Aus Bayern auf den Olymp
11. August 2016Barbara Engleder wusste nicht, ob sie weinen oder lachen sollte, dort oben, auf dem Treppchen, als die deutsche Fahne wehte und die Nationalhymne erklang. Erst zuckten ihre Mundwinkel, dann stahl sich ein Lächeln hervor - und zu guter Letzt sang sie einfach mit. Es war der größte Tag ihrer Karriere: Barbara Engleder ist Olympiasiegerin. Ganz fassen konnte sie es allerdings immer noch nicht. "Ich wollte 15 Schuss machen, denn mit 15 Schuss wusste ich - damit habe ich eine Medaille", sprudelte es nach der Siegerehrung aus der lebhaften Bayerin heraus. "Und nun bin ich sprachlos."
Vater Karl Lechner hatte all das nicht ahnen können, als er für seine damals zwölfjährige Tochter eine Freizeitbeschäftigung suchte, weil sie "zu viel vorm Fernseher herumhängen würde". Und so meldete er sie 1984 im tiefsten Bayern bei den Bergschützen Voglarn an - dort schießt er selbst. Er motivierte Barbara damit, ihr bei einer gewissen Ringzahl eine eigene Schießjacke und sogar ein eigenes Gewehr zu spendieren.
Karrierehöhepunkt zum Abschluss
Barbara Lechner, wie sie vor der Hochzeit mit Jürgen Engleder vor fünf Jahren hieß, leckte Blut, wurde schnell besser und ist seit 2002 auf internationalem Niveau als Sportschützin aktiv. Unterstützt von der Sportfördergruppe der Bundeswehr trat sie 2004 zum ersten Mal für Deutschland bei den Olympischen Spielen in Athen im Dreistellungskampf an und wurde Siebte.
Ein Jahr später wurde sie mit dem Luftgewehr Europameisterin und stellte im Vorkampf mit 400 Ringen einen neuen deutschen Rekord auf und den Welt- und Europarekord ein. Bei ihren zweiten Spielen in Peking 2008 beendete sie ihre Wettkämpfe mit einem 17. Platz mit dem Luftgewehr und Platz neun im Kleinkaliber Dreistellungskampf. Den bis Rio größten Triumph feierte sie als Weltmeisterin 2010 in München. Bei der WM 2014 in Granada siegte sie in der Mannschaftswertung mit neuem Weltrekord, zuletzt holte sie bei der EM 2015 Bronze mit dem Luftgewehr. In London 2012 wurde sie Sechste im Kleinkaliber-Dreistellungskampf. Vor einigen Tagen hatte sie in Rio mit dem Luftgewehr Rang vier erreicht und damit eine Medaille knapp verpasst - zum krönenden Abschluss gab es dann die goldene.
Engagierte Politikerin und Imkerin
Wie ihre Eltern ist auch Barbara Engleder begeisterte Imkerin, betreut "zur hervorragenden Abwechslung vom Schießen" 30 Bienenstöcke mit je bis zu 120.000 Bienen. Man müsse einfach bei so vielen Bienen ruhig bleiben. Außerdem kümmert sie sich um einen Fischweiher. Die Mutter eines dreijährigen Sohnes engagiert sich auch politisch: 2008 ließ sie sich für die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) in den Kreistag von Rottal-Inn wählen und begann zuletzt noch eine Ausbildung zur Bürokauffrau.
2013 legte sie eine Babypause ein, setzte aber ihre Karriere bis zu den Spielen fort - durchaus mit Hindernissen: Vor zwei Monaten erwischte auch sie das Hochwasser in ihrer Heimatstadt Triftern. "Ich hatte nur zehn Minuten Zeit, dann wurde evakuiert", erzählte sie. "Bei mir sind zwei Kleinkaliber-Waffen baden gegangen. Die musste ich dann trocknen beziehungsweise einschicken, damit sie wieder schießbar gemacht werden konnten." Mit größtem Erfolg. Nach den Spielen will sie sich wieder mehr um ihre Familie kümmern. Söhnchen Tobias wird sich freuen. Und auch Papa Karl dürfte mehr als zufrieden sein.