p.dw.com/p/3TqZM
Karlsruhe: Bundesverfassungsgericht
Bild: picture alliance/dpa

Der Fall ist fast 40 Jahre her. Der Mann hatte auf einer Jacht zwei Menschen ermordet und wurde dafür zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtete und diese Artikel sind in seinem jederzeit abrufbaren Online-Archiv unter voller Nennung des Täternamens aufzufinden. 2002 wurde der Mann aus dem Gefängnis entlassen; er klagte zunächst vor dem Bundesgerichtshof und später beim Bundesverfassungsgericht.

Maßstab Informationsinteresse

Das Bundesverfassungsgericht folgte seiner Argumentation, dass seine allgemeinen Persönlichkeitsrechte verletzt würden. Nach mehr als 30 Jahren habe er ein Recht auf Vergessenwerden. Der Erste Senat des Gerichts machte in seinem Beschluss deutlich, dass der zeitliche Abstand zu der Tat eine zentrale Rolle spiele. In der aktuellen Berichterstattung über Straftaten sei die Namensnennung verurteilter Straftäter grundsätzlich zulässig, doch das berechtigte Informationsinteresse nehme mit der Zeit ab.

Onlinepressearchive können laut dem Karlsruher Beschluss deshalb verpflichtet sein, Schutzvorkehrungen gegen die zeitlich unbegrenzte Verbreitung personenbezogener Berichte durch Internetsuchmaschinen zu treffen.

Screenshot Google Antrag auf Entfernung
Nicht so einfach - die Löschung eigener Daten aus dem Internet

Wer entscheidet über das Vergessen?

Das Verfassungsgericht stellte zugleich klar, dass Betroffene nicht allein über das Recht auf Vergessen bestimmen könnten. Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folge nicht das Recht, alle früheren personenbezogenen Informationen aus dem Internet löschen zu lassen. In diesem Sinne urteilte das Verfassungsgericht in einem zweiten Fall. Hier wies der Erste Senat die Beschwerde einer Frau zurück, der in einem Fernsehbeitrag ein unfairer Umgang mit einem gekündigten Mitarbeiter vorgeworfen worden war.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen zeigte sich mit Blick auf die Ausführungen zur Pressefreiheit zufrieden mit dem Urteil. Es sei eine "längst überfällige Klarstellung, dass der Schutz des Persönlichkeitsrechts nicht grundsätzlich schwerer wiegt als das Grundrecht auf Pressefreiheit", erklärte Geschäftsführer Christian Mihr.

fab/stu (afp, epd)