Bayern-Teamgeist gegen Ronaldo & Real
24. April 2018"Wille kann Berge versetzen", verkündete Bayern-Trainer Jupp Heynckes, der "sehr optimistisch" in das "Gigantenduell" seines Klubs mit Real Madrid geht (an diesem Mittwoch um 20.45 Uhr MESZ ab 20.30 Uhr im DW-Liveticker). "Für mich gibt es keinen Favoriten, obwohl ich ein gutes Gefühl habe", sagte Heynckes. "Wir sind in einer ähnlichen Situation wie 2013." Damals erreichten die Bayern durch einen Halbfinal-Erfolg gegen den FC Barcelona das Finale und gewannen im Wembley-Stadion gegen Borussia Dortmund.
Seitdem war die Champions League kein erfolgreiches Pflaster mehr für den deutschen Rekordmeister: Viermal nacheinander scheiterten die Bayern zuletzt kurz vor dem Ziel an spanischen Mannschaften. 2014 und im vergangenen Jahr war Real Madrid die Endstation. Allerdings hießen die Trainer damals Pep Guardiola und Carlo Ancelotti. Mit Heynckes dagegen kamen die Bayern 2012 und 2013 ins Endspiel. "Der Trainer gibt uns ein gutes Gefühl. Und da er immer ins Finale kommt, wissen wir hoffentlich, in welche Richtung es gehen wird", sagte Jerome Boateng.
Jedoch: Die Fehlschläge gegen spanische Teams und die Dominanz der Königlichen aus Madrid in der Champions League in den vergangenen Jahren haben die Verhältnisse, die früher einmal zwischen den Bayern und Real herrschten, umgedreht. Bis vor ein paar Jahren sprachen die Spanier von den Münchenern noch ehrfürchtig, ja fast ein bisschen ängstlich, von der "bestia negra", der "schwarzen Bestie", die alles verschlingt und nicht zu stoppen ist. Doch Real ist in der Königsklasse mittlerweile das Maß aller Dinge. Drei Titel in den vergangenen vier Jahren sprechen eine deutliche Sprache.
Real ist Favorit - und doch verwundbar
"Wenn du zweimal in Folge die Champions League gewonnen hast, bis du Favorit", sagte Torjäger Robert Lewandowski zur Rollenverteilung. Aber der Glaube und die Hoffnung, dass sich mit "Don Jupp" das Triumphjahr 2013 wiederholen lässt, ist in München weit größer als der große Respekt vor Real und seiner Tormaschine Cristiano Ronaldo. "Das Spiel kommt zur rechten Zeit. Es liegt was in der Luft", tönte Bayern-Kapitän Thomas Müller: "Wir wollen jetzt durchziehen, Vollgas geben, rackern und das Ding holen."
Dass Real verwundbar ist, hat die 1:3-Heimniederlage gegen Juventus Turin im Viertelfinal-Rückspiel bewiesen, als der Titelverteidiger wankte. Schon die gesamte Saison der Madrilenen in der Primera Division verläuft nicht nach Plan. Doch in der Champions League waren Ronaldo und Co. immer dann hellwach und scheinbar unbezwingbar, wenn es um alles ging. Besonders der Portugiese sticht mit seinen Leistungen heraus: In den bisherigen zehn Saisonspielen in der Champions League traf er beeindruckende 15 mal.
Die zentrale Frage lautet daher: Wie ist Ronaldo zu stoppen, der beim Viertelfinal-K.o. der Bayern im Vorjahr fünf der sechs Real-Treffer erzielte? "Er ist ein unglaublicher Athlet, es geht nur zusammen im Team", sagte Innenverteidiger Boateng und ergänzte: "Das ist ein Weltklassestürmer, der sehr schwer zu verteidigen ist. Aber ich freue mich immer darauf, gegen ihn zu spielen."
Robben: "Dürfen nicht ängstlich sein"
Auch Heynckes' Credo heißt Teamgeist. "Die Champions League gewinnt die Mannschaft, die am homogensten ist und den optimalen Fußball spielt." Für ihn sind das seine Bayern. Höchste Wertschätzung äußerte Heynckes für Real und auch Zinedine Zidane, gegen den er in seinem letzten Champions-League-Spiel auf deutschem Boden erstmals antritt: "Das ist ein Vorzeigetrainer."
Taktisch wird sich Heynckes, der in der Bundesliga zuletzt sehr offensiv angetreten ist, etwas einfallen müssen. Zu große Lücken im defensiven Mittelfeld kämen dem herausragenden Madrider Mittelfeld mit Toni Kroos, Casemiro, Luka Modric und Isco sehr entgegen. "Wir erwarten eine sehr hungrige und heiße Bayern-Mannschaft. Ich glaube, dass sie ein Stück besser in Form sind als letztes Jahr, da hatten sie personelle Probleme", sagte Kroos, der bis 2014 Bayern-Profi war. "Ich habe das Gefühl, dass sie topfit sind, unter Jupp Heynckes besser spielen, deutlich homogener. Es ist eine gute Stimmung in der Mannschaft, im ganzen Verein. Wir sind da, um das zu ändern."
Der verletzungsbedingte Ausfall von Kämpfer Arturo Vidal schmerzt die Bayern. So wird vornehmlich Javi Martinez die Aufgabe zukommen, den Laden zentral dicht zu halten. Daneben könnte Heynckes einen weiteren defensiven Mittelfeldspieler abstellen - möglicherweise Corentin Tolisso, der nach einer Schienbeinprellung wieder mittrainierte.
Da bei Real nicht nur das Mittelfeld, sondern auch die beiden Außenverteidiger Dani Carvajal und Marcelo sehr offensiv spielen, werden Bayerns Flügelspieler Franck Ribéry und Arjen Robben viel nach hinten arbeiten müssen. "Real Madrid ist im Kontern ganz gefährlich. Da müssen wir aufpassen", mahnte Robben. Der Holländer fordert nach den bitteren Erfahrungen des Vorjahres einen mutigen Heimauftritt: "Der größte Fehler letztes Jahr war das Hinspiel. Da haben wir ein bisschen ängstlich gespielt. Das darf nicht wieder passieren."