Die Wiedereröffnung der Semperoper
13. Februar 2015Anlässlich der Zeremonie zur Einweihung des Baus am 13. Februar 1985 kamen bei kalter Witterung 200.000 Dresdner zur Großkundgebung. Der SED-Generalsekretär und Staatschef Erich Honecker bekannte sich in üblicher DDR-Politsprache zur "Sicherung des Friedens". Auf der Höhe des Kalten Krieges, fünf Jahre vor Ende der deutschen Staatstrennung, wurde die Semperoper wiedereröffnet. Die Aufführung des Abends, Carl Maria von Webers Oper "Der Freischütz", wurde in die USA und in andere Länder live im Radio übertragen. So begann die 317. Spielzeit der Dresdner Oper. Sekt floss in Strömen.
Mit Webers "Freischütz" hatte das Haus am 31. August 1944 auch geschlossen; sein Personal wurde in den "totalen Krieg" geschickt.
Dreimal Semperbau
1985 war die Geburtsstunde der "dritten" Semperoper. Die "erste", das Königlich Sächsische Opernhaus, eröffnete 1841. Der Architekt war ein junger deutscher Revolutionär sowohl im politischen als auch im kunsthistorischen Sinne: Gottfried Semper. Das Haus brannte 1869 nieder. Daraufhin sammelten Bürger der Stadt Unterschriften, um den inzwischen 67-jährigen Architekten mit einem Neubau zu beauftragen. Dieser kopierte nicht seinen Erstling sondern konzipierte den Bau neu. 1878 erstrahlte das Haus in neuem Glanz. Dabei bediente sich der Architekt Stilmitteln der Hochrenaissance und des Barocks.
In der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 verschwand der Bau - wie auch weite Teile Dresdens - im Flammenmeer englischer und US-amerikanischer Fliegerangriffe. Vier Jahrzehnte war er eine Ruine: Die Außenmauern blieben erhalten, aber wenig mehr. Wieder waren es Dresdner Bürger, die sich für einen Wiederaufbau stark machten und eineinhalb Million Mark spendeten. 1974 begannen dann die Restaurierungsarbeiten.
Schöner als die Vorlage
Zeitungsberichten zufolge war das Ergebnis "Deutschlands schönstes Opernhaus". Die Außenfassade war geschwärzt, da viel des ursprünglichen Materials wieder verwendet wurde. Der Innenraum war dagegen eine einzige, von Kronleuchtern erstrahlte Farbpracht, die auch ältere Bürger nicht mehr kannten: 1908 hatte man sich daran satt gesehen und sie dunkel überpinselt. Die wichtigste historische Quelle bei der Restaurierung waren Briefe Gottfried Sempers, der von Zürich und Wien aus sein zweites Opernhaus in Dresden errichten ließ. Diese Briefe geben nahezu jedes Detail wieder: Dazu gehörte die zentrale Bildthematik um die antike Götter Dionysos und Ariadne, die in üppigen Bemalungen und Plastiken durch 56 Maler und 24 Bildhauer wieder entstanden. Im Land der Plattenbauweise mussten dabei die alte Techniken des Stuckmarmors und Verzierung mühsam wieder gelernt werden.
In der Sächsischen Zeitung vom 14. Februar 1985 berichtete der Chefarchitekt Wolfgang Hänsch, dass die ursprüngliche Überlegung war, Sempers Bauästhetik des 19. Jahrhunderts außen zu erhalten und sie einer modernen Funktionalität im Innenraum gegenüberzustellen. Dieser Plan wurde jedoch schnell verworfen. "Alle Entwürfe, die in diesem Sinne entstanden oder Kompromisse bei der Formensprache anstrebten," erzählte Hänsch, "zeigten aber immer aufs Neue, dass mit einer 'modernen Festlichkeit' der klassisch motivierten Architektur Sempers nichts Ebenbürtiges gegenübergestellt werden kann."
Einheit von Raum und Klang
Hinzu kam, dass die legendäre Akustik des Haus nur bei originalgetreuer Wiederherstellung des Innenraums gewährleistet werden konnte. Dies sei, so der Dirigent Hans Vonk - der in der Premierenwoche 1985 auch die musikalische Leitung übernahm - auch gelungen: "Sie ist eines der schönsten Theater der Welt. Eine vergleichbare Akustik kenne ich nur aus der Mailänder Scala." Die vier Ränge schufen eine visuelle Nähe zum Bühnengeschehen, wobei die Gestaltung des Innenraums das Gefühl des "Eingehüllt-Seins im Schall" ermöglichte.
So entstand ein Bau, der der großen Operntradition Dresdens gerecht wurde. Schließlich hatten dort Carl Maria von Weber, Richard Wagner und Richard Strauss gewirkt. Drei Opern Wagners und nicht weniger als 15 Opern von Richard Strauss wurden hier uraufgeführt. Zeitweise musste die Reichsbahn Sonderzüge einführen, um der Nachfrage der Berliner nach dem Operngenuss in Dresden nachzukommen.
1990, nach der deutschen Wiedervereinigung, wurden im Bau "heiße Drähte" zur DDR-Staatssicherheit entdeckt. Nur eine ironische Pointe in der langen Geschichte eines - oder vielmehr dreier - Bauten, die den Namen Semper in Dresden tragen.