Bayern senkt Hürden für ausländische Pflegekräfte
25. Mai 2013Viele Sprachen sind zu hören im Bodelschwingh-Haus im fränkischen Erlangen. Ein Drittel der 110 Altenpfleger in der Einrichtung hat einen Migrationshintergrund. Damit liegt das Pflegeheim voll im Trend. Die ausländischen Pflegekräfte sollen in Deutschland fehlende Pfleger ersetzen. Eine gute Sache, sagt die Leiterin des Bodelschwingh-Hauses, Friederike Leuthe, im DW-Gespräch: "Immer mehr Menschen, die wir pflegen müssen, sind Ausländer. Sie können davon profitieren, wenn wir Pfleger aus unterschiedlichen Ländern haben, die ihre Muttersprache kennen." Doch auch, wenn manche Bewohner von Pflegeeinrichtungen von ausländischen Fachkräften profitieren können, dürfe man eines nicht vergessen: "Die Pfleger müssen bereit sein, fehlende Sprachkenntnisse zu lernen", sagt Leuthe, "und das in einem absehbaren Zeitraum."
Kommunikation und Sprache als Grundvoraussetzungen
Ein absehbarer Zeitraum, das hat das bayerische Sozialministerium nun festgelegt, sind sechs Monate. Bislang konnten ausländische Fachkräfte in bayerischen Pflegeeinrichtungen zwar arbeiten, wenn das erforderliche Sprachniveau B2, eine fließende Verständigung, noch nicht erreicht war. Wer bisher nur B1-Kenntnisse, also Grundkenntnisse vorweisen konnte, durfte aber lediglich als Hilfskraft eingestellt werden.
"Wir haben den Fachkräften die Möglichkeit eingeräumt, übergangsweise zu arbeiten, wenn sie das Niveau B1 beherrschen", sagt Ministeriumssprecher Maximilian Griebl der Deutschen Welle: "Mit der Neuerung ermöglichen wir es Pflegekräften, die mit hoher Qualifikation aus dem Ausland kommen, von Beginn an einer angemessenen Beschäftigung nachzugehen". Die Landesregierung informierte Verbände und Institutionen in der vergangenen Woche über die Neuregelung. Die Eingangsvoraussetzungen für ausländische Fachkräfte werde das bayerische Sozialministerium aber nicht senken, sagt Griebl: "Kommunikation und Sprache sind die Grundvoraussetzungen für eine gute Pflege, wobei auch die zunehmende Zahl von Pflegebedürftigen mit Migrationshintergrund zu berücksichtigen ist."
Kritik von Pflegern im Internet
Nicht alle sind von der Neuerung begeistert. Auf der Social-Media Plattform Facebook diskutieren Altenpfleger und sind sich einig: Man könne nicht in einem deutschen Pflegeheim arbeiten, ohne sich anständig mit den Senioren verständigen zu können. "Stell dir vor, du brauchst Pflege und keiner versteht dich", schreibt einer. Auch Friederike Leuthe vom Bodelschwingh-Haus ist klar: "Ich kann nicht von einem alten Menschen erwarten, dass er Englisch kann, oder Griechisch, oder Italienisch, oder Spanisch." Kai A. Kasri, der Landesvorsitzende des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) ist dagegen froh über die Entscheidung des Ministeriums: "Wir hatten bislang keine Spielräume, weil das Sprachniveau B2 schon sehr hoch ist", sagt er im DW-Gespräch. "Zu den Konditionen, die wir den gut qualifizierten Kräften bisher bieten konnten, wollten sie natürlich nicht arbeiten."
Bisher lernten Pfleger aus dem Ausland in Bayern berufsbegleitend Deutsch. Nachdem sie den B2-Test bestanden hatten, durften sie ihren Aufgaben als examinierte Pfleger nachkommen und eine Gehaltsstufe höher rücken. Was Kasri stört, ist die Zeitspanne von sechs Monaten bis zur Deutschprüfung. Die sei zu knapp. Nicht jeder könne das schaffen. "Sechs Monate sind sehr ehrgeizig, wenn man überhaupt keine Vorkenntnisse in der deutschen Sprache hat."
Die Pfleger müssen die Sprache auch lernen wollen
Damit das neue System fruchtet, muss der ausgebildete Pfleger gewillt sein, Deutsch zu lernen. Da sieht Friederike Leuthe ein Problem: "Wenn der Arbeitsplatz erst einmal da ist, lässt das Engagement die Sprache zu lernen nach." Zu weiteren Problemen könnte nach Meinung des bpa der Sprachtest des Goethe-Instituts führen, der nicht die nötigen Qualifikationen für Pflegekräfte abfragen würde. "In Hessen gibt es da eine schönere Regelung", sagt Kai A. Kasri. Dort müssen Fachkräfte nicht als Hilfskräfte einsteigen. Sie dürften schon mit der B1-Qualifikation in den Einrichtungen in ihrem erlernten Beruf arbeiten. "Damit die Tätigkeit möglich ist, nimmt man aber noch ein fachsprachliches Curriculum und bringt den Kollegen gezielt Begriffe bei, die sie für ihre tägliche Arbeit in dieser Branche brauchen", erklärt Kasri. Damit sei Hessen zum Vorreiterland geworden. "Ich finde das eine wirklich tolle Lösung."
Dennoch glaubt er, dass nun mehr Ausländer in deutsche Pflegeberufe kommen werden: "Wir können die Kollegen nun schließlich genauso gut bezahlen, wie unsere deutschen Mitarbeiter." Die Fachkräfte, die überwiegend aus Südeuropa kommen, wie Kasri erkärt, werden nach wie vor dringend benötigt. "Zwar haben wir in diesem Jahr viele Auszubildende, die wir übernehmen können, wir sind aber immer wieder massiv vom Fachkräftemangel betroffen", erklärt Friederike Leuthe.
Kaum brauchbare Alternativen
Eine Lohnerhöhung, um auch im eigenen Land Fachkräfte zu rekrutieren, hält Leuthe nicht für nötig. "Unsere Auszubildenden bekommen im ersten Jahr 900 Euro brutto, wenn sie ausgelernt sind, sind es etwa 2500", sagt sie. Perspektiven, die für junge Leute alles andere als unattraktiv seien. Auch den Berufseinstieg für Quereinsteiger zu erleichtern, sei zumindest in ihrer Einrichtung nicht nötig: "Ich stelle sehr gerne Menschen ein, die vorher in ganz anderen Berufen gearbeitet haben." Die Altenpflege müsse sich nach außen positiv präsentieren. "Wir müssen zeigen, dass wir in einem attraktiven Beruf arbeiten, denn das ist er mit Sicherheit", erklärt sie. Wenn für junge Menschen deutlicher werde, wie interessant die Arbeit als Pfleger sei, werde es in den kommenden Jahren auch wieder mehr Fachkräfte geben.