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Auf Wüstensand gebaut

Gero Rueter29. November 2012

Masdar sollte die erste CO2- neutrale Stadt der Welt werden und als Vorbild dienen. Milliarden wurden in das Vorzeigeprojekt von Abu Dhabi investiert. Kritiker bezeichnen das Vorhaben als "große Show".

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Masdar City Abu Dhabi. Exterior view of Masdar Institute Campus, Masdar City (Copyright: Masdar City / Martin von den Driesch)
Masdar City Abu DhabiBild: Masdar City / Martin von den Driesch

Die Ankündigungen waren groß: Nur 30 Kilometer von der Hauptstadt der Vereinigten Emirate Abu Dhabi entfernt sollte in der Wüste die Ökostadt Masdar als Modellstadt der Zukunft entstehen. Das reiche Emirat Abu Dhabi, das über mehr als ein Zehntel der weltweiten Ölreserven verfügt und noch über 100 Jahre Rohöl fördern kann, wollte zeigen, wie die Zukunft ohne Öl aussehen könnte.

2006 hatte man damit begonnen, Masdar City zu planen. Eine Stadt, die keine CO2-Emissionen verursacht, den Strom aus erneuerbaren Energien bezieht, den Abfall komplett recycelt und autofrei ist. Elektrisch betriebene, automatische Transportkabinen sollten stattdessen den Personen- und Güterverkehr abdecken.

Eine lebensfreundliche Stadt sollte es werden, mitten in der Wüste. Eine Stadt, in der Fußgänger viel Platz haben, mit viel Grün und schattigen Plätzen. Namhafte Ingenieure und Stadtplaner, wie der Stararchitekt Norman Foster, konzipierten diese futuristische Musterstadt. Schon 2008 rollten die Bagger an. Bis 2016 - so die Planung - sollte die Stadt für mehr als 40.000 Einwohner und 50.000 Pendler aus dem Boden gestampft sein. Kosten: Rund 22 Milliarden US-Dollar. 

Masdar City Abu Dhabi: Angela Merkel lässt sich am Modell das Projekt erklären. (Copyright: Masdar City)
Auch Angela Merkel besuchte Masdar City und ließ sich die Pläne der Vorzeigestadt erklärenBild: Masdar City

Heute, gut vier Jahre nach Baubeginn, ist von dem visionären Großprojekt Masdar nur ein kleiner Teil fertig. In dem gerne präsentierten Häuserblock mit sechs Gebäuden zog Anfang 2011 das Masdar Institute of Science and Technology ein. Rund 60 Angestellte und gut 240 Studenten hat die Fakultät zurzeit, 600 Studenten sollen es in fünf Jahren sein. Die ganze Stadt Masdar wird nach Angaben von Alan Frost, Direktor von Masdar City, nicht vor 2025 fertig sein.

Silicon Valley für nachhaltige Technologie?

Zahlreiche Visionen sind mit dem Projekt Masdar verknüpft. Die Hightech-Ökostadt am internationalen Flughafen von Abu Dhabi soll das Silicon Valley für nachhaltige Technologie werden, ein Zentrum für erneuerbare Energien, das weltweit die besten Unternehmen, Forscher und Studenten anlocken soll.

Um diese grüne Vision umzusetzen, ernannte Scheich Mohammed bin Zayed Al Nahyan, der Kronprinz von Abu Dhabi, den Ökonom und Ingenieur Sultan Ahmed Al Jaber zum Chef von Masdar.

Der gründete zahlreiche Kooperationspartnerschaften. Die Liste derer, die bei diesem Projekt dabei sind, liest sich wie das "Who is Who" der Forschung und Entwicklung erneuerbarer Energien. So half zum Beispiel das bekannte Massachusetts Institute of Technology beim Aufbau der internationalen Studiengänge für Nachhaltigkeit in Masdar. Das renommierte Fraunhofer-Institut für Bauphysik und Solare Energiesysteme aus Deutschland unterstützt die Errichtung eines Testzentrums in Masdar.

Als strategischer Partner konnte Al Jaber auch das deutsche Technologieunternehmen Siemens gewinnen. Mit dem Bau eines Gebäudes für fast 2000 Siemens-Mitarbeiter wurde begonnen, es sollte eigentlich schon 2012 fertig sein. Doch mit dem Einzug der Mitarbeiter in der Zentrale von Siemens für den Nahen und Mittleren Osten wird es in diesem Jahr nichts.

Das fertige Zentrum Masdar City (Copyright: Masdar City / Nigel Young / Foster + Partners)
Das innovative Zentrum von Masdar City. Durch viel Schatten wird weniger Energie für Kühlung benötigt.Bild: Masdar City / Nigel Young / Foster + Partners

"Grünes Disneyland"

Inzwischen gibt es einige Zweifel an dem Vorzeigeprojekt. "Das ganze Projekt ist eine große Show", sagte ein internationaler Energieexperte gegenüber der Deutschen Welle. Seinen Namen will er nicht abgedruckt sehen. "Eine nachhaltige Wirkung und Strahlkraft, die von Masdar ausgehen sollte, ist bisher nicht zu spüren", so sein Kommentar.

Ein anderer internationaler Energieexperte, der für Masdar vor Ort mehrere Jahre arbeitete, berichtet gegenüber der Deutschen Welle von zahlreichen Planungsfehlern. So gebe es zum Beispiel Verschattungen bei der Photovoltaikanlage auf dem Dach der Mustersiedlung. Das wiederum führe zu erheblichen Stromeinbußen. Und auch bei der Nachtbeleuchtung für die Straßen von Masdar gab es Probleme: Über Monate hinweg lief sie nicht nur nachts, sondern auch tagsüber und konnte nicht abgeschaltet werden. Die Liste solcher Beispiele sei lang. Das Ganze, so der Energieexperte, sei ein "grünes Disneyland im Quadrat". Seinen Namen möchte auch er nicht veröffentlicht sehen, "in Abu Dhabi kann man sonst Schwierigkeiten bekommen“, so seine Begründung.

Unter dem Häuserblock befinden sich die elektrischen Fahrzeuge. Ohne Fahrer werden die Personen zu der gewünschten Haltesation befördert. (Copyright: Masdar City / Nigel Young / Foster + Partners)
Unter dem Häuserblock befinden sich die elektrischen Fahrzeuge. Ohne Fahrer werden die Personen befördert.Bild: Masdar City / Nigel Young / Foster + Partners

Zweifel an Nachhaltigkeit

Auch andere Energieexperten sehen das Vorzeigeprojekte Masdar City trotz innovativer Ansätze kritisch. Das viele Geld wäre nachhaltiger in andere Projekte investiert, meinen sie. Gegenüber der Deutschen Welle nennt ein Experte ganz einfache und bewährte Lösungen, wovon auch die Beduinen in den Emiraten profitieren könnten. Würden ihre Häuser besser isoliert, mit Solaranlagen für Warmwasser und Stromerzeugung ausgestattet und die Bewohner mit der neuen Technik vertraut gemacht, wäre der Nutzen für Umwelt und Bevölkerung größer. Eine simple Maßnahme, die nachhaltiger und effektiver als bisherige Bemühungen wäre.

Um zu zeigen, dass eine CO2-neutrale Energieversorgung mit erneuerbaren Energien schon heute möglich ist, bedürfe es nicht dieses gigantischen Vorzeigeprojekts Masdar, meint ein anderer Weltenergieexperte im DW-Interview: "Ein Blick in viele kleine Kommunen in Deutschland zeigt schon heute, dass eine CO2-freie Energieversorgung möglich ist."

Zweifel an der Nachhaltigkeitsstrategie von Abu Dhabi gibt es inzwischen reichlich. Denn bislang zählt das Emirat weiterhin zu den Klima-Sündern der Welt: mit Emissionen von 28 Tonnen Kohlendioxid (CO2) pro Person und Jahr. Und auch sechs Jahre nach Planungsbeginn von Masdar sind außerhalb der Musterstadt trotz viel Sonne kaum Solaranlagen auf den Dächern zu sehen. Ein Gesetz, dass die Solarstromerzeugung auf dem Dach für Privatbesitzer regelt und fördert, gibt es nicht. Kritiker sehen deshalb in Abu Dhabis Vorzeigestadt Masdar und dem Engagement für eine nachhaltige Welt vor allem eines: ein Instrument, um das eigene Image als Klimasünder aufzupolieren.

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