Aufmarsch der Friedensaktivisten
20. Januar 2003Die Stimmen gegen die Kriegspläne des amerikanischen Präsidenten Bush werden lauter und lauter. Doch nicht immer werden sie gehört. Die Friedensbewegung in den USA hat keine Lobby in den etablierten Medien. Manch ein Friedenaktivist sucht deshalb neue Wege, um sich Gehör zu verschaffen, so wie die 72-jährige Künstlerin Donna Sheehan. Zusammen mit mehr als einhundert Frauen zog sie sich aus, um ihre Friedensbotschaft zu verkünden. Die Frauen gruppierten ihre nackten Körper auf felsigem Boden zu Wörtern wie "Peace" oder "No War". Die Pressefotos waren ihnen sicher.
Die Aufmerksamkeit der Weltpresse zu bekommen, ist harte Arbeit. Deshalb versuchten die Organisatoren der Demonstrationen in Washington und San Francisco am Samstag (18.1.2003), nichts dem Zufall zu überlassen. In mehr als 200 Städten haben die Friedensaktivisten Busse gechartert, um die Demonstranten aus allen Teilen des Landes in die Hauptstadt und wieder nach Hause zu bringen. Auch die Slogans wurden vorgeschlagen. "Kein Krieg gegen den Irak" soll auf möglichst vielen Plakaten stehen. Das Antikriegs-Bündnis A.n.s.w.e.r (Act Now to Stop War & End Racism) rief die Demonstranten sogar dazu, sich als Waffeninspekteure zu verkleiden. Der Termin für den friedlichen Protestmarsch war ebenfalls nicht zufällig gewählt. Am 17. Januar 1991 begann der 1. Golfkrieg.
Renaissance nach Schreckstarre
Nach Ansicht von Tobias Pflüger von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung kommt die amerikanische Friedensbewegung wieder in Form. "Nach dem 11. September fiel sie erst einmal in eine Schreckstarre. Keiner traute sich so richtig gegen die repressiven Maßnahmen der Bush-Regierung den Mund aufzumachen", sagt Pflüger, der gute Kontakte zu amerikanischen Friedensaktivisten pflegt. Jetzt habe sich die Friedensbewegung neu formiert. "Die Demonstrationen könnten zu scharfen innenpolitischen Diskussionen führen, die Bush erheblich unter Druck setzen", so der Politikwissenschaftler zu DW-WORLD.
Laut Pflüger agieren auf nationaler Ebene vor allem drei große Allianzen gegen einen Irak-Krieg. Neben A.n.s.w.e.r sind das "Not in Our Name" - ein Bündnis von Angehörigen der Opfer des 11. September, das als Opposition zum Afghanistankrieg gegründet wurde – und "United for Peace", eine Dachorganisation 70 kleinerer Bürgerinitiativen und Vereine. Zu A.n.s.w.e.r gehören mehrere Dutzend Organisationen, darunter das regierungskritische "International Action Center", das mit dem ehemaligen Justizminister Ramsey Clark ein prominentes Aushängeschild hat.
Globalisierte Friedensbewegung
Eine einheitliche Linie ist bei so vielen Meinungen und Interessen unmöglich. Damit ist die amerikanische Friedensbewegung noch heterogener als die deutsche. Dennoch haben sich die Kriegsgegner in den USA auf einen Minimalkonsens geeinigt, sagt Hans-Peter Richter vom Deutschen Friedensrat zu DW-WORLD. "Die Angst vor einem Rachefeldzug der Bush-Regierung nach dem 11. September schweißt die Kriegsgegner zusammen", so Richter, der die Kontakte zwischen deutschen und amerikanischen Friedensaktivisten weiter ausbauen will. Sein Ziel ist die Vernetzung der Friedensaktivitäten weltweit.
Am Tag der internationalen Anti-Kriegsproteste beginnt der Deutsche Friedensrat zusammen mit dem Anti-Globalisierungs-Netzwerk Attac eine "Friedenstour" durch 16 Städte in Deutschland, an der auch Friedensaktivisten aus den USA, Großbritannien und Italien teilnehmen. Diese Aktion zeigt, dass die Globalisierung auch vor der Friedensbewegung nicht halt macht. Peter Strutynski vom Kasseler Friedensratschlag, einem losen Zusammenschluss von Forschern und Aktivisten, glaubt, dass die Friedensbewegung vom Engagement von Organisationen wie Attac profitiert. Außerdem habe die Gründung des Europäischen Sozialforums die Absprache auf europäischer Ebene leichter gemacht.
Am 15. Februar sollen dann in Berlin und vielen anderen Ländern Demonstrationen gegen den Irak-Krieg stattfinden. Die Veranstalter rechnen mit über einer Million Demonstranten, allein in Berlin sollen es mindestens 100.000 werden. Strutynski ist sich sicher: "Die Demonstration wird alles in den Schatten stellen, was die Friedensbewegung in den vergangenen zwölf Jahren organisiert hat."