Balkan-Booster: Ab in den Fluss
20. Dezember 2019"Wir haben am Anfang nicht zusammenarbeiten können", erinnert sich Erna Salihu aus Kosovo, als sie jetzt mit Tandempartnerin Irena Karevska aus Nordmazedonien ihre gemeinsam produzierten Videos präsentieren. Die Unterschiede hätten sie schnell überwunden, auf etwas unkonventionelle Weise. „Wir sind einmal zusammen in den Fluss gesprungen, danach haben wir uns zusammengerauft. Sie war die beste Tandempartnerin und Kollegin, die ich mir hätte wünschen können."
So kann es gehen, wenn zwei Frauen, die ihre eigenen Vorstellungen von Berichterstattung haben, im Team arbeiten. In ihren Videoreportagen haben die Beiden gezeigt, dass sie persönliche Befangenheiten hinter sich lassen können.
Dies dürfte auf viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der dritten Ausgabe des Balkan-Booster (BB3) zutreffen. Seit August hatten die 21 Beteiligten in sechs Tandems und drei Trios 245 Videos in acht Sprachen produziert, die auf den Social-Media-Kanälen der DW mehr als sieben Millionen Reaktionen erzielten.
Nationalismus? Nein danke.
Schon beim Auftakt in Montenegro war von Nationalismus oder gegenseitigem Misstrauen unter den Gästen nichts zu spüren. Drei Monate verfolgten sie untereinander ihre Projektarbeiten auf den DW-Kanälen. Das Wiedersehen vor wenigen Tagen in Prishtina beim Projektabschluss war betont herzlich.
Trotz der schwierigen Visa-Situation hatten es fast alle Teilnehmenden in den Kosovo geschafft. Und es war deutlich zu sehen: Seit dem Auftakt-Workshop sind aus den Teilnehmern Kollegen und Freunde geworden. Für Projektmanagerin Aida Salihbegovic von der Bosnisch-Redaktion ein Erfolg, der die beiden Vorjahre übertrifft: "Das Thema Umwelt hat die Balkan-Booster stark motiviert. In diesem Jahr waren junge Leute mit journalistischem Hintergrund dabei und auch einige, die im NGO-Sektor tätig sind. Diese Kombination hat es ermöglicht, nicht nur thematisch das Beste aus ihnen herauszuholen, sondern sie auch schnell mit den technischen Aspekten des Mobile Journalism und des Storytelling vertraut zu machen. Wir waren verblüfft, wie effizient und ergebnisorientiert sie agiert haben", so Salihbegovic. Dies machte sich auch in der Qualität der Videos bemerkbar.
Auch Adelheid Feilcke, Leiterin der HA Europa, ist mehr als zufrieden mit den Ergebnissen: „Der Balkan-Booster 3 war erfolgreicher und qualitativ viel stärker als die beiden ersten Jahre. Das zeigt, dass es sich lohnt, in die jungen Menschen zu investieren. Diese sind bereit, gemeinsam auf Entdeckungsreise zu gehen und sich professionell zu entwickeln. Die Videos sind klug angelegt und auf den Punkt gebracht." Für das DW-Publikum ein Mehrwert.
"Für mich war der Balkan-Booster das wichtigste Erlebnis in meiner bisherigen jungen Karriere", sagt Lorin Kadiu, Teilnehmer aus Albanien. Zusammen mit seinen Kollegen aus Nordmazedonien und Griechenland hatte er eine Woche lang am Prespa-See recherchiert. "Der See verbindet unsere drei Länder und wir teilen dieselben Probleme", berichtet Efterpi Mouzakiti aus Thessaloniki.
Dass einige Menschen in Griechenland ihr die Zusammenarbeit mit einem Kollegen aus Nordmazedonien übelnehmen, ist für sie vor allem eines: ein Grund, in dieser Region weitere Geschichten aufzuspüren.
Thema Umwelt verbindet
Der Erfolg des BB3 ist nicht zuletzt auch dem thematischen Fokus zu verdanken. Die gemeinsame Sorge um den Zustand des Planeten vereint junge Menschen weltweit. Dabei hält Umweltjournalismus nicht nur Hiobsbotschaften bereit, sondern auch Best-Practice-Beispiele, wie einige der Videos zeigen: eine Zero-Waste-Ikone in Podgorica etwa oder Kurse zum Thema Umwelt in Bosnien, in denen serbische, bosnische und kroatische Kinder gemeinsam lernen.
"Wir haben einen zweifachen Effekt: Zum einen lernen die jungen Kollegen, sich lokal mit dem Thema auseinanderzusetzen. Und zum anderen denken sie grenzüberschreitend und sehen: Das betrifft alle, auch unsere Nachbarn", so Feilcke.
Offen für neue Formate
Es geht weiter. Efterpi wird schon bald nach Skopje und Tirana reisen und mit Hilfe ihrer Kollegen Geschichten recherchieren, mit denen sie die Balkan-Vorurteile ihrer griechischen Landsmänner auf die Probe stellen will. Auch Azem Kurtic, der zum dritten Mal teilgenommen hat, ist im Kontakt mit vielen Teilnehmern, auch aus den Vorjahren.
Für Adelheid Feilcke liegt genau hier die Stärke des Balkan-Boosters: "Ich bin sicher, dass das Netzwerk, das wir geschaffen haben, jedem einen neuen Stimulus gegeben hat, am Thema dran zu bleiben. Und ich hoffe, dass wir als Effekt aus diesem Projekt mehr Berichterstattung zum Thema Umwelt in den Heimatmedien dieser jungen Leute haben."
Der Balkan-Booster hat längst eine Eigendynamik entwickelt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind zu Hause in den Online-Medien, technikversiert und bringen ihr Publikum mit. Die Journalismus-Talente sind offen für neue Formate, für die sie eine Plattform brauchen. Sie sind die Multiplikatoren einer jungen Generation, die des Nationalismus müde ist. Und: Sie können mit dem Handy sendefähiges Material produzieren, das die Menschen auf dem Balkan dort anspricht, wo sie sich verlassen fühlen: im Alltag des gemeinsamen Lebens.