Außenminister Wu: "Taiwan ist Taiwan"
2. September 2020Am vergangenen Sonntag ist der Vorsitzende des Oberhauses des tschechischen Parlaments, Milos Vystrcil, mit einer Delegation zu einem fünftägigen Besuch in Taiwan eingetroffen. Es ist der zweite hochrangige Besuch auf der Insel innerhalb weniger Wochen: Anfang August hatte US-Gesundheitsminister Alex Azar Gespräche in Taipeh geführt.
Dort sieht man in dem Besuch der tschechischen Delegation ein Zeichen für vertiefte Beziehungen zur Europäischen Union. "Der Austausch zwischen Taiwan und europäischen Ländern deckt inzwischen ein breiteres Spektrum an Themen ab, darunter Menschenrechtsfragen und sogar Fragen der Sicherheitspolitik", sagt Taiwans Außenminister Joseph Wu im DW-Interview.
"Der Besuch des tschechischen Senatspräsidenten in Taiwan ist ein Höhepunkt unserer Beziehungen zur Tschechischen Republik", so Wu. "Ich glaube, der Besuch wird anderen Ländern in Europa als ein gutes Beispiel dienen, das sie nachahmen können. Was immer sie tun wollen, um ihre Beziehungen zu Taiwan zu verbessern, ob auf kulturellem, wirtschaftlichem oder politischem Gebiet, sie werden in Taiwan immer offene Türen finden", führte Wu gegenüber der DW aus.
Verbale und militärische Drohungen aus Peking
Chinas Außenminister Wang Yi, der an diesem Dienstag in Berlin Gespräche mit seinem deutschen Kollegen Heiko Maas in Berlin führte, hatte den Taiwan-Besuch des tschechischen Politikers scharf kritisiert: Vystrcil werde einen "sehr hohen Preis zahlen" für die Verletzung des Ein-China-Prinzips, die er mit seinem Besuch begangen habe. Dessen ungeachtet rief der Senatspräsident vor dem taiwanischen Parlament am Dienstag - in Abwandlung des berühmten Zitats von John F. Kennedy 1963 im geteilten Berlin - aus: "Ich bin ein Taiwaner."
Zeichen für die angespannte Situation zwischen Taiwan und Peking, das die Insel als abtrünnige Provinz betrachtet, gab es in den vergangenen Wochen mehrere. So kündigte Peking Anfang August an, vier Militärmanöver an der Küste abzuhalten, mit der Begründung, dass dies die Sicherheitslage an der Straße von Taiwan erfordere. Gleichzeitig entsandten die USA durch die Meerenge ein Kriegsschiff, nachdem sie im Südchinesischen Meer Manöver abgehalten hatten. Schließlich protestierte China gegen die Aktivitäten eines US-Spionageflugzeugs vom Typ U2, das Schießübungen der chinesischen Armee beobachtet hatte. Zur Bekräftigung feuerten die Chinesen zwei nuklear bestückbare Mittelstreckenraketen in das Südchinesische Meer.
"Wir sind militärisch vorbereitet"
"Wir werden seit Jahrzehnten (vom Festland) bedroht und passen deshalb auf, welche militärischen Aktionen China gegen Taiwan unternimmt. Unsere Armee hat sich für den Fall eines möglichen Konflikts zwischen beiden Seiten vorbereitet", sagte Außenminister Wu. Aber er gab zu bedenken: "Sollte China den Status quo zerstören, so wäre das im Interesse von niemandem, dem an der Stabilität und Frieden an der Straße von Taiwan gelegen ist."
Taiwan hat laut Wu seine Bewaffnung und Strategie angesichts der wachsenden militärischen Bedrohung durch das Festland verstärkt und modernisiert. Erst vergangene Woche wurde ein Wartungszentrum für seine nachgerüsteten F-16-Kampfflugzeuge eröffnet. Washington hatte zuvor grünes Licht für den Export von F-16-Kampfflugzeugen im Umfang von acht Milliarden US-Dollar gegeben, so dass Taiwan jetzt über eine Flotte von über 200 Maschinen dieses Typs verfügt.
"Um die Souveränität der Republik China zu verteidigen und um Frieden und Stabilität in der Region zu wahren, ist robuste Verteidigungspolitik vonnöten, und nicht kriechen und bücken", erklärte Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen ebenfalls vergangene Woche.
"Solidarität Taiwans mit Einwohnern Hongkongs"
Seit der Einführung des neuen nationalen Sicherheitsgesetzes für Hongkong durch die Zentralregierung in Peking wandern Einwohner aus der Sonderverwaltungsregion verstärkt nach Taiwan aus. Rund 200 Aktivisten haben seit vergangenem Jahr in Taiwan Zuflucht gesucht. In der vergangenen Woche wurden zwölf Aktivisten aus Hongkong von der chinesischen Küstenwache aufgegriffen, die versucht hatten, illegal mit einem Boot nach Taiwan zu gelangen.
Außenminister Wu bekräftigte die Unterstützung Taiwans für die Bürger Hongkongs: "Solange sie Taiwan erreichen können, werden wir versuchen, ihnen Sicherheit zu gewähren. Wenn sie in andere Länder weiterreisen wollen, würden wir im Gespräch mit letzteren versuchen, auch dort Unterstützung für diese Menschen zu bewirken. Aber derzeit tun wir alles in unserer Macht Stehende, denjenigen Einwohnern Hongkongs zu helfen, deren Ziel Taiwan ist."
"Wir wollen im UN-System mitwirken"
Unterdessen versucht Taiwan verstärkt, sich auf internationaler Bühne ins Spiel zu bringen. Dazu verweist es auf seine Bereitschaft und Befähigung, auch anderen Ländern bei der Bewältigung der Corona-Pandemie zu helfen. Außenminister Joseph Wu: "Uns ist klar, dass es sich hier um ein langfristiges Vorhaben handelt. Aber Taiwan ist entschlossen, dafür zu sorgen, dass es eine Rolle in internationalen Organisationen wie den UN oder der WHO spielen kann. Wir leisten schon jetzt finanzielle Beiträge, und wir stellen keine politischen Bedingungen, wir wollen nur helfen."
Dem Außenminister ist klar, dass China seine Verbündeten mobilisieren wird, um jegliche Diskussion über eine Einbeziehung Taiwans in die Institutionen der UN zu verhindern. Aber davon lässt er sich nicht abschrecken: "Taiwan ist Taiwan, und eine von vielen Ländern beneidete Demokratie. Die Bürger Taiwans haben die gleichen Rechte wie die Bürger anderer Länder. Ich möchte die Mitglieder internationaler Organisationen auffordern, die Rolle Taiwans als eine positive zu sehen und eine Einbeziehung Taiwans zu erwägen."