Aufruhr in Chile
In Chile rollen wieder Panzer. Supermärkte werden geplündert und Barrikaden brennen. Zum ersten Mal seit Ende der Militärdiktatur wurde der Ausnahmezustand verhängt. Was ist los in dem südamerikanischen Land?
Wir wollen keine Panzer!
Stopp! So kann es nicht weiter gehen. Eine Demonstrantin mit chilenischer Nationalflagge stellt sich mutig vor ein gepanzertes Polizeifahrzeug. Seit einer Woche demonstrieren Hunderttausende Chilenen gegen die soziale Spaltung ihrer Heimat. Entzündet hatten sich die Proteste an einer Preiserhöhung für U-Bahn-Fahrkarten.
Brennende Barrikaden, verwüstete Straßenzüge
Der Großteil der Proteste verläuft friedlich. Aber es immer wieder stoßen Demonstranten und Polizei gewaltsam aufeinander. Nach Regierungsangaben wurden seit Ausbruch der Proteste mehr als 2600 Menschen festgenommen. Hunderte wurden verletzt. Mindestens fünf Menschen wurden von Sicherheitskräften getötet.
Plünderungen, Vandalismus, Tote
Randalierer und Plünderer haben für erhebliche Zerstörungen gesorgt: An der U-Bahn der Hauptstadt entstanden Schäden von mehr als 300 Millionen Dollar. In verschiedenen Städten Chiles wurden weit über Hundert Supermärkte, Fabriken und andere Einrichtungen geplündert. Mindestens 14 Gebäude wurden in Brand gesteckt. In ihnen wurden zehn Leichen aufgefunden.
Regierung verhängt Ausnahmezustand
Gepanzerte Polizeifahrzeuge stehen den protestierenden Massen gegenüber. In einigen Städten des Landes gehen Sicherheitskräfte mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Demonstranten vor. Über etliche Regionen wurde der Ausnahmezustand verhängt. Für Santiago de Chile und weitere große Städte gilt nach wie vor eine nächtliche Ausgangssperre.
Militär patrouilliert in Santiago
Im ganzen Land versuchen Sicherheitskräfte, die Lage unter Kontrolle zu bringen. Insgesamt hat die konservative Regierung fast 10.000 Polizisten und Soldaten mobilisiert. Es ist das erste Mal seit dem Ende der Diktatur unter General Augusto Pinochet 1990, dass in der chilenischen Hauptstadt Santiago das Militär patrouilliert.
Tiefe Kluft zwischen Reich und dem Rest
Chile hat das höchste Pro-Kopf-Einkommen Südamerikas, der Anteil der Menschen in absoluter Armut ist der niedrigste der Region. Und doch bekommt ein Großteil der Chilenen von der rohstoffbasierten Wirtschaftskraft wenig mit: Zwei Drittel des Wohlstands konzentrieren sich auf nur ein Prozent der Bevölkerung. Die Regierung Piñera hatte Steuern für Reiche gesenkt.
Staatschef leitet soziale Maßnahmen ein
Zuerst sprach er von Krieg, jetzt hat er eingelenkt: Nach Ausweitung der Proteste hat Chiles Präsident Sebastián Piñera im Eiltempo eine Reihe von sozialen Maßnahmen in die Wege geleitet. So sollen ab sofort die Mindestrente und der Mindestlohn angehoben werden. Zugleich sollen die Preise für Medikamente gesenkt und höhere Steuern für Spitzenverdiener eingeführt werden.
Die Proteste dauern an
Die gute Nachricht: In der Nacht zum Dienstag zählte das Innenministerium rund 100 gewalttätige Zwischenfälle weniger als in der Nacht zuvor. Dennoch waren es immer noch 255 im ganzen Land. Der Ärger der Bevölkerung über die wirtschaftlichen Missstände ist tief verwurzelt. Noch ist nicht sicher, ob Piñeras Reformpaket ausreicht, um das Land zu beruhigen.