Zu viele Auslandseinsätze?
31. Oktober 2006Nach der Ankündigung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung am Montag (30.10.), die Bundeswehr ab 2007 aus Bosnien-Herzegowina abzuziehen, hat sich eine heftige Debatte um das weltweite Engagement der Bundeswehr entsponnen.
Verteidigungsministerium widerspricht sich
Am Montag hatte Jung im ZDF erklärt: "Wir sind in gewissen Bereichen an Grenzen angekommen". Auch Außenamts-Staatsminister Gernot Erler sprach sich für eine klare Begrenzung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr aus. "Wir wollen die Aufträge, die wir machen, wirklich verlässlich und erfolgreich durchführen. Da kann man bei den Quantitäten nicht dauernd erweitern", sagte der SPD-Politiker.
Dabei hatte das Bundesverteidigungsministerium noch vor einer Woche bei der Vorlage des neuen Weißbuchs zur deutschen Sicherheitspolitik betont, es könnten ohne Weiteres bis zu 14.000 Soldaten für Auslandseinsätze aufgeboten werden. Derzeit stehen etwa 10.000 Bundeswehrsoldaten bei zehn Auslandseinsätzen im Einsatz.
Mehr oder weniger Soldaten?
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Ulrike Merten, hält die Bundeswehr noch nicht für überbelastet. Es sei deshalb "unglücklich", zwischen dem angekündigten Rückzug aus Bosnien-Herzegowina und den Aufgabe der Bundeswehr an anderen Orten einen Zusammenhang entstehen zu lassen.
Die außenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion plädierte für eine Verstärkung der Bundeswehrkräfte im Ausland über die geplanten 14.000 hinaus. "Man muss die deutsche Bevölkerung darauf vorbereiten, dass eher mehr Anforderungen auf uns zukommen als weniger", betonte Kerstin Müller in der "Berliner Zeitung".
Fehlende Strategie
Doch nicht nur die Frage, ob das weltweite Engagement der Bundeswehr ausgedehnt oder eingeschränkt werden soll, beherrscht die Debatte. Hochrangige Ex-Generäle werfen der Bundesregierung mangelnde Strategie bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr vor. "Die Politik hat bis jetzt noch nie eine Strategie entwickelt, die über die Tatsache hinaus geht, dass man in einem Land eingreifen will", kritisierte der ehemalige Befehlshaber der Kosovo-Friedenstruppe, Klaus Reinhardt, in der "Financial Times Deutschland".
Im Bayerischen Rundfunk sagte Reinhardt, Soldaten alleine könnten keine Stabilisierung in Einsatzgebieten schaffen. Nötig sei vielmehr ein schneller Aufbau demokratischer Institutionen und sozialer Einrichtungen, aber auch eine rasche und effektive wirtschaftliche Hilfe.
Zu lange Einsätze
Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Hans-Peter von Kirchbach, sagte der "Financial Times Deutschland": "Das Militär kann immer nur eine Zeitpause für die Politik schaffen. Allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass diese dann immer richtig genutzt wird." Als Beispiele nannte er die Versuche, im Kosovo und in Afghanistan politische Stabilität zu schaffen. "Das führt dann dazu, dass Einsätze länger dauern, als sie müssen", kritisierte von Kirchbach.
Thomas Raabe, Sprecher des Bundesverteidigungsministers, hatte am Montag erklärt, die ersten der 850 in Bosnien-Herzegowina stationierten Bundeswehrsoldaten könnten im ersten Halbjahr 2007 nach Hause zurückkehren. Das Bundestagsmandat für den EUFOR-Einsatz läuft am 21. November aus. (ana)