Milizionäre vergewaltigen Männer und Frauen
7. Juni 2019Mehrere Vergewaltigungen an jungen sudanesischen Frauen sollen dokumentiert worden sein, erklärt die Frauenrechtlerin und Aktivistin Nahid Jabrallah im Gespräch mit der DW. Die mutmaßlichen Täter: Mitglieder einer paramilitärischen Einheit, der "Rapid Support Forces" (RSF), die zum sudanesischen Sicherheitsdienst gehören. Sie bestehen aus den berüchtigten Dschandschawid-Milizen, die dafür bekannt sind, im Auftrag der Armee aufständische Volksgruppen zu bekämpfen. Diese hatten sich im Bürgerkrieg in Darfur zahlreicher Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht. Seit Jahren werden sie vom sudanesischen Regime eingesetzt.
Leichen vergewaltigter Frauen
In dem exklusiven Interview berichtet Jabrallah von Vergewaltigungen an Frauen und Männern. Einige der aus dem Nil geborgenen Leichen seien Körper sexuell missbrauchter Frauen. "Tatsächlich wurden aber auch Fälle von Vergewaltigungen bereits in Krankenhäusern dokumentiert", so die Augenzeugin. Bisher sei es jedoch schwierig, genaue Zahlen zu nennen, da das Internet vieler lokaler Betreiber abgeschaltet wurde und die Telefonverbindungen instabil sind.
Als das Militär gegen die Sitzblockade in Khartum vorging, befand sich Jabrallah in unmittelbarer Nähe des Geschehens. Die Auflösung der Demonstration sei gewaltsam verlaufen: Die Demonstranten wurden mit scharfer Munition, Wasserwerfern und Tränengas vertrieben. Jabrallah und einige andere Sudanesen brachten sich in einem nahe gelegenen Gebäude in Sicherheit. Die sudanesische Aktivistin erzählt wie Mitglieder der RSF die Zivilisten verfolgten, Türen aufbrachen und sie angriffen. Sie schlugen auf die Frauen und Männer ein, um sie voneinander zu trennen. "Allen wurde gedroht, vergewaltigt zu werden, sollten sie sich den Befehlen der RSF widersetzen", so Jabrallah. Glücklicherweise gelang ihr und anderen die Flucht vor den Milizen. Allerdings waren viele von ihnen verletzt und mussten in Krankenhäusern behandelt werden, erinnert sich die Menschenrechtsaktivistin.
Soldaten ermordet
Nahid Jabrallah sprach mit weiteren Augenzeugen. Die hätten ihr bestätigt, dass rund 40 Leichen aus dem Nil geborgen worden seien. "Einige der Leichen sollen auch Männer sein, die Uniformen der sudanesischen Armee getragen haben. Das bedeutet, dass diese Milizen auch Teile der Armee, die sich mit den Demonstranten solidarisierten, angegriffen haben. Entweder weil sie abgelehnt haben, sich an diesem Verbrechen zu beteiligen oder weil sie versucht haben, Frauen und Mädchen vor den Vergewaltigungen zu schützen. So wurden auch diese Männer selbst ermordet", analysiert die Sudanesin.
Auf die Frage, wer nun die Sitzblockade brutal aufgelöst, Demonstranten vergewaltigt und gemordet habe, hat Jabrallah eine klare Antwort: "Ich habe selbst gesehen, wer uns angegriffen hat. Das sind niemals Mitglieder der sudanesischen Armee. Wir können sie sehr leicht von den Mitgliedern der sogenannten RSF-Miliz unterscheiden. Nicht nur wegen ihrer Erscheinung und ihres Verhaltens, auch wegen der Symbole auf ihrer Kleidung. Ihre Namen stehen drauf und sie weisen auf ihre Zugehörigkeit zur RSF hin."
"Übergangsrat verantwortlich"
Auch große Teile des Militärs seien entmachtet worden, erklärt die Aktivistin. Soldaten, die sich auf die Seite der Demonstranten gestellt hatten, wären die Waffen weggenommen worden, sodass sie nichts gegen die Gräueltaten der Milizionäre unternehmen können. Der militärische Übergangsrat, der das alte Regime verkörpert, habe die RSF bewaffnet. "Die Verantwortung für diese Gewalttaten trägt dieser Rat. Er verantwortet auch das Verbrechen gegen die sudanesischen Soldaten", so Jabrallah.
Die Authentizität dieser Informationen konnten nicht verifiziert werden. Der sudanesische Übergangsrat, der das Land nach dem Sturz von Präsident Omar Al-Bashir vorübergehend regiert, bestritt in einer Erklärung per Twitter jegliche Beteiligung seiner Streitkräfte an Menschenrechtsverstößen gegen die Zivilbevölkerung.
Der Rat fügte in seiner Erklärung hinzu, dass "unbekannte Elemente" unter den Demonstranten in Militäruniformen inhaftiert worden seien. Diese hätten Verstöße begangen, um das Image der Sicherheitsdienste zu verfälschen und das Gefühl des Hasses gegen sie zu vertiefen.