Mega-Ausstellung "Kunst und Kohle"
4. Mai 2018Ibrahim Mahama will dabei sein, wenn seine Verhüllungsskulptur am Samstag (5.5.) eingeweiht wird. Selbst wenn er es bis dahin noch nicht ganz geschafft haben sollte, Schloss Strünkede in Herne mit seinen unansehnlichen Jutesäcken zu verpacken. Er kann seine Geschichte auch als Work in Progress erzählen. Es ist eine Parabel von Umwandlung und Gegensätzen, voller globaler Bezüge und lokaler Befindlichkeiten: Freiwillige haben die gebrauchten Säcke zusammengenäht, die der ghanaische Künstler in seiner Heimat gegen neue ausgetauscht hatte. Jahrelang wurde in ihnen Kaffee oder Kakao transportiert, später auch Holzkohle. Hergestellt wurden sie ursprünglich in Asien, wahrscheinlich in Bangladesch, wo es am billigsten ist. Viele Menschen haben ihre Chiffren auf der groben Jute hinterlassen, Zeichen, die für den Schweiß vieler Arbeiter stehen, für Armut und Ausbeutung.
Im Wasserschloss Strünkede werden tagtäglich Ehen geschlossen, vor allem im Sommer ist das barocke Kleinod ausgebucht. Eine der schönsten Kulissen des Ruhrgebiets steht in den nächsten Monaten nur noch verkleidet als Fotomotiv zur Verfügung. Es ist eine gezielte Provokation, wenn der Künstler die Schlossfassade in Sack und Asche hüllt, um die Besucher am "schönsten" Tag ihres Lebens auf die globale Zirkulation von Rohstoffen aufmerksam zu machen.
Nicht mehr die Kohle, die Kunst prägt die Region
2018 werden die beiden letzten Zechen des Ruhrgebiets geschlossen, in denen noch Steinkohle abgebaut wurde. Das ist eine Zäsur, ein Industriezeitalter geht zu Ende. In den nah beieinander liegenden Städten der einstigen Bergbauregion sucht man schon seit Jahrzehnten nach Antworten, wie es nach Stahl und Kohle weitergehen soll. Man ist vorbereitet. Kultur und Kunst spielen dabei eine Hauptrolle.
So sehr im Ruhrgebiet der Zusammenhang von Kunst und Kohle betont werde, sagt Ferdinand Ullrich, Ex-Chef der Kunsthalle Recklinghausen und Koordinator des Mega-Projekts, sei das ist ja immer auch ein Stück Behauptung. Aber: "Wir sind dabei, diese Behauptung wahrzumachen."
Vor zehn Jahren haben sich 20 Museen zum Verbund RuhrKunstMuseen zusammengeschlossen. 17 von ihnen reflektieren jetzt das Ende der Kohle in einem großen, städteübergreifenden Ausstellungsprojekt. Wie haben Kohle und der Bergbau Künstler früher inspiriert? Was bleibt der Kunst vom Schwarz der Kohle, ästhetisch und ganz konkret als Werkstoff? Die Steinkohle hat das Ruhrgebiet geprägt. Seit mehr als 250 Jahren wurde hier Kohle abgebaut. Hunderte Kilometer von Stollen durchziehen den Untergrund, künstliche Berge und Industriebauten haben darüber eine neue Kulturlandschaft geformt. Wie interpretieren Künstler dieses Oben und Unten, die mit der Kohle verbundene Mythologie, die auch stark von Einwanderern geprägte Identität, die mit ihrem Ende brüchig geworden ist?
Nicht von der Stange
150 künstlerische Positionen kreisen um diese Fragen. Längst geht es dabei nicht immer um Macht und Reichtum oder wie in Mahamas Schlossverhüllung um starke Gegensätze. Das "schwarze Gold" hat schon immer fasziniert, nicht nur als handelbares Material und Energieträger, sondern auch als ästhetische Ressource. Nicht zuletzt die Bergleute selbst haben sich von ihrem Material anregen lassen. Schichtwechsel, die Ausstellung von Laienkunstwerken im Museum Ostwall in Dortmund zeigt ihre kreativen Bestrebungen.
Im Kunstmuseum Bochum ist die Installation "In den Tiefen der Erinnerung" von Andreas Golinski zu sehen – eine "erinnernde Rückschau auf die Epoche des Kohleabbaus als Fiktion" nennt sie der Künstler. Die Ludwig Galerie Schloss Oberhausen präsentiert unter dem Titel "Glück auf!" Comics und Cartoons zum Thema Kohle. Das Josef Albers Museum Quadrat in Bottrop zeigt die seriellen Fotografien von Zechen, Fördertürmen, Hochöfen oder Gasometern von Bernd und Hilla Becher.
Viele der in den beteiligten 13 Städten ausgestellten Arbeiten sind eigens für den jeweiligen Ort entstanden. Kunst von der Stange, fertige Bilder, habe man nicht gesucht, berichtet Thomas Hausholt, der das gesamte Projekt organisatorisch begleitet hat. Das galt auch für die Werke von weltberühmten Künstlern – Gerhard Richter, Richard Serra, Anselm Kiefer, Jannis Kounellis, Alicja Kwade, Andreas Gursky, um nur einige zu nennen. Auch sie mussten den Bezug zur Grundidee der Ausstellung, wie sie Ullrich betont, nämlich "dass aus diesem Material Kohle ein ästhetisches Moment entspringen kann" in besonderer Weise verdeutlichen.
Der Perspektivwandel als Signal des Aufbruchs
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Schirmherrschaft für das Großprojekt übernommen. Wenn am 8. Juni mit der "Hommage an Jannis Kounellis" das letzte Museum seine Ausstellung im Rahmen von "Kunst & Kohle" eröffnet, ist der Wandel der Perspektive auf Kohle als geologischem Rohstoff vollzogen. Die Montanindustrie ist am Ende. Aber das Revier lebt, "zukunftsversessen", sagen die Ausstellungsmacher. Das haben sie der Kunst zu verdanken.