Augen für eine andere Welt
7. Februar 2003Eröffnet werden die Filmfestspiele mit dem amerikanischen Oscar-Favoriten "Chicago", einer mitreißenden Musical-Verfilmung mit Richard Gere und Catherine Zeta Jones. Um die Bären konkurrieren insgesamt 22 Beiträge, darunter gleich fünf Produktionen aus den USA, drei aus Frankreich, der Bundesrepublik und China, sowie Filme aus Japan, dem Senegal, aus den Niederlanden, Italien, Australien, Großbritannien und Slowenien.
Regie-Altmeister Claude Chabrol beschäftigt sich ein weiteres Mal mit den dunklen Seiten der Bourgeoisie, und sowohl der Brite Michael Winterbottom als auch der Slowene Damjan Kozole setzen sich mit internationalen Flüchtlingsströmen auseinander. Wie überhaupt die Kunst, unter widrigsten Verhältnissen zu überleben, Thema gleich mehrerer Filme ist. In ernsthaften Wettbewerbsbeiträgen namhafter Regisseure wie Spike Jonze, Steven Soderbergh oder Patrice Chereau und mit so prominenten Darstellern wie Meryl Streep, Nicole Kidman und Kristin Scott Thomas.
Deutsche Produktionen brauchen Aufmerksamkeit
Deutschland präsentiert wie schon im Vorjahr drei Filme: "Good Bye, Lenin" von Wolfgang Becker, "Lichter" von Hans-Christian Schmid sowie "Der alte Affe Angst" von Oskar Roehler. Berlinale-Chef Kosslick hält sich also auch in seinem zweiten Jahr an das Versprechen, einheimischen Produktionen wie dem Nachwuchs zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Im gesamten Festival-Programm sind 59 deutsche Produktionen zu sehen.
Die diesjährige Berlinale steht unter dem Motto "Towards Tolerance". Denn Filme, so Festivalchef Dieter Kosslick, eignen sich besonders gut, um Toleranz zu üben. Kann man in ihnen doch andere Lebenswelten kennen lernen, kulturelle und politische Unterschiede sehen und sich so vielleicht die Augen für andere Welten öffnen lassen´.
Toleranz üben per Kinobesuch
Trainieren können dies bereits die jüngsten Kinogänger, für die das Kinderfilmfest 14 Spiel- und 16 Kurzfilme bereit hält: amüsante und kurzweilige Produktionen für die ganz Jungen, ernstes Erzählkino für die etwas Älteren - die Palette reicht vom Überleben im Spanischen Bürgerkrieg über das Hadern mit überkommenen Moralvorstellungen bis hin zur komplizierten Freundschaft über Landesgrenzen hinweg. Die Sektion "Panorama" bietet nicht nur eine Reihe schwul-lesbischer Filme, die unter anderem nach dem heutigen Umgang mit Aids fragen, sie gibt auch filmische Einblicke in osteuropäische und lateinamerikanische Lebenswelten und sucht in einer Dokumentation des Polit-Regisseurs Oliver Stone eine Annäherung an den kubanischen Staatschef Fidel Castro.
Das Forum des Jungen Films schließlich präsentiert innovatives Kino aus 24 Ländern, deutlicher Schwerpunkt, wie schon in den Vorjahren, ist dabei das junge Kino aus Asien.
Blick für den russischen Nachwuchs
Zum Selbstverständnis der Berlinale gehört seit jeher der Blick auf das osteuropäische Filmschaffen. Mit dem Programm "Neues russisches Kino" soll die Aufmerksamkeit in diesem Jahr dem russischen Nachwuchs gelten. Dabei zeigen die ausgewählten Arbeiten ganz unterschiedliche Ansätze, sowohl in der Wahl der erzählerischen Form als auch in der Art der gewählten Themen, die von der Jagd nach guten westlichen Anzügen bis hin zu den Folgen des Krieges in Tschetschenien reichen. Gezeigt werden diese Beiträge aus Russland in einer neuen Sektion der Filmfestspiele, dem so genannten "Berlinale Talent Campus". Wim Wenders und US-Altstar Dennis Hopper werden am 10. Februar über Höhen und Tiefen ihrer Karrieren sprechen, und auch die Pleiten der Branche bleiben kein Tabu.
Klassiker im Begleitprogramm
Ausschließlich Höhepunkte aus der wechselvollen Geschichte der Kinemathek präsentiert hingegen die "Retrospektive", die sich in diesem Jahr dem deutschen Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau (1888-1931) widmet. Die zwölf erhaltenen Filme werden zum Teil in restaurierter Fassung gezeigt. Viele Preise werden in diesen zehn Festival-Tagen vergeben werden, man wird Partys feiern und Prominente bejubeln. Man hofft auf eine kreative Berlinale. Und darauf, dass die Irak-Krise keinen Schatten auf dieses internationale Festival werfen wird. Denn: "Shoot films, not people", so Festival-Chef Dieter Kosslick.