1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Werner Herzog mit Ehrenpreis ausgezeichnet

Jochen Kürten
19. Januar 2018

Er ist der Abenteurer des deutschen Kinos. Unvergesslich sind seine Filme mit Klaus Kinski. Jetzt bekommt der in München geborene Regisseur Werner Herzog den Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten.

https://p.dw.com/p/2jBz9
Werner Herzog
Bild: picture-alliance/dpa/M. Nikelski

Ausgerechnet der in der bayerischen Provinz aufgewachsene Werner Herzog hat in den vergangenen Jahren sogar in Hollywood Fuß fassen können. Sieht man einmal von eher kommerziell orientierten deutschen Regisseuren wie Roland Emmerich ab, dürfte Herzog der in den USA inzwischen erfolgreichste deutsche Filmemacher sein - zumindest aus künstlerischer Sicht. Jetzt bekommt der 75-Jährige den Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten.

Herzog und die großen Stars von Hollywood

Herzog arbeitete in den letzten Jahren mit Superstars wie Eva Mendes und Nicole Kidman, mit Nicolas Cage, Willem Dafoe und Christian Bale zusammen. Dass der Regisseur Millionenprojekte mit solchen Hollywoodgrößen stemmen konnte, ohne sich dabei dem traditionellen Studiosystem der US-Filmindustrie zu beugen, gehört zu Herzogs Erfolgsgeheimnissen. Doch der Name Werner Herzog hat inzwischen einen ausgezeichneten Ruf, ist zu einer Marke geworden. Auch wenn nicht alles Gold war, was Herzog gerade in den letzten Jahren drehte.

Herzog mit Nicole Kidman bei der Berlinale 2015. Kidman hat ihren Arm um Herzog gelegt. (Foto: Reuters/H. Hanschke)
Mit den Stars auf Du und Du: Herzog mit Nicole KidmanBild: Reuters/H. Hanschke

Doch irgendwie passt dieser Erfolg in Hollywood auch wieder zu seiner von Überraschungen gepflasterten Karriere. Herzog ist neben Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders und Volker Schlöndorff der bekannteste Regisseur der Generation des Neuen Deutschen Films. Die hatte in den 1960er Jahren begonnen, den verkrusteten und künstlerisch armseligen deutschen Film umzukrempeln. Herzog war auch damals schon ein Individualist, keiner, der sich irgendeiner Gruppe unterordnete. Er war niemals ausschließlich Cineast.

Werner Herzog: ein Autodidakt

Noch heute verweist Werner Herzog darauf, dass ihn Kindheitserlebnisse wesentlich mehr geprägt hätten als das Kino als Kunstform. So erzählt er gerne, dass ihn als Kleinkind das von Bomben getroffene, brennende Rosenheim zutiefst beeindruckt habe. Dass es Filme und das Kino gab, habe er hingegen erst als Jugendlicher erfahren.

Herzog ist ein Autodidakt, der mit Kurzfilmen begann und in jungen Jahren seinen ersten langen Spielfilm drehte. Schon "Lebenszeichen" (1968), die Geschichte von drei Wehrmachts-Soldaten auf einer griechischen Insel, verwies auf typische Themen seiner späteren Werke. Menschen in Ausnahmesituationen, die Nähe seiner Protagonisten zum Wahnsinn, der Einfluss der Natur auf die Seelenkonstellation der Figuren. Auch seine Kaspar Hauser-Verfilmung "Jeder für sich und Gott gegen alle" (1974) griff diese Motive auf.

Film von Werner Herzog: Szene aus "Jeder für sich und Gott gegen alle"
Früher Erfolg: "Jeder für sich und Gott gegen alle"Bild: picture-alliance / KPA

Herzog & Kinski: Traumpaar des deutschen Films

Einem größeren Publikum bekannt wurde der Regisseur dann durch seine Zusammenarbeit mit dem exzentrischen Schauspieler Klaus Kinski. Mit ihm drehte er fünf Filme, unter anderem das Remake der Vampir-Saga "Nosferatu" und die Georg Büchner-Adaption "Woyzeck" (beide 1979). Mit Kinski reiste er für "Aguirre, der Zorn Gottes" (1972) und "Fitzcarraldo" (1982) nach Südamerika und erzählte dort Geschichten von Eroberern, Soldaten und am Rande des Wahnsinns agierenden Kolonialisten.

Legendärer Dreh: Für "Fitzcarraldo" wurde ein Berg bezwungen

Legendär waren stets auch die Berichte von den Dreharbeiten, die in seine deutsche Heimat drangen. Nicht nur die heftigen Auseinandersetzungen mit seinem Star Klaus Kinski, auch die von Unfällen und millionenschweren Verzögerungen geprägten Arbeiten am Set regten die Phantasie der Kritik und der Zuschauer an. Für "Fitzcarraldo" ließ er ein historisches Schiff nachbauen und es von Menschenhand über eine Bergkuppe ziehen. Auch das ein Ausdruck seines Regiestils: Herzog war nie ein Mann des Studios, sondern ein Regisseur, der seine Themen vor Ort exzessiv durchlebte.

Filmstill aus Werner Herzogs "Fitzcarraldo" mit Claudia Cardinale (r.) und Klaus Kinski daneben. (Foto: picture alliance / United Archives/IFTN)
Immer noch Herzogs bekanntestes Werk: "Fitzcarraldo" mit Claudia Cardinale und Klaus Kinski (Mitte)Bild: picture alliance / United Archives/IFTN

Nach dem Tod Kinskis wurde es zunächst stiller um Herzog. In Deutschland erlahmte das Interesse an seinen Arbeiten. Herzog tauchte in der öffentlichen Wahrnehmung kaum noch auf - auch weil er für einige Jahre keine Spielfilme mehr drehte, sich auf Operninszenierungen konzentrierte. Dabei verging auch in den 1990ern fast kein Jahr, in dem der gebürtige Münchener nicht zumindest einen Film machte - vor allem aber Dokumentationen über Landschaften oder skurrile Charaktere. Herzog hatte immer die Gabe, seinen ganz eigenen Blick auf Geschehnisse am Rande der Gesellschaft und der zivilisierten Welt zu richten.

Aufsehenerregende Film-Schauplätze

Herzogs Filme dieser Zeit waren jedoch alles andere als klassische, "realistische" Dokumentationen. Schon die Titel - "Glocken aus der Tiefe", "Echos aus einem düsteren Reich" oder "Lektionen in Finsternis" - deuteten an, worum es ihm ging. Herzog reiste um die Welt und nahm seine Kameras mit, um unter der Erde zu filmen, in Höhlen, unter dem ewigen Eis, auf brennenden Ölfeldern, in der Wüste, im Hochgebirge. Das eröffnete ihm ganz neue Räume und Blicke - auf Menschen und auf unsere Welt.

Herzog setzte sich in den USA durch

Ebenso überraschend wie sein Pendeln zwischen den verschiedenen Stil- und Genreformen des Kinos war dann sein Engagement in Hollywood. Dass ausgerechnet der manchmal verschroben auftretende Individualist und Bayer Herzog einmal dauerhaft in der kommerziell geprägten Filmnation USA drehen sollte, damit hatte niemand gerechnet. Zwar entstanden seine Produktionen außerhalb der großen Studios, doch auch sie wurden mit vielen Millionen Dollar und bekannten Hollywoodgrößen realisiert.

Nicolas Cage und Eva Mendes in "Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen" (Foto: AP)
Nicolas Cage und Eva Mendes in "Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen"Bild: AP

In Hollywood gelang Herzog eine kaum für möglich gehaltene Gratwanderung. Er produzierte klassische Genreunterhaltung mit individueller Note ("Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen") ebenso wie schockierende Dokumentationen über schwierige Themen ("On Death Row", Interviews mit Todeskandidaten). Mit seinen letzten beiden Spielfilmen, dem Wüstendrama "Königin der Wüste" mit Nicole Kidman und "Salt and Fire" mit Veronica Ferres, hatte er allerdings kein Glück. Beide Filme überzeugten Kritik und Publikum nicht.

Sehr viel mehr Anerkennung erntete Werner Herzog hingegen mit seinen letzten Dokumentationen. 2016 fragte er in "Wovon träumt das Internet" nach der Zukunft des digitalen Wandels. Danach machte sich Herzog wieder auf eine seiner typischen Reisen - rund um den Globus zu den Vulkanen dieser Erde. Heraus kam die eindrucksvolle Dokumentation "In den Tiefen des Infernos".

Juryurteil: "Illusion und Realität befruchten sich und werden zu großem Kino."

Für seine künstlerische Lebensleistung erhält der Regisseur jetzt den Bayerischen Filmpreises 2017. Herzog habe als Autor, Dokumentarfilmer und Spielfilmregisseur ein "immenses Werk" geschaffen, hatte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im Dezember zur Begründung für den Preis gesagt. Die Jury des Bayrischen Filmpreises hob hervor, dass die Arbeiten Herzogs durchdrungen seien "von seinem einzigartigen erzählerischen Impetus, bevölkert mit schillernden und unvergesslichen Filmfiguren". Herzog sei der große Abenteurer unter den deutschen Filmemachern: "Das Dokumentarische und die Fiktion verschmelzen bei Werner Herzog. Illusion und Realität befruchten sich und werden bei ihm zum ganz großen Kino."

Mehr zu Werner Herzog und seinem Ehrenpreis in der neuen Ausgabe von KINO. Darin auch ein Bericht über den Churchill-Film "Die dunkelste Stunde" sowie ein Blick auf das neuste Schweiger/Schweighöfer-Vehikel "Hot Dog".