Auf Leben und Tod
29. März 2007Ein Motorradfahrer hatte einen schweren Unfall und liegt im Koma. In seiner Patientenverfügung hat er festgelegt, dass in einem solchen Fall die lebenserhaltenden Geräte nach vier Wochen abgeschaltet werden sollen. Diesem Wunsch folgen die Ärzte, der Patient stirbt. Die Ärzte haben richtig gehandelt, denn der Wille des Kranken zählt.
Patientenverfügungen sind verbindlich
"Die Patientenverfügungen sind grundsätzlich verbindlich - natürlich nur, wenn es keine Anzeichen dafür gibt, dass dies nicht dem Willen des Patienten entspricht", sagt Urban Wiesing, der die Ethik-Kommission bei der Bundesärztekammer leitet. Die Ärzte seien verpflichtet, der Patientenverfügung zu folgen, solange sie sich dabei an die Gesetze hielten.
Wenn ein Patient allerdings die aktive Sterbehilfe fordern würde, dürfe ein Arzt diesem Wunsch nicht entsprechen, weil aktive Sterbehilfe per Gesetz verboten sei. Ansonsten aber ist das Selbstbestimmungsrecht des Patienten verfassungsrechtlich geschützt. Wenn ein Kranker beispielsweise nicht operiert werden möchte, kann ihn kein Arzt dazu zwingen, auch wenn er ohne die Operation sterben würde.
Was aber, wenn der Kranke seinen Willen nicht mehr äußern kann? Genau für diesen Fall gibt es die Patientenverfügung.
Fachberatung im Vorfeld
Schätzungsweise acht Millionen Deutsche haben derzeit schriftlich festgelegt, wie sie im Fall einer schweren Erkrankung medizinisch behandelt werden wollen. Viele von ihnen haben sich vorher von Fachleuten beraten lassen, zum Beispiel von Wolfgang Kramer von der Deutschen Hospizstiftung: "Es kommen anfangs solche Wünsche wie, dass man nicht leiden möchte und nicht an Schläuchen hängen wolle."
So einfach ginge es natürlich nicht. Wenn man den Menschen aber in Gesprächen darlege, was es für Möglichkeiten gebe und was für Krankheitszustände, über die sie bisher teilweise gar nicht nachgedacht hätten, dann entschieden sich viele anders.
Patientenverfügungen oft unspezifisch
Weil das Thema nicht ganz einfach ist, dauert die Beratung mindestens 90 Minuten. Das Ergebnis ist ein siebenseitiges Dokument, das sich im Detail mit verschiedenen Krankheitsverläufen befasst. Aber eine Beratung ist nicht verpflichtend. Eine gesetzliche Regelung gibt es bisher nicht. Eine Patientenverfügung kann deshalb auch ein Zettel sein, auf dem ein paar Zeilen notiert sind.
Grundsätzlich sei eine Patientenverfügung eine sinnvolle Angelegenheit, aber sie müsse detaillierter sein. "Wir erleben, dass viele Menschen etwas hinschreiben, was dann im konkreten Fall nicht wirken kann, weil es einfach zu unspezifisch ist", sagt Kramer.
Regelung per Gesetz?
Sind die Angaben zu ungenau, haben Ärzte und Angehörige ein Problem. Zumal umstritten ist, wie weit die Verfügung reichen darf - gilt sie auf jeden Fall oder nur dann, wenn die Krankheit ohnehin tödlich verlaufen würde?
"Wir haben in der Tat eine gewisse Unklarheit, sowohl bei Ärzten als auch bei Patienten", sagt Weiseing. Diese Unklarheiten müssten beseitigt werden, allerdings nicht auf Kosten der individuellen Möglichkeiten.
Nach Ansicht der Bundesärztekammer sollte das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht beschränkt werden. Krankheitsverläufe seien individuell und ließen sich nicht per Gesetz regeln. Diese Haltung wird von vielen Politikern geteilt, während andere fordern, dass Patientenverfügungen künftig ausschließlich bei irreversibel tödlichen Krankheiten gelten sollten.