Bauhaus-Kandidaten fürs Welterbe
Die berühmte Kunst-, Design- und Architekturschule Bauhaus war revolutionär. Viele ihrer Gebäude gehören heute schon zum UNESCO-Weltkulturerbe. In Deutschland könnten bald zwei dazukommen.
Weimar: Wo alles begann
Sie wollten die Gesellschaft verändern - und schufen eine ganz neue Architektur. Bis heute wirken die modernen Ideen von Lehrern und Absolventen der Bauhaus-Schule. Gegründet wurde das Bauhaus 1919 in Weimar. Erster Direktor war der Architekt Walter Gropius. Die Schulgebäude in Weimar, gestaltet von dem belgischen Architekten Henry van de Velde sind bereits Weltkulturerbe.
Ein Muster für Neues Bauen
Welterbestätte ist auch das Haus am Horn in Weimar. Gebaut 1923, mutet es heute eher unspektakulär an. Doch damals war diese Art des Bauens revolutionär: hell, modern, bezahlbar, mit funktionalem Grundriss und neuartigen Materialien errichtet, sollte es das Muster für eine ganze Siedlung sein, in der die Angehörigen des Bauhauses wohnen sollten.
Neuer Standort in Dessau
1925 musste die Bauhausschule nach Dessau umziehen. Die neue konservative Regierung in Weimar hatte der als "links" geltenden Schule die Mittel gekürzt. In Dessau begann die Zusammenarbeit mit der Industrie, die ersten Stahlrohrsessel, die beliebten Freischwinger, entstanden. Das von Walter Gropius entworfene Schulgebäude in Dessau gilt als Schlüsselwerk der europäischen Moderne.
Musterhäuser für die Bauhaus-Meister
In Dessau entstanden auch drei Doppelhäuser, in denen die Bauhaus-Meister wohnten, unter ihnen Lyonel Feininger und Paul Klee. Sie waren zugleich Musterhäuser für modernes Wohnen: funktional, mit großen Fenstern, die eine Verbindung von Außen und Innen schaffen sollten. 1928 trat Walter Gropius als Bauhaus-Direktor zurück. Als Direktoren folgten Hannes Mayer und 1930 Ludwig Mies van der Rohe.
Siedlungen der Berliner Moderne
Mies van der Rohe zog 1932 mit dem Bauhaus erneut um: In Berlin betrieb er es ein Jahr lang als private Einrichtung, bevor die Bauhausschule 1933 unter dem Druck der Nazis schließen musste. Gleichwohl entstanden in Berlin zwischen 1913 und 1934 mehrere Siedlungen im Stil des Neuen Bauens. Sechs von ihnen sind heute Weltkulturerbe, darunter die Siedlung Siemensstadt, an der auch Gropius mitwirkte.
Der Erstling von Gropius: das Fagus-Werk
Die Bauhaus-Vertreter tobten sich auch auf dem Gebiet der Industrie-Architektur aus. Zum Welterbe zählt das Fagus-Werk in Niedersachsen, schon 1911 von Walter Gropius zusammen mit dem Architekten Adolf Meyer entworfen. Klare kubische Formen, viel Stahl und Glas, helle Fabrikräume: Es gilt als Vorläufer des späteren Bauhaus-Gebäudes in Dessau. Bis heute werden hier Schuhleisten hergestellt.
Bergwerk Rammelsberg im Harz
Industrie-Architektur über Tage: Beispielhaft für das vom Bauhaus inspirierte Neue Bauen sind die Gebäude des Erzbergwerks Rammelsberg in Goslar. Die Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer entwarfen sie 1936. Bis 1988 wurde hier Erz abgebaut. Heute gibt es am Rammelsberg ein Museum und einen Besucherstollen.
Zeche Zollverein in Essen
Zum Werk der Architekten Schupp und Kremmer gehört auch die Zeche Zollverein in Essen. Errichtet wurde dieser einzigartige Industriekomplex zwischen 1927 und 1932. Heute steht die Zeche Zollverein "als Zeugnis der Blüte der Schwerindustrie in Europa" unter dem Schutz der UNESCO. 135 Jahre lang wurde hier Steinkohle gefördert, seit 1986 ist die Zeche stillgelegt.
Die Villa Tugendhat in Brünn
Die Bauhaus-Architekten exportierten ihre innovativen Ideen auch ins Ausland. 1930 wurde im tschechischen Brünn die Villa Tugendhat nach Plänen des späteren Bauhaus-Direktors Mies van der Rohes fertiggestellt. Sie war das Wohnhaus des Unternehmer-Ehepaars Tugendhat. Die Villa gilt als Meilenstein moderner Architektur und ist UNESCO-Welterbe.
Die Weiße Stadt in Tel Aviv
Nach Hitlers Machtergreifung 1933 flohen zahlreiche Juden nach Palästina, unter ihnen auch Bauhaus-Absolventen. Für die vielen neuen Einwanderer musste bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. In Tel Aviv entstand zwischen 1933 bis 1948 die Weiße Stadt, ein Viertel mit mehr als 4000 Gebäuden, entworfen vor allem von deutschstämmigen Juden. Auch die Weiße Stadt zählt zum Erbe der Menschheit.
Le Corbusier-Bauten in Stuttgart
Deutschlands jüngstes Welterbe (2016) sind zwei Wohnhäuser der Weißenhofsiedlung in Stuttgart, einer Wohnanlage im Stil des Neuen Bauens. Gestaltet hat die beiden Häuser 1927 der schweizerisch-französische Architekt Le Corbusier, dessen Gesamtwerk von 17 Bauten in sieben Staaten Welterbe ist. In der Weißenhofsiedlung haben auch Mies van der Rohe und Walter Gropius gewirkt.
Nominiert: die Bundesschule Bernau
Die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bernau bei Berlin wurde 1930 fertiggestellt. Entworfen haben das Gebäude der zweite Bauhaus-Direktor Hannes Meyer und sein Partner Hans Wittwer. Realisiert wurde es von der Bauabteilung des Bauhauses. Die Bundeschule Bernau ist als Welterbe nominiert und soll die Bauhaus-Stätten Weimar und Dessau erweitern.
Mehr Bewerber: die Laubengang-Häuser in Dessau
Auch in Dessau gibt es Bewerber für den Welterbe-Status: die so genannten Laubenganghäuser im Stadtteil Törten. Entstanden sind die fünf Wohnblocks unter Leitung von Bauhaus-Direktor Hannes Meyer. Ob sie und die Bundesschule Bernau zukünftig das Gütesiegel "UNESCO-Weltkulturerbe" tragen dürfen, entscheidet sich bei der Welterbe-Konferenz, die vom 2. bis 12, Juli im polnischen Krakau stattfindet.