Milliardenschäden bei der Bahn
23. Juli 2021Vielleicht ist es mehr als Zweckoptimismus. Denn die Schadensliste der Bahn ist gewaltig: Flutfolgen an mehr als 50 Brücken, 180 Bahnübergängen, knapp 40 Stellwerken und mehr als 1000 Oberleitungs- und Signalmasten. 600 Kilometer Gleise sind kaputt, 80 Bahnhöfe teils schwer zerstört. Gleichwohl sagt der zuständige Bahnvorstand: "Unser Ziel ist es, dass wir etwa 80 Prozent der beschädigten Infrastruktur bis Jahresende wieder auf Vordermann bringen können." Allerdings fügte Bahnmanager Volker Hentschel hinzu: "Wir stehen vor einem gewaltigen Kraftakt."
Die Flutkatastrophe der vergangenen Woche hatte vor allem Teile von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz getroffen. Ganze Landstriche wurden hier verwüstet. Mindestens 170 Menschen verloren nach aktuellen Zahlen ihr Leben. Auch in Teilen Bayerns hatte es Starkregen geben. Die Folgen hier tauchen in der ersten Bilanz noch nicht auf.
Besonders schwer getroffen: Brücken
"Nach erster Einschätzung gehen wir davon aus, dass die Wassermassen in unserem Netz und an den Bahnhöfen Schäden von rund 1,3 Milliarden Euro verursacht haben", fasste Hentschel zusammen. Das Wasser habe Hänge und Dämme abrutschen lassen, aber auch Gleise unterspült und überschwemmt. Das habe zu massiven Zerstörungen geführt. Besonders gravierend seien die Schäden an den mehr als 50 Brücken.
"An Eifel und Ahr ist von den bisherigen Strecken und Anbindungen wahrlich nichts mehr zu erkennen", sagte der Bahn-Vorstand, der für Anlagen und Instandhaltung zuständig ist. "Hier reden wir von Monaten, wenn nicht sogar an einigen Stellen von Jahren." Hentschel fügte hinzu: "In dieser Dimension wurde unsere Infrastruktur noch nie auf einen Schlag zerstört." Auch rollendes Material ist in beachtlicher Größenordnung beschädigt worden und muss aufwändig repariert oder ersetzt werden.
Viele sind nicht versichert
Insgesamt sind die Schäden durch die Jahrhundertflut allerdings noch um einiges höher. Kosten allein in Höhe von vier bis fünf Milliarden Euro kommen auf deutsche Versicherer zu, so der Branchenverband GVD in einer ersten Schätzung in dieser Woche. "Die Schäden dürften sogar noch über denen des August-Hochwassers im Jahr 2002 von 4,65 Milliarden Euro liegen", sagte Verbandschef Jörg Asmussen.
Viele, deren Hab und Gut zerstört wurde, sind gegen Katastrophen dieser Art nicht einmal versichert. Die tatsächliche Schadenshöhe liegt also weit über den ersten Schätzungen der Versicherungen. In ganz Deutschland verfügen laut GDV im Schnitt nur knapp die Hälfte der Betroffenen über eine sogenannte Elementarschadenversicherung, die bei Naturereignissen wie Starkregen, Hochwasser oder Erdrutschen einspringt. In den nun getroffenen Gebieten liegt dieser Anteil offenbar noch deutlich niedriger.
Auch die Deutsche Bahn geht davon aus, dass sie für den Löwenanteil der eigenen Schäden wohl keinen Versicherungsschutz hat. Derzeit liefen Gespräche über die Finanzierung mit der Bundesregierung, hieß es am Freitag bei dem Unternehmen.
Die Bundesregierung schätzt Schäden an Straßen und Schienen in den Katastrophenregionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vorläufig auf zwei Milliarden Euro. Immerhin, so der zuständige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer im Bundestag, seien 90 Prozent der digitalen Infrastruktur, wie mobile Masten, seien bereits wiederhergestellt. In der Region hatten tagelang Telefon und Mobilfunk nur eingeschränkt funktioniert. Bundesregierung und Länder haben bisher Soforthilfen in Höhe von 400 Millionen Euro bereitgestellt.
ar/hb (dpa, rtr, afp)