"Australiens Ruf in Asien hat gelitten"
23. August 2010Esther Blank arbeitet als Journalistin für die DW in Australien
DW-WORLD.DE: Frau Blank, zum ersten Mal seit Jahrzehnten hat weder die Labor-Partei noch die konservativen haben die absolute Mehrheit erreicht. Nun hängt alles von den unabhängigen Parteien und den Grünen ab.
Esther Blank: Die Grünen sind die eigentlichen Gewinner der Wahl. Sie haben über 11 Prozent der Stimmen bekommen und ihr Vertreter im Repräsentantenhaus wird bei einem Patt eine wichtige Rolle spielen. Und im Senat, der zahlreiche Gesetze und den Haushalt absegnen muss haben die Grünen in Zukunft ganz klar eine wichtige Position: Die Australier haben neun grüne Senatoren gewählt.
Was war die Ursache dafür?
Die Australier sind wohl von beiden großen Parteien enttäuscht. Labor hat vor allem an die Grünen Stimmen verloren, nicht so sehr an die Konservativen. Das liegt daran, dass Labor die eigene Klimapolitik bei den ersten Schwierigkeiten im Parlament und auf Druck der Kohle- und Bergbauindustrie hin einfach fallen lassen hat. Die Wähler, die Labor beim letzten Mal für einen Kampf gegen den Klimawandel gewählt hatten, haben sich von der Partei abgewandt.
Premierministerin Julia Gillard und Oppositionsführer Tony Abbott sind extrem unterschiedliche Persönlichkeiten: Sie ist eine unverheiratete, kinderlose Atheistin. Er ist konservativer Familienvater, und war früher Priesterkandidat. Waren ihre Wahlkampfthemen auch so unterschiedlich?
Erstaunlicherweise nicht. Der Wahlkampf war äußerst langweilig und nichtssagend. Beide Parteien haben versucht, so wenig Anstoß wie möglich zu erregen. Es wurde hauptsächlich über ein schnelles Internet, über Krankenhäuser, Schulen, ein paar neue Bahnlinien geredet. Aber wichtige Themen wie der Afghanistan-Krieg, in dem immerhin schon 20 australische Soldaten gefallen sind, oder der Klimawandel, für das sich immer noch laut Umfragen 60 Prozent der Australier interessieren, wurden möglichst nicht erwähnt. Die Labor-Regierung versuchte im Wahlkampf ihr Krisenmanagement während der Weltwirtschaftskrise herauszustellen. Australien hat als einziges westliches Industrieland keine Rezession erlitten, die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit liegt knapp über fünf Prozent. Aber irgendwie ist es der Labor-Partei nicht gelungen, in dieser nichtssagenden und manchmal geradezu dümmlichen Wahlkampagne damit zu punkten. Und die Liberals, also die Konservativen, wetterten vor allem gegen die Schulden, die die Regierung aufgenommen hat, um ihr Konjunkturprogramm zu finanzieren. Und sie versprachen den Wählern, die Boote zu stoppen.
Welche Bedeutung hat das Thema der Einwanderer, der Boat People, im Wahlkampf gespielt?
Die Konservativen haben versucht, das Thema zu nutzen. In den letzten zehn Jahren hat dieses Thema im Wahlkampf immer gezogen, zum Beispiel für die konservative Regierung John Howard. Jetzt haben die Konservativen versprochen, die Flüchtlinge, die mit wackligen Booten vor der Küste ankommen, in einem Lager auf der pazifischen Insel Nauru zu internieren. Damit sollte nach dem Willen der Konservativen Menschenschmugglern das Handwerk gelegt werden. Labor hatte nicht viel Besseres zu bieten, sie wollten ein sogenanntes regionales Aufnahmezentrum in Ost-Timor einrichten. Peinlich war für Labor aber, dass Ost-Timor das Zentrum nicht haben wollte und das während des Wahlkampfs auch deutlich gemacht hat.
Wie kam das Thema bei den Menschen an?
Das Thema ist immer populär in Australien. Boat People machen eigentlich nur 5.000 der 300.000 Einwanderer aus, die Australien jedes Jahr aufnimmt. Aber sie sind meist Muslime, sie sind nicht weiß und sie kommen aus einem anderen Kulturkreis als die Menschen in vielen überwiegend angelsächsisch geprägten Wahlkreisen. Es gibt eine Xenophopie, eine Fremdenangst in Australien, die man benutzen kann. Man hat in Teilen Australiens Angst vor Muslimen, einige der Vorstädte haben Probleme, es ist sehr voll geworden in einigen Stadtteilen. Neueinwanderer konkurrieren mit Einheimischen um Arbeitsplätze. Und viele Leute lenken dann ihre Enttäuschung und ihren Hass auf diese unbekannten Boat People, obwohl Australien wie gesagt eigentlich ein Einwandererland ist.
Wie sehr prägt das das Verhältnis zu den Nachbarländern?
Die Nachbarländer in Südostasien verhalten sich sehr zurückhaltend, wenn wieder eine solche Kampagne stattfindet. Aber natürlich wird diese Politik mit Misstrauen gesehen. Australien hat unter John Howard, als Tausende illegaler Einwanderer oft Jahreland in stacheldrahtumzäunten Lagern lebten, politischen Schaden genommen. Der Ruf von Australien als Land in dem die Menschenrechte geachtet werden, als Land, das freundlich und Aufnahmebereit ist hat unter dieser Politik sehr gelitten.
Das Gespräch führte Miriam Klaussner
Redaktion: Mathias Bölinger