Deutschland: Ausbeutung von Arbeitsmigranten
5. Dezember 2018Ein rumänischer Bauingenieur bekommt in Deutschland seinen Lohn zuerst unregelmäßig, dann gar nicht mehr. Als er klagt, wird ihm per SMS gekündigt. Dies sei kein Einzelfall, so das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) in seinem dritten Jahresbericht zur Menschenrechtssituation in Deutschland. In Deutschland gäbe es keinen ausreichenden Schutz von Arbeitsmigranten vor Ausbeutung.
Die Konsequenzen: Ausländer bekämen Löhne weit unterhalb des Mindestlohns von derzeit 8,84 Euro. Arbeitgeber führten keine Sozialabgaben ab. Ausländer leisteten unbezahlte Überstunden und würden in menschenunwürdigen Unterkünften untergebracht werden, heißt es in dem Bericht weiter. Oftmals würden sie mit Drohungen oder sogar mit Gewalt davon abgehalten werden, sich Hilfe zu suchen. Betroffen sind in erster Linie Migranten aus der EU, sowie aus Pakistan, Palästina, Syrien und Peru.
Fehlende Beweise und strukturelle Unterlegenheit
Fälle von schwerer Arbeitsausbeutung sind laut dem Bericht des DIMR aus vielen Branchen bekannt. Als Beispiele werden das Baugewerbe, die häusliche Pflege, das Transportwesen, die Reinigungsbranche und die Prostitution genannt. Schwere Arbeitsausbeutung sei aktuell ein risikoloses Geschäft, so Beate Rudolf, die Direktorin des DIMR, bei der Vorstellung des Berichts in Berlin. "Diese Menschen haben faktisch kaum eine Möglichkeit, ihre Lohnansprüche gerichtlich durchzusetzen", sagte Rudolf. Schuld daran sei die oft prekäre Lage der betroffenen Arbeitnehmer.
Fehlende Sprach- und Rechtskenntnisse sowie wirtschaftliche Anhängigkeit führen dazu, dass viele Betroffene keine Hilfe suchen. Häufig fehlende Arbeitsverträge oder Lohnabrechnungen erschweren Klagen gegen Arbeitgeber. Kurz um: Wer ohne Job auf der Straße steht und keine Beweise hat, hat kaum Chance auf eine Besserung seiner Situation.
Das DIMR fordert daher, die Durchsetzung von Lohnansprüchen zu erleichtern. Direktorin Rudolf schlägt unter anderem vor, die Verbandsklagemöglichkeiten gegen ausbeuterische Arbeitnehmer zu verbessern und stellvertretende Klagen zuzulassen. Präventiv sollten auch die Dokumentationspflichten der Arbeitgeber etwa über abgeschlossene Arbeitsverträge und tatsächliche Arbeitszeiten verschärft werden.
Weitere Schwerpunkte: Psychiatrie und Rüstungsexporte
Mit Blick auf die Situation in der Psychiatrie forderte der Bericht, die Vermeidung von Zwangsmaßnahmen als verbindliches Ziel vorzugeben. Ein Mensch in Baden-Württemberg könne etwa 120 Stunden ohne richterliche Genehmigung zwangsweise in einer psychiatrischen Einrichtung festgehalten werden. Das Grundgesetz gebe vor, dass ein Freiheitsentzug unverzüglich richterlich geprüft werden müsse. Das Bundesverfassungsgericht hatte dies unlängst bestätigt.
Deutliche Kritik übt der Bericht auch an Genehmigungsverfahren für Rüstungsexporte zwischen 2015 und 2017. "Wir haben festgestellt, dass die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie die Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch beide Länder bei den Genehmigungen von Rüstungsexporten offenbar keine Rolle gespielt haben", erklärte Rudolf. Sie sprach sich für ein Rüstungsexportgesetz aus, das die völkerrechtlichen und menschenrechtlichen Genehmigungskriterien gesetzlich verankere.
dp/sti (dpa, KNA, epd)