So entstehen Nanoteilchen
20. Januar 2012Nanopartikel finden sich heute in Lacken, Oberflächen, Katalysatoren und Autoreifen, Solarzellen und Bauteilen der Mikroelektronik. Auch aus der modernen Medizin sind sie nicht mehr wegzudenken.
Die Industrie braucht also immer mehr davon. "Sobald man größere Mengen haben will, bieten sich Verfahren an, die nicht mit einem großen Stück anfangen, das man klein macht, sondern die direkt kleine Partikel erzeugen", sagt Christof Schulz, Professor für Verbrennung und Gasdynamik an der Universität Duisburg-Essen und Leiter des dortigen Zentrums für Nanointegration (CENIDE).
Gas als Ausgangsmaterial
Drei verschiedene Verfahren haben die Kollegen von Schulz entwickelt, um winzige Partikelchen zu erzeugen. Dabei haben sie eins gemeinsam: Gasförmige Ausgangsstoffe werden schlagartig abgekühlt und kondensieren.
"Das kann man sich vorstellen wie übersättigten Wasserdampf, der plötzlich instabil wird und Nebel bildet", erklärt der Forscher. "Genauso kann ein Metalldampf zu winzigen Tröpfchen oder Partikeln kondensieren, die dann, wenn man sie abkühlt, als kleine feste Partikel übrigbleiben", sagt Schulz.
Die Abkühlung erreichen die Forscher dadurch, dass sie das heiße Gas schlagartig in ein Hochvakuum versetzen. Dort herrscht extrem niedriger Druck. Hartmut Wiggers, Leiter der Arbeitsgruppe Nanopartikelsynthese erklärt, dass das Gas mit dem Ausgangsmaterial dazu durch eine Düse gesaugt wird, die ein winziges Loch mit einem Durchmesser von einem halben Millimeter hat.
Ein Strahl mit Überschallgeschwindigkeit
Das ist aber nur der erste Schritt. Dahinter sitzt eine zweite Düse und schält aus der Gasströmung einen zweiten Strahl heraus, den sogenannten Molekularstrahl - die Teilchen darin rasen mit Überschallgeschwindigkeit durch diese Anlage hindurch. Die Nano-Tröpfchen gefrieren dabei rasend schnell. Innerhalb weniger Millisekunden werden sie von bis zu 2700 Grad Celsius auf nur wenige hundert Grad abgekühlt.
Aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit treffen die Partikelchen nicht aufeinander und verklumpen nicht. Ein Verschmelzen der Teilchen verhindert zudem die Elektrostatik. "Sie haben positive Rümpfe und einen Haufen freie Elektronen. Die sorgen dafür, dass die Partikel sehr viele, in der Regel negative Ladungen haben", sagt Wiggers. Und weil sich zwei negativ geladene Partikel abstoßen, können sie auch nicht miteinander verbacken.
Die drei Verfahren, um Nanopartikel herzustellen, unterscheiden sich vor allem in der Art und Weise, wie die Forscher das Gas herstellen, bevor es in die Vakuumkammer gesaugt wird. So kann es in Flammenreaktoren entstehen, in Heißwandreaktoren und in Mikrowellen-Plasmareaktoren.
Metalloxide durch Verbrennung
Ein Flammenreaktor dient dazu, bestimmte Gase oder auch Flüssigkeiten, in denen Metallbestandteile enthalten sind, zu verbrennen. Dadurch lassen sich Metalloxide herstellen, wie zum Beispiel Siliziumdioxid oder Titandioxid. "Oxide haben einen breiten Einsatzbereich", erklärt Institutsleiter Schulz. "Zum Beispiel verwendet man sie, um Lacke zu härten."
Ein weiterer großer Einsatzbereich von Oxiden sind Katalysatoren. Diese kommen nicht nur in Autos zum Einsatz, um Schadstoffe zu mindern, sondern auch in der chemischen Industrie.
Metall-Partikel unter Sauerstoffausschluss
Will man keine Oxide, sondern reine Metallpartikel, kommt ein Heißwandreaktor zum Einsatz. Darin wird das Gas durch ein heißes Rohr geschickt und verhältnismäßig langsam erhitzt. In solchen Reaktoren stellen die Forscher zum Beispiel Siliziumpartikel her. Fügt man dem Gas vor der Herstellung der Nanopartikel weitere Spurenelemente hinzu, kann man die elektrische Leitfähigkeit des Materials verändern - ein Verfahren, das sich Dotierung nennt.
Diese dabei gewonnenen Spezial-Silizium-Partikel werden vor allem dafür verwendet, um Lithium-Ionen Batterien noch leistungsstärker zu machen.
Schnelle Abkühlung gewünscht
Beim dritten Verfahren wird das Gas durch einen Mikrowellen-Plasmareaktor gejagt. Er funktioniert im Wesentlichen wie eine ganz normale Haushaltsmikrowelle. "Sie hat die gleichen Leistungsdaten und arbeitet mit der gleichen Frequenz", betont Wiggers. Allerdings sei der eigentliche Mikrowellen-Ofen sehr viel kleiner.
Genau in der Mitte dieser Kammer erzeugen die Wissenschaftler die maximale Feldstärke. "Da stecken wir ein Quarzglasrohr durch und in diesem Quarzglasrohr können wir dann Plasma zünden," sagt der Physiker.
Das heiße Gas strömt ähnlich wie eine Flamme durch den Reaktor. Das hat den Vorteil, dass die Temperatur sehr schnell ansteigt und auch sehr schnell wieder abfällt. So lassen sich Partikel oder Partikelmischungen in einem Zustand herstellen, der normalerweise nur bei sehr hohen Temperaturen stabil existieren kann.
Kiloweise Nanopartikel für die Industrie
In einer Halle des ehemaligen Krupp-Stahlwerks in Duisburg steht eine Großanlage, die alle drei Reaktorentypen in sich vereint. Sie ist so hoch wie ein zweistöckiges Einfamilienhaus und kann kiloweise Nanopartikel pro Stunde produzieren. Die Nanopartikel werden am Ende in Tüten abgefüllt. Aber nicht nur als Staub, sondern auch in gelöster flüssiger Form sollen die Nanoteilchen für Industrieanwendungen zur Verfügung stehen, sagt der Physiker Tim Hülser. Er betreibt die Großanlage des Instituts für Energie und Umwelttechnik (IUTA).
Deshalb entwickelten die Wissenschaftler ein System, mit dem sich die hergestellten Partikel direkt in Flüssigkeiten abscheiden lassen. "Wir sprühen eine Trägerflüssigkeit direkt ins System ein und waschen die Partikel aus dem Gas heraus," erklärt Hülser. Der Industrie falle es nämlich oft leichter, die Nanopartikel in flüssiger Form zu verarbeiten. Auch sei das sicherer als Nanopartikel-Staub, der möglicherweise gesundheitsschädlich ist.
Schwierig wird es nur, wenn die Produktion in der Anlage von einem Material auf ein anderes umgestellt werden soll – zum Beispiel von Siliziumdioxid zu Titandioxid. Dann müssen die Wissenschaftler die ganze Anlage in ihre Bestandteile zerlegen. "Also von heute auf morgen – das schaffen wir nicht. Ich denke, wir brauchen anderthalb Tage dazwischen, um das ganze System auseinanderzubauen, zu reinigen und auch den kleinsten Rest des Vorläufermaterials wieder zu entnehmen", schätzt Hülser.
Autor: Fabian Schmidt
Redaktion: Judith Hartl