Auf BND-Chef wartet "Unmögliches in Echtzeit"
6. Juli 2016Bruno Kahl tritt ans Rednerpult und setzt seine randlose Brille auf. Was folgt, ist ein kurzer, ernster Vortrag. Keine Pointen - kein Wunder. Der 53-Jährige tritt eines der anspruchsvollsten Ämter an, das Deutschland momentan zu vergeben hat. BND-Chef in Zeiten von internationalem Terror und Cyber-Kriminalität, von Abhörskandalen und Umzugsproblemen. Er weiß selbst nicht, ob er sich "für die Auswahl bedanken soll", sagt Kahl und schaut kurz in Richtung von Kanzleramtschef Peter Altmaier.
Der deutsche Auslandsgeheimdienst - kein Hund an der Leine
Die anstehenden "Herkulesaufgaben" waren Ende April Gründe, warum sich Altmaier für den Wechsel an der BND-Spitze ausgesprochen hat. Das Kanzleramt wollte, dass mit Bruno Kahl ein Neuanfang gemacht wird an der Spitze des Auslandsgeheimdienstes. Der kann jetzt beginnen.
Altmaier überbringt Grüße der Bundeskanzlerin und macht deutlich, wie groß die Unterstützung für Kahl ist. Man gebe dem neuen BND-Präsidenten mehr Geld, mehr Leute und bessere Technik mit auf den Weg. Und bezogen auf einen Artikel, in dem stand, die Regierung habe nicht vor, den BND an die Leine zu legen, sagt Altmaier: "Ein Hund, der an die Leine gelegt wird, kann seinen Aufgaben nicht nachgehen."
Kahl will Vertrauen in den BND zurückgewinnen
Eine Leine halten sie im Kanzleramt wohl auch deshalb nicht für nötig, weil sie den neuen BND-Chef gut kennen. Peter Altmaier hat mit Bruno Kahl von 2005 bis 2009 im Innenministerium zusammen gearbeitet. Kahl war damals Büroleiter bei Minister Schäuble, Altmaier parlamentarischer Staatssekretär. Schäuble und Altmaier halten Kahl jetzt für eine gute Wahl. "Sein Herz schlägt für die Sicherheit der Bürger", sagt Altmaier über den neuen BND-Präsidenten.
Für Bruno Kahl ist das Vertrauen in ihn als Person "wohltuend", "existenziell" ist für ihn aber das Vertrauen in den Geheimdienst als Dienstleister: "Ein Nachrichtendeinst kann einpacken, wenn ihm die Kunden nicht vertrauen." Die Kunden sind für Kahl die Regierung Merkel und das deutsche Parlament.
"Abhören unter Freunden geht gar nicht"
Kahls Vorgänger Schindler musste wohl auch "einpacken", weil das Vertrauen gelitten hatte. Der BND hatte europäische Partner abgehört und Daten auch an den US-Geheimdienst NSA weitergegeben. Damit soll jetzt Schluss sein. Ein neues BND-Gesetz soll den berühmten Merkel-Satz "Abhören unter Freunden geht gar nicht" in die Praxis überführen und gleichzeitig dem Geheimdienst mehr Rechtssicherheit für vieles andere geben. Gleichzeitig soll der BND besser kontrolliert werden, wobei auch für Kahl klar ist: "Geheimer Nachrichtendienst und totale Transparenz schließen sich aus."
Kahl soll Pullach sozialverträglich abwickeln
Große Aufgaben warten für Bruno Kahl auch als Behördenchef. Nach wie vor sitzt ein Großteil seiner Mitarbeiter im bayerischen Pullach, während in Berlin ein fertiger Neubau darauf wartet, bezogen zu werden.
Dass für die rund 6500 BND-Mitarbeiter der Umzug ein belastendes Thema ist, weiß auch Altmaier. Er glaubt aber, dass der Familienvater Kahl weiß, was es bedeutet "den Lebensmittelpunkt zu verschieben." Die beiden Töchter von Bruno Kahl stehen an einem Tisch, trinken Orangensaft und sehen nicht aus, als würden sie etwa gerne nach Pullach umziehen. Sie sind mit Abstand die jüngsten Gäste des Empfangs im Kanzleramt. Schwer zu sagen, wer an diesem Mittag stolzer ist. Der Vater oder die Kinder.
Die Sicherheitsdimension der Globalisierung
Beim anschließenden Stehempfang sieht ein typisches Gespräch über den neuen BND-Chef etwa so aus. "Was halten sie von Herrn Kahl?" - "Gute Wahl." - "Und von seinen Aufgaben?" - "Nicht zu beneiden…" Ein BND-Mitarbeiter bedauert Kahl wegen der vielen Abkürzungen, die der jetzt lernen muss, ein Bundestagsabgeordneter verdreht die Augen, wenn man die Auflösung des ehemaligen Nazi-Dorfs in Pullach anspricht. Allen ist aber klar: Die Hauptaufgabe auch des neuen BND-Chefs ist es, Schaden von Deutschland abzuwenden. Und da bringt der neue Präsident die Themen Syrien, Russland, Flüchtlinge und IS schlicht so auf den Punkt: "Globalisierung heißt nicht nur Freihandel und Internet. Sie hat auch eine Sicherheitsdimension." Für die ist jetzt der Essener Jurist und überzeugte Christ Bruno Kahl zuständig.