Zulieferer sagen Adieu zum Verbrenner
18. August 2021Die deutschen Autozulieferer sind spitze. Schillernder Leuchtturm ist die Robert Bosch GmbH, die Nummer eins im weltweiten Ranking. Doch die Konkurrenz legt vor allem in der Breite immer mehr zu. Nach einer Studie der Unternehmensberatung PwC hätten asiatische Zulieferer ihren Weltmarktanteil im vergangenen Jahr deutlich auf 43 Prozent ausbauen können. Bosch, Continental, ZF Friedrichshafen und andere hielten mit zusammen 26 Prozent auch einen hohen Anteil, doch der Wettbewerb werde immer härter.
So wurde am vergangenen Wochenende bekannt, dass der deutsche Zulieferer Hella mit Sitz in Lippstadt vom französischen Konkurrenten Faurecia übernommen werden soll.
Als Folge der Umsatzrückgänge wegen der Corona-Krise ging laut PwC-Studie die Eigenkapitalquote bei den deutschen Zulieferern auf 21 Prozent zurück, während die asiatischen Wettbewerber ihre bei 48 Prozent halten konnten - offenbar hatten sie ihre Kostenstruktur besser im Blick.
Größter Umbruch der Geschichte
Doch Sparen dürfte den deutschen Unternehmen schwerfallen, befindet die Branche sich doch im wohl größten Umbruch ihrer Geschichte: weg vom fossilen Verbrennungsmotor, hin zu nachhaltigen Antriebstechnologien, insbesondere Elektromobilität.
Laut einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte und des Verbands der Automobilindustrie (VDA) gehen mehr als 80 Prozent der befragten Unternehmen davon aus, dass sich die Elektromobilität als neuer Standard durchsetzen wird. Ebenfalls mehr als 80 Prozent der Unternehmen geben an, bereits mit der Umstellung auf Elektromobilität begonnen zu haben.
Synthetische Kraftstoffe und Brennstoffzelle noch nicht abgeschrieben
Jedoch rechnen 88 Prozent erst 2030 oder später mit einer vollständigen Ablösung des Verbrennungsmotors durch die Elektromobilität. Ein Teil der befragten Zulieferer nimmt an, dass sich zusätzlich auch Brennstoffzellen oder synthetische Kraftstoffe durchsetzen können.
"Wie das Investitionsverhalten der Automobilzulieferer zeigt, gehen sie davon aus, dass der Absatz von Elektroautos weiterhin deutlich steigen wird", so Harald Proff, Leiter Automobilindustrie bei Deloitte. Ein Großteil der Unternehmen verfolge die Strategie eines kontrollierten, langsamen Rückzuges aus dem Markt für Verbrennungstechnologien bei gleichzeitigem Aufbau des Geschäftsbereichs Elektromobilität.
Für die Transformationsstudie befragten Deloitte und VDA im Frühjahr 2021 Zulieferungsunternehmen für Autoteile und -zubehör. Insgesamt nahmen 83 Firmen an der Umfrage teil.
Autohersteller machen Druck
Mehr als 30 Prozent ihrer Forschungs- und Entwicklungsausgaben investieren die befragten Zulieferer laut Studie in elektrische Antriebstechnik, obwohl deren Anteil am Gesamtumsatz erst 15 Prozent ausmacht. 85 Prozent der Unternehmen nutzen die Gewinne aus der traditionellen Verbrenner-Technologie, um parallel Kompetenzen in der Elektromobilität aufzubauen.
Das ist auch dringend nötig, denn die Kunden der Zulieferer - die Autohersteller - drücken bei der Transformation zur Elektromobilität aufs Tempo. So hat Europas größter Autobauer Volkswagen angekündigt, zwischen 2033 und 2035 aus dem Geschäft mit Verbrenner-Fahrzeugen auszusteigen. Daimler will vor 2039 die Modellpalette CO2-neutral bekommen. BMW lehnt ein konkretes Ausstiegsdatum zwar ab, bis 2030 soll jedes zweite verkaufte Fahrzeug aber ein Stromer sein.
"Beste Standortbedingungen der Welt"
VDA-Präsidentin Hildegard Müller sieht "gerade die mittelständisch geprägte Zuliefererlandschaft" vor großen Herausforderungen: "Viele investieren hier deutlich mehr, als sie aktuell daran verdienen können."
Die Unternehmen beklagen laut der Studie an erster Stelle einen Mangel an politischer Unterstützung und Planungssicherheit. "Klimapolitik ist mehr als Ziele setzen: Um die ambitioniertesten Klimaziele der Welt zu erreichen, brauchen wir die besten Standortbedingungen der Welt", so die VDA-Präsidentin in einem DW-Interview.
Der Aufbau der Ladeinfrastruktur in Europa müsse so vorangetrieben werden, dass sich E-Autofahrer auf eine flächendeckende Abdeckung verlassen könnten. "Das ist für die Menschen eines der wichtigsten Kriterien und entscheidet ganz wesentlich darüber, ob ein Kauf infrage kommt oder nicht", so Müller
Außerdem gelte es, die Transformation industriepolitisch zu begleiten: "Das bedeutet, in den Regionen Qualifizierung zu fördern, Investitionen und Innovationen zu unterstützen und alternative Angebote zu schaffen."
Deutschland habe in den letzten Jahren bei verschiedenen Standortfaktoren erkennbar an Boden verloren und müsse dringend nachbessern, fordert die VDA-Präsidentin, "insbesondere bei den Unternehmenssteuern, den Energiekosten und der digitalen Infrastruktur."