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Bangladesch: Was folgt auf Ex-Premier Sheikh Hasinas Flucht?

Zobaer Ahmed
6. August 2024

Nach 15 Jahren Regierungszeit und Wochen eskalierender Proteste hat Ex-Premierministerin Sheikh Hasina Bangladesch Hals über Kopf verlassen. Die Armee beansprucht die Macht. Aktivisten wollen das nicht hinnehmen.

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Bangladesch Menschen feiern den Rücktritt von Premierministerin Hasina in Dhaka
Demonstraten zerstörten ein Porträt der Premierministerin Sheikh HasinaBild: Mohammad Ponir Hossain/REUTERS

45 Minuten Zeit soll Premierministerin Sheikh Hasina (76) fürs Einpacken gehabt haben, um Bangladesch zu verlassen. Das berichtet der indische TV-Sender NDTV. Ihre 15-jährige Regierungszeit endete abrupt und dramatisch. Das Militär soll ihr ein Ultimatum gestellt haben - nach wochenlangen massiven Studentenprotesten und eskalierender Gewalt.

Als die Nachricht über die Ausreise von Hasina ins Nachbarland Indien bekannt wurde, herrschte auf den Straßen der Hauptstadt Dhaka und anderer Großstädten Festtagsstimmung. Jubelnde Menschenmengen schwenkten Fahnen. Hasina selbst war zuvor mit einem Militärhubschrauber zunächst nach Indien ausgeflogen worden. Nach übereinstimmenden Presseberichten wolle sie weiter nach London reisen. Nachdem sie Bangladesch verlassen hatte, stürmten Augenzeugenberichten zufolge hunderte Menschen den Amtssitz der unbeliebten Premierministerin.

Bangladesch Dhaka | Proteste | Tausende Menschen jubelnd auf den Straßen
Jubelnde Menschen auf den Straßen und Plätzen von DhakaBild: DW

Armeechef: "Höchste Zeit, die Gewalt zu beenden"

Das Militär werde eine Übergangsregierung bilden, verkündete Bangladeschs Armeechef General Waker-Uz-Zaman in einer Fernsehansprache am Montag (05.08.24). Ob er diese anführen wird, war zunächst unklar. "Das Land hat viel gelitten. Die Wirtschaft erlitt Schaden. Viele Menschen verloren ihr Leben. Es ist höchste Zeit, die Gewalt zu beenden", sagte Waker-Uz-Zaman in Militäruniform.

Nach eigenen Angaben hat der General bereits Gespräche mit den wichtigsten Oppositionsparteien und Mitgliedern der Zivilgesellschaft geführt, nicht jedoch mit der Partei Awami-League. Ihre Vorsitzende ist nämlich Sheikh Hasina.

Die ehemalige Regierungschefin ist in der politischen Landschaft Bangladeschs eine Urgestalt. Ihr Vater, Mujibur Rahman, führte 1971 das überwiegend muslimisch geprägte Bangladesch in die Unabhängigkeit. Die von ihm gegründete Partei Awami-League herrschte dann vier Jahre lang autoritär über das südasiatische Land. 1975 wurde Rahman bei einem Militärputsch ermordet.

Als Bangladesch Anfang der 1990er-Jahre wieder zur parlamentarischen Demokratie zurückkehrte, gewann Sheikh Hasina 1996 die Wahlen und wurde zum ersten Mal Premierministerin. In den vergangenen 30 Jahren hatte sie auch Wahlen verloren. Aber seit 2008 war Hasina bis zu ihrem Rücktritt am Montag durchgehend Premierministerin in Bangladesch. Die letzten Wahlen im Januar 2024 waren von der größten Oppositionspartei boykottiert worden. Sie bezweifelte, dass die Abstimmung fair durchgeführt würde.

Hasinas Regierung wurden unter anderem der Missbrauch staatlicher Institutionen zum eigenen Machterhalt und die Unterdrückung von Regierungskritikern vorgeworfen - bis hin zur außergerichtlichen Tötung Oppositioneller. Jetzt setzten wochenlange gewalttätige Proteste der politischen Laufbahn von Sheikh Hasina ein Ende.

Bangladesch | Sheikh Hasina
Als Premierministerin unbeliebt: Sheikh HasinaBild: Peerapon Boonyakiat/SOPA Images/IMAGO

Bei den Unruhen seit Mitte Juli kamen laut Medienberichten rund 300 Menschen ums Leben. Studentengruppen hatten zunächst die Abschaffung eines umstrittenen Quotensystems bei der Vergabe von Stellen im öffentliche Dienst gefordert. Nach den Plänen der Regierung  sollten Kinder der Freiheitskämpfer, die mit Staatsgründer Rahman für die Unabhängigkeit gekämpft hatten, bei sicheren und besser bezahlten Regierungsjobs bevorzugt werden. Das oberste Gericht in Bangladesch schwächte die Regelung dann deutlich ab.

 

Schwieriger Übergang

Ob die Einsetzung einer vom Militär geführten  Übergangsregierung reibungslos verlaufen wird, ist alles andere als sicher. "Vertreter der protestierenden Studierenden müssen Teil der Übergangsregierung sein", forderte der Studentenführer Asif Mahmud im Gespräch mit der DW. "Andernfalls werden wir sie nicht anerkennen." Mahmud will nicht mehr länger nur eine Chance auf einen Posten im  Regierungsdienst haben, wofür er bei den Protesten gegen die Quotenregel gekämpft hat. Er sieht sich inzwischen als Politiker mit dem Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung. 

Das Misstrauen in der Bevölkerung ist nach der Ansprache von Armeechef Waker-Uz-Zaman weiterhin groß. "Er hat uns keine konkreten Pläne vorgelegt", zeigt sich der Menschenrechtsaktivist und Anwalt Khan Panna enttäuscht. Wovon der General gesprochen habe, sei nur einer Zwischenlösung. "Wie groß ist die öffentliche Unterstützung der Menschen, mit denen er über die Bildung der Übergangsregierung gesprochen hat?", so die skeptische Frage von Panna.  "Ich glaube nicht, dass die Menschen das akzeptieren werden."

Das Militär gab in einer Pressemitteilung bekannt, dass es bald direkte Gespräche mit den Anführern der Protestbewegung aufnehmen werde.

Bangladesch hat in den Jahren 1990 bis 2008 viel Erfahrungen mit Übergangsregierungen gesammelt. In dieser Zeit übernahm eine administrative Übergangsregierung die Verantwortung vor und während den nationalen Wahlen, um deren faire und reibungslose Durchführung sicher zu stellen. Aktivisten fordern nun eine vergleichbare Übergangsregierung bis zu den Neuwahlen.

Bangladesch: Folterer als Blauhelme

Kein General als Regierungschef

Eine Gruppe von 21 prominenten Staatsrechtswissenschaftlern und Aktivisten erwartet von der neuen Übergangsregierung, "die angestaute Wut der Öffentlichkeit über den seit langem andauernden Wahlbetrug, die weitverbreitete Korruption, das wirtschaftliche Missmanagement und die Unterdrückung" abzubauen.

"Die Macht sollte auf verfassungsmäßigem Wege oder, falls nötig, durch eine Änderung der Verfassung, an eine nationale oder Übergangsregierung übertragen werden, nach Gesprächen mit den protestierenden Studenten und den politischen Parteien", so die Gruppe in einer Stellungnahme.

Die Juristen und Aktivisten betonen zudem, dass die Armee nicht die Macht über das Land übernehmen dürfe, sondern eine zivile Regierung. Das Militär gehöre in die Kaserne, hieß es.

Das "Killerkommando" von Bangladesch

Das Militär sei dafür da, das Land vor Bedrohungen von außen zu schützen, betonte Jurist Shahdin Malik, der die Erklärung unterzeichnet hat, im DW-Interview. "Das Militär ist nicht dazu da, das Land zu regieren."

Die deutsche Bundesregierung zeigt sich besorgt über die Lage in Bangladesch. Die Regierung verfolge "die Entwicklung natürlich mit großer Sorge", antwortete ein Sprecher des Auswärtigen Amts während der Regierungspressekonferenz am Montag auf die Frage der DW. "Natürlich ist uns allen wichtig, dass Bangladesch seinen demokratischen Weg fortsetzt."

Mitarbeit: Harun Ur Rashid Swapan (Dhaka)

Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan