Auf dem Weg zum Einwanderungsland
25. April 2018Nach Deutschland kam Fadi Alshamas mit dem Flugzeug - nicht zu Fuß und mit dem Boot wie viele seiner syrischen Landsleute. Dieser Unterschied ist ihm wichtig. Denn Alshamas ist kein Flüchtling, sondern "2016 zum Arbeiten nach Deutschland gekommen". Er spricht fließend englisch, hat einen Masterabschluss in Marketing und wollte als Informatiker in Berlin arbeiten. Doch der Traum zerplatzte schnell. "Ich habe versucht, ein Arbeitsvisum zu bekommen. Aber ich bin sehr schnell an der Bürokratie gescheitert." Ständig habe er Zertifikate und Dokumente einreichen müssen. Das System sei für ihn als Ausländer kaum zu durchschauen gewesen. "Manchmal hatte ich den Eindruck, dass das Job-Center alles noch komplizierter gemacht hat. Das war sehr frustrierend."
Nach zwei Jahren mühseliger Jobsuche ist für Alshamas nur eine befristete Teilzeit-Stelle herausgesprungen - trotz seiner Qualifikation. Am Ende stellte er schließlich einen Asylantrag. Bei Anerkennung sind seine Chancen auf einen Job und auf ein geregeltes Aufenthaltsrecht höher als als über den Arbeitsmarkt. Er kenne viele Syrer, die den Asylantrag nicht zum Schutz, sondern zur Jobsuche stellten.
EU-Fachkräfte reichen nicht mehr
Gut qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland wie Alshamas bleiben also auf der Strecke. Dabei sucht die deutsche Wirtschaft händeringend Fachkräfte. Besonders in technischen Berufen und im Gesundheitswesen gibt es Engpässe. Wido Geis vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist überzeugt, dass dieser Fachkräftemangel schon sehr bald negative Konsequenzen für Wachstum und Wohlstand in Deutschland haben könnte. "Zuwanderer aus EU-Ländern haben im Zuge der Freizügigkeit einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung geleistet. Allerdings sind die Potentiale für die Zukunft beschränkt (…) Daher braucht Deutschland auch Fachkräfte aus Drittstaaten. Aber dazu benötigt man ein modernes Einwanderungsgesetz", so der Ökonom.
Ein Einwanderungsgesetz soll kommen
Seit den Jahren 2015 und 2016, als massenhaft Flüchtlinge nach Deutschland kamen, wird ein Einwanderungsgesetz diskutiert. Im aktuellen Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien darauf verständigt, in der nächsten Legislaturperiode ein entsprechendes Gesetz vorzulegen. Es soll grundsätzlich einfacher werden, ein deutsches Arbeitsvisum zu erhalten. Dabei soll die Einwanderung ausländischer Fachkräfte nach den Bedürfnissen der deutschen Wirtschaft ausrichten. Die genaue Gestaltung und Umsetzung ist aber noch umstritten. Und das nicht nur innerhalb der Bundesregierung - auch die mächtigen Bundesländer wollen bei der Ausgestaltung des Gesetzes mitreden. Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Joachim Stampf (FDP) forderte ein Gipfeltreffen mit Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen, um das zukünftige Einwanderungsgesetz zu diskutieren.
Wem zuerst helfen - Flüchtlingen oder Fachkräften?
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) kam in ihrem Jahresgutachten zu der Einschätzung, dass die bestehenden Regelungen der Zuwanderungspolitik vereinfacht und zusammengefasst werden müssen, damit ausländische Fachkräfte sie verstehen können. Besonders nicht-akademische Fachkräfte aus Drittstaaten, das heißt aus Ländern außerhalb der EU, hätten es besonders schwer, nach Deutschland einzuwandern. Der SVR-Sachverständiger Daniel Thym findet, dass man ein zukünftiges Einwanderungsgesetz nicht zu sehr in einem "Fluchtkontext" betrachten dürfte. Die Fluchtmigration mit all ihren Problemen sei ein sehr wichtiges Thema, aber nur ein Teil der Migration. "Es gibt auch ein positives Bild der Migration, die im Interesse der deutschen Bevölkerung steht", so Thym.
Fadi Alshamas ist an einem Dschungel aus Gesetzen und Verordnungen gescheitert. Trotz guter Qualifikationen, konnte er nicht auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen. Berufliche Fachkräfte aus Drittländern wie er dürften von einem gut strukturierten Integrationsgesetz also profitieren, genauso wie die vielen deutschen Betriebe, denen die Arbeitskräfte ausgehen. Und alle Anderen? Der Migrationsrat sagt, dass ein Einwanderungsgesetz nicht nur eine Angelegenheit des Gesetzgebers sei; auch die Bevölkerung solle in den Diskurs eingebunden werden. Am Ende muss sich also die Gesellschaft darüber verständigen, ob Deutschland endgültig ein Einwanderungsland sein möchte oder nicht. Ein Gedanke, der lange Zeit Tabu war.