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Politik

Gastkommentar: "Balkan Konferenz"- Na und?

Christian Schwarz-Schilling
29. April 2019

Merkel und Macron wollen in Berlin zwischen den Westbalkan-Ländern vermitteln. Thema auch: ein möglicher Gebietsaustausch zwischen Serbien und Kosovo. Das ist zu vermeiden, meint Christian Schwarz-Schilling.

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Christian Schwarz-Schilling Kommentarbild App
Bild: Oliver Rüther

Manche abgebrühten Spötter können vor der Balkan-Konferenz ihre programmatische Langeweile nicht verbergen. Dass ihre Sprüche immer wieder die gleichen Formeln sind, macht ihren Inhalt nicht interessanter.  

Doch manchmal gibt es Ereignisse, bei denen wir plötzlich ein neues Handlungspotenzial alter Themen aufbrechen sehen. Und ein solches Ereignis kann zu einem völlig unerwarteten Momentum der Geschichte führen und uns ein neues Kapitel gemeinsamer Zukunft aufzeigen.        

Die Balkan-Konferenz in Berlin am 29. April könnte so etwas werden. Wieso das? Noch nie haben die beiden wichtigsten, größten und geografisch am nächsten zum Balkan gelegenen Nationen Europas, Deutschland und Frankreich, eine gemeinsame Einladung an die Staatenlenker des Westbalkans gerichtet, um offen und verantwortungsvoll unsere gemeinsame Zukunft zu besprechen. Wenn wir in unsere Vergangenheit schauen, blicken wir im 20. Jahrhundert in Abgründe und Katastrophen, welche alles Vorstellungsvermögen in unsere Geschichte übersteigt. Unendliches Leid wurde unserer Bevölkerung und anderen Völkern angetan.

Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts bemühen wir uns in Europa mit unterschiedlichem Erfolg, den Gründen und politischen Ursachen für die so unmenschliche Epoche nachzugehen und für die Zukunft einen Kontinent aufzubauen, der den Bürgern wieder unveräußerliche Rechte gegenüber dem Staat garantiert. Gleichzeitig ist dieser Kontinent durch die Integration der einzelnen Nationen in die Europäische Union neu instand gesetzt worden, um im Zeitalter der Globalisierung gegenüber den anderen Kontinenten und Großmächten wirtschaftlich und kulturell überlebensfähig zu bleiben. Diese Bemühung hat in Europa zu einem freiwilligen Zusammenschluss parlamentarischer Demokratien geführt, der in der Menschheitsgeschichte einzigartig ist und zu großen Erfolgen geführt hat.

Sonderweg Jugoslawien

Der politische Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums war die Konsequenz, dass kein Reich, kein ideologisches System, keine Diktatur auf Dauer durch Lüge, Geschichtsfälschung, Machtausbreitung und Versklavung der Menschen gegen die Idee der Freiheit siegen kann. So eilte die Idee der Freiheit in die Sowjetunion, nach Ostdeutschland, nach Osteuropa bis hin nach Zentral- und Ostasien. Sie führte die beiden deutschen Teile zur Wiedervereinigung ohne Gewalt zusammen. Unsere Freiheit und Sicherheit wurde durch die Nato, das mächtige euro-atlantische Bündnis, gesichert.

Nur das ehemalige Jugoslawien ging einen anderen, verhängnisvollen eigenen Weg. Der damalige Führer Jugoslawiens, Slobodan Milošević, welcher in Belgrad weiterhin auch nach der gescheiterten kommunistischen Idee, diktatorisch führen wollte, benutze eine neue Ideologie: die Herrschaft der serbischen Volksgruppe über alle anderen auf dem Balkan. Aus beiden Regionen strömten bereits hunderttausende Flüchtlinge nach Europa und in die Welt, so dass der Krieg für die Stabilität des Westens und des Osten, unvermeidlich wurde.

Erst die Entmachtung der Tyrannen und ihrer Helfershelfer konnte den Weg freimachen für die neuen, unabhängigen Staaten des Balkans. Jetzt wartet die Bevölkerung des Westbalkans auf ihre Chance ebenfalls nach Europa zu kommen. 

Bosnien weiter fragil

Milorad Dodik, einer der heutigen Präsidenten von Bosnien-Herzegowina, der die eine Entität, nämlich die Republika Srpska, fest im Griff hat, droht seit Jahren, diese von Bosnien-Herzegowina abzuspalten und zu einem eigenen Staat zu machen.

In diesem Bestreben arbeitet er eng mit der nationalistischen Partei der Kroaten (HDZ) zusammen, in dem er ihren Anführer Dragan Čović, bei seinem Versuch, eine 3. Entität von Bosnien-Herzegowina zu schaffen, um die Föderation weiter zu spalten, tatkräftig unterstützt. Hier ist das Ziel, jene Regionen der Föderation, welche mehrheitlich von Kroaten besiedelt sind, langfristig Kroatien zuzuschlagen. Auch Nationalisten in Kroatien kämpfen im Europaparlament und in Kroatien selbst für ein solches Ziel.

Was sich dort abspielt darf der Westen nicht als "Rhetorik" verharmlosen, sondern er muss in dieser Situation selber handeln. Wo die Hinweise der höchsten europäischen Politiker und Institutionen in Bosnien-Herzegowina nicht beachtet werden, muss gemäß dem Dayton-Vertrag dafür gesorgt werden, dass die Internationale Gemeinschaft entsprechend eingreift.

Auch die vor einiger Zeit geführten Verhandlungen zwischen Serbien und Kosovo dürfen unter keinen Umständen nach ethnischen Gesichtspunkten zu neuen Grenzziehungen führen. Will man wieder auf tausende von Flüchtlingen warten, wie im Jahr 1999? Nach all den Erfahrungen müssen solche Vorschläge zum "ethnic cleansing" ad acta gelegt werden.

Berliner Balkankonferenz ein mutiger Schritt

Ambitionen einzelner Volksgruppen nach weiterer Abspaltung in der Region des Westbalkan nach "ethnischen" Kategorien vorzunehmen, muss für die Zukunft auf alle Fälle ausgeschlossen werden, denn die Kriege der 1990er Jahre in dieser Region dürfen sich nicht wiederholen.

Die genannten Punkte beeinflussen auch die Zukunft der übrigen Nachbarländer des Westbalkans wie Albanien, Mazedonien und Montenegro. Hier muss man die ganze Region sehen und nicht isoliert denken und handeln. Der Rechtsstaat in den Ländern des Westbalkans muss oberste Priorität haben. 

Lassen Sie mich zum Schluss einen eindringlichen Appell an Sie, Frau Bundeskanzlerin und Sie, Präsident Macron richten: Bringen Sie Ihren mutigen Schritt zu dieser Westbalkan-Konferenz in Berlin mit Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit, auf einen guten Weg. Nehmen Sie Ihre und unsere Chance mit dieser Konferenz für ganz Europa wahr! Sie leisten damit für die Menschen auf dem Westbalkan, aber auch für uns in Europa, einen wichtigen Beitrag für eine gesicherte und friedliche Zukunft.

Prof. Dr. Christian Schwarz-Schilling war von 1982 bis 1992 Bundesminister für Post und Telekommunikation. Aus Protest gegen die Haltung der Bundesregierung im Bosnien-Krieg trat er vom Ministeramt zurück. 2006/07 amtierte er als Hoher Repräsentant und Sonderbeauftragter der Europäischen Union für Bosnien-Herzegowina.