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Schweinsteiger: Chef in Chicago

Heiko Oldörp
18. Juni 2017

Er ist Fußball-Weltmeister und ein globaler Star - und dennoch in den USA keine allzu große Nummer. Bastian Schweinsteiger genießt neben seinem sportlichen Erfolg in Chicago die Anonymität einer amerikanischen Großstadt.

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USA Fußball Montreal Impact - Chicago Fire Sebastian Schweinsteiger
Bild: Getty Images/D. Buell

Bastian Schweinsteiger ist erschöpft. Man sieht es seinem Gesichtsausdruck an und auch seinem Gang Richtung Dusche. Er müht sich die knapp zehn Meter von seinem Platz in der Gästekabine hinüber zu den Brausen. Die Haare verschwitzt, der Kopf noch leicht rot, ein weißes Handtuch um die Hüfte gewickelt. Soeben hat der 32-Jährige mit Chicago Fire bei New England Revolution 2:1 gewonnen, ist auch im achten Major League-Soccer-Spiel nacheinander unbesiegt geblieben. Es war ein hart erkämpfter Erfolg - und für Schweinsteiger ein durchaus besonderer. Erstmals seit fast drei Jahren hat er auf Kunstrasen gespielt. Wieder so eine neue Erfahrung für den blonden Bayern.

Zweieinhalb Monate ist er nun in Nordamerika, hat sich an Nationalhymnen vor den Spielen ebenso gewöhnt, wie an Interviews in der Kabine unmittelbar nach dem Duschen oder Ligaspiele im Ausland. Aber Kunstrasen, dieser stumpfe Untergrund, bei dem das Verletzungsrisiko weitaus höher ist, nein, das kannte er bislang noch nicht. "Da muss man sich drauf einstellen, dann geht das schon. Aber wenn du auf deine Knie fällst, tut das ganz schön weh", sagt Schweinsteiger.

"Fußballgott" Schweinsteiger

Unter den 21.548 Zuschauern im riesigen Football-Stadion von Super-Bowl-Champion New England Patriots in der Nähe von Boston sind auch einige Deutsche. Sie tragen Schweinsteiger-Trikots der Nationalmannschaft und von Bayern München. Auf Höhe der Mittellinie halten Zuschauer drei Schilder hoch: "Fuß-Ball-Gott".

Schweinsteiger ist Weltmeister und Weltstar. Aber er ist eben auch bei Manchester United nicht mehr gebraucht worden. Der dortige Coach Jose Mourinho hatte ihn mitunter sogar alleine trainieren lassen. Er wollte wieder Fußball spielen, wollte wieder Spaß haben – und wechselte deshalb Ende März zu Chicago Fire. Es ist die dritte Profistation seiner Karriere und Schweinsteiger wieder der Chef im Spiel. Er leitet, lenkt, gibt lautstarke Anweisungen. In den Punkten Ballbehandlung, Passgenauigkeit und Übersicht ist er Mit- und Gegenspielern klar voraus.

"Habe Herausforderung gesucht"

Chicago ist in den vergangenen beiden Spielzeiten jeweils das Schlechteste gewesen, was die MLS zu bieten hatte. Dennoch wollte Schweinsteiger unbedingt zu Fire. Dem Klub das Verlierer-Image zu nehmen, sah er als "Herausforderung, die ich gesucht habe". Seit seinem Debüt am 1. April hat Fire 13 MLS-Partien absolviert, acht davon gewonnen und sich unter den 22 Teams auf Rang zwei hochgearbeitet. Die letzte Niederlage gab es am 29. April. Man habe sich in Sachen "Spielphilosophie, Anlage und Rhythmus verbessert", betont Schweinsteiger. "Und", ergänzt er mit stolzem Unterton, "wir haben mittlerweile eine Siegermentalität und mehr den Glauben daran, Spiele zu gewinnen - auch auswärts."

Trainer lobt "Klasse-Spieler"

Diese neue Einstellung führt Trainer Veljko Paunovic auf Schweinsteiger zurück. Der Deutsche sei nicht nur auf dem Platz und auch außerhalb ein "Klasse-Spieler", so Paunovic, sondern "auch als Mensch großartig". Der serbische Trainer lobt Schweinsteigers Umgang mit allen Leuten im Klub, betont, dass der Mittelfeldmann jedem helfen und seine Erfahrungen teilen wolle. "Er weiß, was man tun muss, um Erfolg zu haben - das ist sehr wichtig für uns", so Paunovic.

Bei Bayern München hatte Schweinsteiger immer das Ziel, Deutscher Meister zu werden und weit in der Champions League zu kommen. Mit der Nationalmannschaft wollte er bei Weltmeisterschaften und Europameisterschaften um den Titel spielen. In Chicago indes ist der Anspruch vorerst kleiner: Playoffs erreichen. In der MLS steht der Meister nicht nach der Vorrunde fest, sondern wird in der K.O.-Runde ermittelt. Das ist für Schweinsteiger ebenso neu, wie beispielsweise Auswärtsflüge über 2800 Kilometer bis nach Los Angeles. Derartige Distanzen hatte er früher nicht mal für Champions-League-Partien zurücklegen müssen. Dennoch genieße er es, "jeden Tag zum Training zu fahren und mit den Jungs zu trainieren", so Schweinsteiger.

Trotz Schweinsteiger nur ein Heimspiel ausverkauft

Er ist neben dem Italiener Andrea Pirlo, Brasiliens Kaka oder David Villa aus Spanien der prominenteste MLS-Profi. Allerdings steht seine Sportart in den USA klar im Schatten von American Football, Basketball oder Baseball. Zu den Fire-Heimspielen kamen seit der Verpflichtung von Schweinsteiger im Schnitt 12.590 Fans. Nur einmal war der Toyota-Park mit einer Kapazität von 20.000 Plätzen ausverkauft.

Andererseits führen die Soccer-Stars zwischen Washington und Vancouver ein weitaus entspannteres Leben als in Europa. In München oder Manchester ist Schweinsteiger mit seiner berühmten Ehefrau, Ex-Tennis-Spielerin Ana Ivanovic, überall erkannt worden. In Chicago hingegen genießen sie die Anonymität der Millionen-Metropole. "Für uns ist es hier ein bisschen leichter, durch die Stadt zu gehen. Es gibt wirklich viele Momente, in denen wir unerkannt bleiben. Das kennen wir gar nicht", sagt Schweinsteiger. Neues Land, neue Liga, neues Leben.