Journalisten klagen gegen BND-Überwachung
30. Januar 2018Seit Anfang 2017 darf der deutsche Auslandsgeheimdienst ohne schlechtes Gewissen das tun, was er vorher jahrelang illegal getan hat: Journalisten bespitzeln. Die Erlaubnis dafür erteilte der Bundestag nach den Enthüllungen Edward Snowdens. Der inzwischen im russischen Exil lebende US-Amerikaner hatte 2013 die massenhafte globale Ausspähungspraxis seines ehemaligen Arbeitgebers National Security Agency (NSA) öffentlich gemacht. Im Sog dieser Affäre wurde auch bekannt, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) dabei eng mit der NSA zusammenarbeitete.
Mit dem transatlantischen Abhör-Skandal beschäftigte sich drei Jahre lang auch ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der im Sommer 2017 seinen Abschlussbericht vorlegte. Darin stellten die Abgeordneten zahlreiche und systematische Verstöße gegen das in Artikel 10 des Grundgesetzes garantierte Post- und Fernmeldegeheimnis fest. Doch obwohl alle Fraktionen die Rechtsverstöße durch den BND missbilligten, zogen sie höchst unterschiedliche Schlussfolgerungen.
Deutsche Journalisten sind geschützt - aber nur theoretisch
Die oppositionellen Grünen und Linken lehnen das verdachtsunabhängige Abhören der elektronischen Kommunikation weiterhin grundsätzlich ab. Konservative (CDU/CSU) und Sozialdemokraten (SPD) hingegen reformierten das BND-Gesetz im Sinne des Auslandsgeheimdienstes. Dem ist jetzt erlaubt, Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) und deren Institutionen auszuspionieren. Zum Beispiel wenn es um Gefahren für die innere und äußere Sicherheit oder ganz allgemein um die Handlungsfähigkeit Deutschlands geht.
Ausländische Journalisten müssen jederzeit damit rechnen, ins Visier des BND und seiner internationalen Partnerdienste zu geraten. Denn die dürfen ihre Daten in bestimmten Fällen austauschen, vor allem im gemeinsamen Anti-Terror-Kampf und zum Schutz der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen. Deutsche dürfen theoretisch zwar nicht ausgespäht werden, sind praktisch aber ebenfalls gefährdet, meint das weltweit tätige Journalisten-Netzwerk "Reporter ohne Grenzen" (ROG).
Die Kläger kommen aus sieben Ländern
Gemeinsam mit fünf anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen hat ROG bereits im Dezember Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Am Dienstag präsentierten die Verbände in Berlin gemeinsam ihre 93 Seiten umfassende Klageschrift. Als Kläger treten Journalisten aus sieben verschiedenen Ländern auf. Darunter auch der mexikanische Investigativ-Reporter Raul Olmos - er gehörte zu einem internationalen Team, das die "Paradise Papers" ausgewertet hat. Darin sind tausende Privatpersonen und global tätige Unternehmen aufgelistet, die durch Briefkasten-Firmen und Geldwäsche Steuern am Fiskus vorbeischleusten.
Für Journalisten wie Olmos stellt das BND-Gesetz nach Einschätzung des ROG-Geschäftsführers Christian Mihr eine besondere Gefahr dar. Er habe bei den Recherchen zu den "Paradise Papers" mit Kollegen aus der EU kooperiert, auch solchen aus Deutschland.
Die Kommunikation der deutschen Journalisten sei ja theoretisch geschützt, sagt Mihr im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Aber Raul Olmos' Kommunikation ist nicht geschützt." Deswegen seien indirekt auch die Deutschen "sehr direkt mitüberwacht". Diese "Logik" wolle man mit der Verfassungsbeschwerde überwinden.
Überwachung durch Trojaner und Kameras
Das BND-Gesetz folge einer "autoritären Logik" kritisiert Mihr, der von einer "Dreiteilung" der Pressefreiheit spricht. Deutsche Journalisten seien - wenn auch nur theoretisch - geschützt, die aus anderen EU-Ländern nur eingeschränkt "und der Rest der Welt ist vogelfrei". Dazu gehört einer wie Raul Olmers oder Khadija Ismajilowa aus Aserbaidschan. Auch die Trägerin des alternativen Nobelpreises klagt gegen das BND-Gesetz. In ihrer Heimat sei sie ständiger staatlicher Überwachung ausgesetzt, sagt der ROG-Geschäftsführer. Und zwar sowohl technisch durch sogenannte Trojaner zum Ausspähen von Computern als auch durch Kameras, "die sie in ihrer Privatsphäre einschränken".
Die Kläger und die unterstützenden Organisationen sind zuversichtlich, mit ihrer Verfassungsbeschwerde durchzukommen. In einem ähnlich gelagerten Fall war "Reporter ohne Grenzen" vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bereits erfolgreich. Dabei ging es um die Speicherung von Daten, die der BND wegen fehlender gesetzlicher Grundlagen löschen muss. Von der nun eingereichten Beschwerde erhofft ROG-Geschäftsführer Mihr eine internationale Symbol-Wirkung: "Das Menschenrecht auf Pressefreiheit ist unteilbar."