Aufnahmestopp in Thüringer Erstaufnahmestelle für Migranten
30. September 2023Thüringen hat für die größte Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Suhl einen Aufnahmestopp verhängt. Die Einrichtung sei ab sofort für Neuzugänge von Flüchtlingen geschlossen, teilte das Thüringer Migrationsministerium in Erfurt mit. Dem Bund und den anderen Ländern sei die Schließung mitgeteilt worden. Entlastet werden soll die Suhler Einrichtung demnach durch Nutzung noch freier Kapazitäten an den Erstaufnahmestandorten Eisenberg und Hermsdorf. Zudem sollen mehr Geflüchtete auf die Kommunen verteilt werden.
Die Schließung von Suhl für Neuzugänge sei ein notwendiger Schritt, um zu einem Regelbetrieb zurückkehren zu können und die sehr hohe Belastung vor Ort nicht weiter fortzusetzen, erklärte Landesmigrationsministerin Doreen Denstädt (Grüne). Angesichts des europaweit sehr hohen Ankunftsgeschehens sei es aktuell nicht möglich, die seitens der Landesregierung zugesagte Belegung von 800 Personen in Suhl umzusetzen. Auch in anderen Bundesländern, beispielsweise in Bayern oder Hessen, seien die Erstaufnahmeeinrichtungen deutlich stärker als vorgesehen belegt.
Einem Bericht des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) zufolge waren am Freitag 1.525 Menschen in der Suhler Erstaufnahmestelle untergebracht. Die Kapazität der Einrichtung liege eigentlich bei maximal 1.400 Personen, wobei die zuständigen Behörden eine angemessene Betreuung der Bewohner bei einer maximalen Gesamtbelegung von 800 Menschen sähen. Der MDR bezieht sich bei diesen Zahlen auf Angaben des Thüringer Landesverwaltungsamtes.
Handwerk: Flüchtlinge schneller in den Arbeitsmarkt
Das deutsche Handwerk forderte unterdessen angesichts des Fachkräftemangels eine schnellere und unbürokratische Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. "Ein Unternehmer sollte selbst entscheiden, wen er in seinem Betrieb beschäftigen kann", sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, der Neuen Osnabrücker Zeitung. "Das sollte ohne Sprachtests und Integrationskurse möglich sein." Deutschland müsse hier viel pragmatischer werden, forderte Dittrich. "Wenn jemand arbeitet, lernt er die Sprache möglicherweise viel schneller - und integriert sich viel leichter."
Geflüchtete können in Deutschland prinzipiell nach drei Monaten eine Beschäftigung aufnehmen. "Allerdings ist das mit zu vielen Ausnahmen versehen und sollte dringend überarbeitet werden", sagte Dittrich. "Die zuständigen Behörden sind mehr denn je aufgefordert, hier ihren Ermessensspielraum ausbildungs- und beschäftigungsfreundlich auszulegen." Am Freitag hatte sich bereits der Deutsche Städte- und Gemeindebund für die Möglichkeit einer sofortigen Arbeitsaufnahme für Geflüchtete mit Bleibeperspektive ausgesprochen.
Nach Zahlen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sind 54 Prozent der Geflüchteten mit einer Aufenthaltsdauer von sechs Jahren erwerbstätig. Davon arbeiten zwei Drittel in Vollzeit und 70 Prozent üben eine qualifizierte Berufstätigkeit aus.
Kurzbotschaften-Gefecht zwischen Musk und AA
Derweil kritisierte der umstrittene US-Milliardär Elon Musk die Bundesregierung offen für ihre Flüchtlingspolitik und verbreitete eine Wahlempfehlung für die AfD weiter. Im ehemals Twitter genannten Onlinedienst X teilte der Technologie-Unternehmer die Nachricht eines Nutzerkontos, in der die finanzielle Unterstützung ziviler Seenotretter im Mittelmeer durch die Berliner Ampelkoalition attackiert wird. Musk kommentierte dies mit der Frage: "Ist sich die deutsche Öffentlichkeit dessen bewusst?" Die Reaktion aus Berlin ließ nicht lange auf sich warten. Das Auswärtige Amt (AA) antwortete, ebenfalls im Onlinedienst X: "Ja. Und man nennt das Leben retten."
X-Besitzer Musk, der den Kurzbotschaftendienst im vergangenen Jahr für 44 Milliarden Euro gekauft hatte, kommentierte diese Antwort mit dem Vorwurf, die Bundesregierung sei "wohl stolz darauf" und forderte eine Umfrage zu dem Thema. "Ich bezweifle, dass die Mehrheit der deutschen Öffentlichkeit dies befürwortet." Der Unternehmer nannte den Transport von aus Seenot geretteten Menschen nach Italien eine "Verletzung der italienischen Souveränität" und sprach von einer "gefühlten Invasion".
Der Onlinedienst X ist seit der Übernahme durch den rechtsgerichteten Technologie-Milliardär zunehmend in die Kritik geraten. Durch die fragwürdige Moderation von Inhalten wurde die Plattform immer mehr zum Sammelbecken für rechte Aktivisten. Zuletzt strich X massiv Stellen bei seinem Team gegen Falschinformationen zu Wahlen. Musk steht in den USA politisch den konservativen Republikanern um den rechtspopulistischen Ex-US-Präsidenten Donald Trump nahe.
sti/haz (afp, dpa, epd)