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Erneuerbare Energien für Malis Kochtöpfe

16. November 2009

"Der Kuchen wird knusprig, der Kartoffelauflauf auch. Eigentlich kann man alle malischen Gerichte mit Solarenergie kochen, alle unsere Saucen. Wir haben das getestet, denn das war wichtig, um die Frauen zu überzeugen."

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Mehr Zeit und Geld dank SonnenenergieBild: DW
Koch Körbe mit schwarzem Stoff
Koch-Körbe mit schwarzem StoffBild: DW

"Den Schafskopf hier habe ich gestern zubereitet, so gegen sechs, sieben Uhr. Und seit heute früh ist alles fertig. Und es ist immer noch heiß, schau mal!" Dampf steigt auf und der Duft nach einem stark gewürzten Eintopf, als Madame Djénéba Sow den Deckel von einem schwarz angepinselten Kochtopf lüftet. Sie hat uns zu sich zum Mittagessen eingeladen, ins Quartier 659, eine Sozialbausiedlung für Witwen, wenige Kilometer südöstlich von Bamako. "Das spart so viel Geld – ich habe nur 100 Franc für die Zutaten ausgegeben, normalerweise brauche ich Holzkohle für noch mal mindestens 300 oder 400 Franc. Gestern habe ich hier einfach alles zusammen in den Topf geworfen – Fleisch, Gemüse, Gewürze, Wasser ... und das hat bis heute morgen alles schön vor sich hin gekocht."

Kann man ohne Kohle kochen?

Witwe mit ihren Kindern vor Solarkocher
Gehört jetzt zur Familie: der SolarkocherBild: DW

Madame Djénéba kommt fast ganz ohne Holzkohle aus. Für die staunenden Nachbarn eine kleine Sensation, doch für die Mutter, die jeden Tag sechs Kinder satt kriegen muss, schon ganz normal. Denn sie ist eine der Frauen im Viertel, die die Sonnenenergie für sich entdeckt und preiswerte Solarkocher angeschafft haben. Das System ist denkbar einfach – so einfach, dass man es kaum glauben kann. Es besteht aus Karton, Alufolie und einem speziellen Topf – alles zusammen kostet CFA 7500, etwas mehr als 10 Euro. Eine echte Investition, die sich rechnet.

Gebügelte Kaugummi-Papiere als Sonnenkollektoren

Solarkocher aus beschichteter Pappe
Gebügeltes Kaugummipapier reflektiert die SonnenstrahlenBild: DW

"So sieht das Ganze aus: Der Sonnenkollektor ist nichts Anderes als ein Karton aus Pappe, 2 Meter mal 1,90. Darauf haben wir Aluminiumfolie geklebt, eigentlich aus Kaugummi-Papier, und die sammelt dann die Sonnenenergie." Haoua Keita, die Erfinderin des Solarkochers und Leiterin von Malis Ingenieurinnenverband, beugt sich über den Karton. "Zwei Plastikbeutel sind in unserem Set dabei, aus Polypropylen - darin steht der Topf. Der ist schwarz beschichtet, denn das absorbiert die Sonnenstrahlen. Hier drüben tut sich schon etwas, die ersten Tropfen von kondensiertem Wasserdampf bilden sich innen im Beutel. Das bedeutet, dass der Garprozess begonnen hat. Wann ein Gericht fertig ist, das ist dann letztlich Erfahrungssache."

Entspannter Ramadan - dank Solarenergie

Die Solarküche ändert und vereinfacht den Tagesablauf der Witwen von Quartier 659. "Während des islamischen Fastenmonats Ramadan essen wir ja nach Sonnenuntergang, und in dieser Zeit dürfen wir tagsüber nicht kochen, sondern sollen ja beten. Da hat uns der Solarkocher sehr geholfen, denn wir haben die Sonne für uns kochen lassen - bis zum Abend ist immer alles fertig", erzählt Djénéba Sow. "Wir mussten also nicht wie früher um drei oder vier Uhr morgens aufstehen, um vor Sonnenaufgang schon das Essen für den Abend fertig zu haben."

Die Solar-Witwen haben mehr Zeit und Geld

30 Frauen haben die Idee von Madame Keita begeistert aufgenommen - ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin ein Anfang. Sie haben nun mehr Zeit für die Kinder und können auf dem Markt ihr Gemüse verkaufen, statt zu Hause am Herd zu stehen - und natürlich sparen sie viel Holz und Kohle, ein Segen für die gestresste Umwelt. Denn noch liegt Tag und Nacht schwerer Rauch von Kohlefeuer über dem Land - der sich zu den Abgasen der Großstadt hinzumischt und einem den Atem raubt. Malis Energiepolitik ist noch immer auf dem Holzweg - im wahrsten Sinne des Wortes. Gibt es Alternativen?

Auf dem Holzweg

"Wir haben kein Öl, kein eigenes Erdgas. Wir können aber die Sonnenenergie gut nutzen." Der Solarexperte Ousmane Soumaoro pflichtet Madame Keita bei: "Wir müssen eben das nutzen, was Gott uns gegeben hat - und wir haben doch 300 oder noch mehr Sonnentage pro Jahr, bei uns ist es eben immer heiß und die Sonne brennt“, erklärt derSolarexperte. "In manchen Gegenden erreicht man eine Leistung von 5 bis 7 Kilowattstunden pro Quadratmeter voll mit Solarzellen. Das müssen wir doch nutzen! Nur so können wir irgendwann die Energiebilanz unseres Landes verändern."

In Mali wird das Holz knapp

Eier kochen mit Solarkocher
Weich oder hart? Kein Problem mit dem SolarkocherBild: DW

Seit dem horrenden Preisanstieg von Öl und Gas ist der Druck auf die Ressource Holz noch stärker geworden, zumal die Bevölkerung Malis immer weiter wächst. Ob es trotzdem irgendwann ganz ohne Kohle geht? "Nein, ich glaube nicht - leider … Das liegt eben daran, dass sich das Verhalten und die Gewohnheiten der Menschen hier nur sehr langsam ändern. Aber die Solarenergie kann uns helfen zu verstehen, dass wir unsere Umwelt schützen müssen."

Ousmane Soumaoro erinnert sich: "Als ich noch ein Kind war, da konnte man den Coulouba-Hügel hier in Bamako vor lauter Wald kaum sehen. Da gab es wilde Tiere, Affen und andere. Heute ist alles weg, denn die Bäume sind auch weg. Früher wurde Bamako mit Brennholz aus einem Umkreis von 40 Kilometer versorgt. Und heute müssen die Menschen bis zu 200 Kilometer weit aus der Stadt raus, um Holz zu bekommen. Das ist doch eine Katastrophe! Das bedeutet, dass die Wüste immer näher kommt!"

Die Wüste aufhalten

Es sind nun ausgerechnet Malis Frauen, diejenigen also, die jeden Tag am Herd stehen und Holzkohle verbrauchen, die die Wüste aufhalten wollen. Auch wenn der entschlossene Kampf der Solar-Witwen von Bamako das letzte bisschen Wald in Mali nicht retten wird - das kleine Frauenprojekt ist ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Denn noch sind großflächige Solaranlagen in der Wüste, weithin elektrifizierte Dörfer auf dem Land und ausgefeilte Photovoltaik in den Städten Zukunftsmusik in Mali.

Autor: Alexander Göbel
Redaktion: Peter Koppen