Suche auf der IFA
3. September 200726 Messehallen - über 104.000 Quadratmeter - wo soll man da nur anfangen? Vielleicht hilft ja die täglich erscheinende Messezeitschrift "IFA heute": Viele Bilder: Fernseher, Camcorder, Handys, MP3-Player, Navigationsgeräte, Stars und Sternchen mit Hinweisen auf unzählige Shows. Doch Radios? Fehlanzeige. Oder doch nicht? Fast zufällig treffe ich auf einen Messebesucher, der heute aus dem gleichen Grund auf der IFA ist wie ich. "Weil ich gerne möglichst auf verschiedenste Weise Radio hören möchte", erklärt er. "Fernsehen brauche ich nicht." Und er weiß auch ganz genau, was er sucht: Radiogeräte für den Empfang aus dem Internet.
Tausende Sender
Zu den Vorreitern für so genannte Internetradios gehört zum Beispiel die Firma Terratec. Produktmanager Hai Sanh Lu erklärt das neueste Internetradio Noxon 2, das über 10.000 Internet-Radiosender weltweit mit einfacher Bedienung empfangen kann. "Das ist alles sehr gut sortiert: Musikrichtungen, Länder, neue Sender", erläutert er. "Ich gehe mal nach Europa, da fängt das mit A an und geht dann alphabetisch runter. Deutschland zum Beispiel. Dann sehen wir, dass wir 334 Sender nur aus Deutschland haben." Und das auf Knopfdruck ohne dass man einen Computer überhaupt eingeschaltet haben muss.
Für Radiofans, die über einen Breitband-Anschluss mit Flatrate verfügen, haben damit bereits goldene Radiozeiten begonnen. Doch wie war das noch mit der Digitalisierung der Kurz-, Mittel- und Langwelle? Wie steht es um die Ankündigungen, die auf jeder IFA in den letzten Jahren zu hören waren? Bereits 2003 war die Entwicklung des DRM-Standards abgeschlossen, anschließende Tests im Sendebetrieb bis 2005 verliefen erfolgreich. Was fehlte, waren vor allem Empfangsgeräte. Seit 2006 sind zwar die ersten Geräte im Handel, doch die hohen Erwartungen haben sie nicht erfüllt. Bei Radiostationen und den interessierten Käufern ist die erste Euphorie längst verflogen.
Ohne Radios keine Sender, ohne Sender keine Radios
Was hat sich geändert? Wer, wenn nicht Peter Senger, der Vorsitzende des weltweiten DRM-Konsortiums, könnte diese Frage besser beantworten? Was er sagt, ist ernüchternd. "Bringst du keine Radios, fange ich nicht an - fängst du nicht an digital zu senden, mache ich keine Radios", erklärt Senger. "In diesem Teufelskreis bewegen wir uns eigentlich seit 2005."
Das berühmte Henne-Ei-Problem scheint den Fortschritt also immer noch auszubremsen. Peter Senger beklagt, dass die großen Firmen, die analoge Kurzwellenradios in den letzten 80 bis 90 Jahren von ganz schlechter Qualität bis zur ausgereiften Technologie brachten, keine DRM-Empfänger entwickelt haben. "Hätten die das gemacht, dann hätten sie die ganze Erfahrung der analogen Lang-, Mittel-, Kurzwelle in die Digitaltechnik übernehmen können", klagt er. "Jetzt haben wir Hersteller, die haben noch nie so ein Radio gebaut. Die müssen alles neu lernen."
Indien und Russland als Vorreiter
Und dazu gehört seit Neuestem auch die deutsche Firma TechniSat, die ihre IFA-Neuheit "Multyradio" nennt, weil es die analogen Frequenzbänder und die digitalen Frequenzbereiche DAB und DRM empfängt und dazu ein einfaches Bedienkonzept verspricht. "Sie müssen nicht an vielen Knöpfen drehen und brauchen kein technisches Hintergrundverständnis haben, erklärt der TechniSat-Pressesprecher Tyrone Winbush. Über das Menü sehe man nach einem Sendersuchlauf alle Sender, die gerade empfangen werden können. "Sie aktivieren diesen Sender und hören ihn - ohne zu wissen, auf welcher Frequenz oder über welchen Übertragungsweg der Sender bei ihnen ankommt."
Im Technisch-Wissenschaftlichen Forum, wo ich Peter Senger gefunden habe, werden mehrere DRM-Geräte gezeigt, erstmals sogar eines aus Russland. Nicht nur das gibt dem DRM-Chef neue Hoffnung. In Indien beginne der DRM-Ausbau und in Russland werde der Standard wohl flächendeckend eingeführt. "Ganz neu ist, dass China auf einer Messe in Peking auch einen DRM-Prototypen vorgeführt hat. Damit wurde sogar das Programm der Deutschen Welle aus Sri Lanka empfangen." Bleibt das Fazit dieser Funkausstellung: Das Radio lebt und es hat eine Zukunft. Mehr dazu von der IFA 2008. Bis dann!