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Auszeichnung für Mafia-Kritiker Saviano

16. November 2009

Für seinen Mut bei der Aufdeckung der Mafia-Machenschaften ist der italienische Schriftsteller Roberto Saviano mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet worden. Er sprach aus, was niemand zu sagen wagte.

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Roberto Saviano (Foto: dpa)
Roberto SavianoBild: picture-alliance/ dpa

Für seinen Mut, Dinge über die Mafia auszusprechen, die sonst niemand zu sagen wagt, ist der erst 30 Jahre alte italienische Schriftsteller Roberto Saviano ausgezeichnet worden. In München erhielt er am Montagabend (16.11.2009) den Geschwister-Scholl-Preis. Die Jury hob besonders Savianos Buch "Das Gegenteil von Tod" hervor, in dem er kriminelle Machenschaften der Mafia aufdeckt. Er fühle sich wirklich sehr, sehr geehrt, sagte Saviano, der unter Polizeischutz lebt.

Der Preis Geschwister-Scholl-Preis soll die Erinnerung an die Zivilcourage der Studenten Hans und Sophie Scholl wachhalten, die ihren Widerstand gegen das Terrorregime der Nationalsozialisten 1943 in München mit dem Leben bezahlten. Träger sind unter anderem Jürgen Habermas, Christa Wolf und die ermordete Journalistin Anna Politkowskaja. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird jährlich vom Landesverband Bayern des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und von der Stadt München vergeben.

Mafia ist "wichtiger Wirtschaftsfaktor"

Blut an Auto (Foto: AP)
Die Mafia in Italien hat eine weitreichende MachtBild: picture-alliance/dpa

Die Wirtschaftskrise habe der italienischen Mafia in ganz Europa einen Schub gegeben, erklärte Saviano. Weil die Mafia jährlich viele Milliarden Euro in die italienische Staatskasse spüle, sei sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Sogar staatliche italienische Einrichtungen gäben zu, dass die Einnahmen von der Mafia bei 100 Milliarden Euro jährlich lägen. Durch die Wirtschaftskrise seien diese Einnahmen noch unverzichtbarer geworden. Die Preisvergabe an ihn sei aber ein gutes Zeichen dafür, dass das Thema Mafia kein Randthema mehr sei. "Das gibt mir sehr viel Hoffnung", sagte er. Saviano forderte, in ganz Europa einheitliche Gesetze für den Kampf gegen die Mafia einzuführen.

Ausführlich hat Saviano die Machenschaften unter anderem in seinen Büchern "Gomorrha" und "Das Gegenteil von Tod" vorgestellt. Inzwischen hätten sogar staatliche Einrichtungen in Italien zugeben, dass der Umsatz, der dem italienischen Staat jährlich aus der Mafia zukomme, bei 100 Milliarden Euro liege, sagte der Autor. Jeder, der sich in Italien mit diesem Thema beschäftigte, werde schief angesehen, auch von seinen "Kollegen, von Schriftstellern und Intellektuellen". Obwohl noch viel passieren müsse, sei das Thema Mafia aber heute im Ausland nicht mehr ein solches Randthema wie noch vor ein paar Jahren. "Dass ich heute hier bin, ist ein Beweis, dass das Interesse gestiegen ist. Das gibt mir sehr viel Hoffnung."

Vater war Opfer der Camorra

Von frühester Kindheit an war die organisierte Kriminalität in Savianos Leben präsent. Als Sohn eines Arztes und einer Lehrerin wurde er in der Kleinstadt Casal di Principe bei Neapel geboren. Sie gilt als Hochburg der neapolitanischen Verbrecherorganisation Camorra, die enge Beziehungen zur Wirtschaft unterhält. Als Savianos Vater in den 1980er Jahren ein Camorra-Opfer zur ärztlichen Versorgung ins Krankenhaus brachte, wurde er zur Strafe zusammengeschlagen.

Saviano studierte Philosophie in Neapel, wurde Journalist und tauchte schließlich tief in die Strukturen der Camorra ein. In "Gomorrha" beschreibt er ihre Vernetzung mit legalen Wirtschaftsstrukturen und der Politik. Während der Recherche sprach er mit vielen Camorra-Mitgliedern, durchforstete Akten, verfolgte Gerichtsprozesse und arbeitete verdeckt als Hafenarbeiter.

Trotz aller Einsichten in die tiefe Verankerung der Mafia in Italien und ganz Europa glaubt er, dass sie irgendwann doch erfolgreich beseitigt werden kann. Dazu müsse sich ganz Europa zusammenschließen, vor allem Italien, Deutschland, Spanien und Osteuropa, forderte er. Einheitliche Gesetze müssten her, Absprachen besser funktionieren, Geldströme überwacht werden - nur so könne das Netz der Mafia zerstört werden. Er selber werde in jedem Fall weiterschreiben, trotz Lebensgefahr.

Schlag der italienischen Polizei gegen die Mafia

Feiernde Menschen (Foto: AP)
Die Menschen auf Sizilien feiern, dass Raccuglia gefasst wurdeBild: AP

Die Auszeichnung in München fällt zufällig zusammen mit einem weiteren Erfolg der italienischen Polizei gegen die Mafia. Nach 15-jähriger Flucht ging den Ermittlern einer der meistgesuchten Verbrecher Italiens auf Sizilien ins Netz: Mafia-Boss Domenico Raccuglia.

Der italienische Innenminister Roberto Maroni sprach von "einem der härtesten Schläge gegen die Mafia-Organisationen seit Jahren". Der nun gefasste Domenico Raccuglia sei die Nummer zwei der "Cosa Nostra", berichteten Ermittler. Insgesamt werden Raccuglia fünf Morde zur Last gelegt. In Abwesenheit wurde er bereits dreimal zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

Autor: Herbert Peckmann (dpa)
Redaktion: Anne Kuhn-Osius