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"Westliche Botschaften sollten Homosexuelle aufnehmen"

Friedel Taube28. Dezember 2014

Berufungsprozess in Kairo: Ein ägyptisches Gericht hat die Haftstrafe für acht Männer gesenkt, die angeblich einer Schwulen-Hochzeit beigewohnt haben. Der Grünen-Politiker Volker Beck fordert den Westen zum Handeln auf.

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Volker Beck - Foto: Karlheinz Schindler (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Karlheinz Schindler

Deutsche Welle: Ein Berufungsgericht in Ägypten hat am Samstag die umstrittene Haftstrafe für acht junge Männer reduziert, die wegen ihrer angeblichen Teilnahme an einer Schwulen-Hochzeit verurteilt worden waren. Allerdings hob das Gericht die Haftstrafe nicht komplett auf, die Männer müssen für ein Jahr ins Gefängnis. Ursprünglich waren sie wegen der "Veröffentlichung unzüchtiger Aufnahmen" zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Herr Beck, das Strafmaß wurde reduziert. Was halten Sie von dem Urteil?

Volker Beck: Es zeigt sich in letzter Zeit, dass die Führung in Ägypten seit dem Sturz des islamistischen Regimes versucht, beim Thema Homosexualität zu zeigen, dass sie genauso islamistisch und homophob sein kann, wie die Vorgängerregierung. Die Gerichtsurteile sind völlig unverhältnismäßig. Und sie entbehren einer rechtlichen Grundlage in Ägypten, da Homosexualität dort per se nicht strafbar ist.

Hat sich seit dem Putsch gegen die Muslimbruderschaft durch Abdel Fattah al-Sisi denn wirklich gar nichts zum Positiven geändert?

Ich habe den Eindruck, dass die Zahl der zumindest von der Presse berichteten Strafverfolgungsmaßnahmen eher angestiegen ist gegenüber der Zeit zuvor. Offenbar möchte man der eigenen Bevölkerung und den Anhängern der Muslimbrüder zeigen, dass man ein islamisch orientiertes Regime ist und es mit der Konkurrenz von der islamistischen Seite durchaus aufnehmen kann.

Wie ist es generell um die Freiheit Homosexueller in Ägypten bestellt?

Homosexualität ist ein völliges Tabu. Schwule und Lesben sind nicht geschützt, sondern staatlicher Verfolgung ausgesetzt. Die Situation ist sehr schlecht.

Wie sollte die Bundesregierung auf solche Urteile reagieren?

Die Bundesregierung sollte der ägyptischen Regierung auf jeden Fall klarmachen, dass diese Menschenrechtsverletzungen von uns sehr kritisch gesehen werden. Es muss klar sein, dass man es nicht akzeptiert, dass das jetzige Regime meint, mit dem Argument, die Islamisten befürchten zu müssen, einen Freifahrtsschein für Menschenrechtsverletzungen zu haben.

Was können Menschenrechtsorganisationen gegen die Verfolgung Homosexueller tun? Wie sollen sie nach Ägypten hinein wirken?

Man kann hier nur versuchen, Öffentlichkeit zu schaffen. Man muss Ägypten daran erinnern, dass sie Unterzeichner des UN-Zivilpakts sind und mit solchen Verfahren die Grundsätze massiv verletzen, die sie selbst für ihren Staat durch Unterzeichnung der entsprechenden UN-Dokumente akzeptiert haben.

Tourismus ist eine Haupteinnahmequelle für Ägypten. Hat ein homosexuelles Paar, beispielsweise aus Berlin, während des Urlaubs am Roten Meer etwas zu befürchten?

In einem Land, in dem Homosexualität verfolgt wird und in dem staatliche Willkür an der Tagesordnung ist, kann man nicht sagen: Das ist ein sicheres Land, wo man ruhig und gelassen Urlaub machen kann.

Was erwarten Sie für die kommenden Wochen und Monate? Wird sich die Situation Homosexueller in Ägypten vielleicht sogar noch verschärfen?

Das ist schwer von außen zu beurteilen. Auf jeden Fall sollten die westlichen Staaten, die Einfluss auf Ägypten haben, wie die USA, deutlich machen, dass sie für dieses Vorgehen kein Verständnis haben und ein solches Regime auch nicht mit Unterstützung rechnen kann.

Westliche Staaten sollten sich überlegen, ob sie Menschen, die verfolgt werden, aktiv über die Botschaft aufnehmen und retten. Das ist eine prekäre Situation, in der jeder eventuell um Leben und Freiheit fürchten muss.

Wie stellen Sie sich das praktisch vor? Soll etwa die deutsche Botschaft in Kairo ihre Tore öffnen?

Es gab in der Vergangenheit immer mal wieder Maßnahmen von Botschaften, wo man Menschen, die akut gefährdet sind, außer Landes gebracht hat. Eigentlich kann man Homosexuelle nur in Europa oder den USA unterbringen, da auch die Nachbarländer oft nicht sicher sind. Der sonst übliche Weg bei Oppositionellen, sie in Nachbarländer zu bringen, kann hier nicht das Mittel der Wahl sein.

Volker Beck sitzt seit 1994 für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Seine Schwerpunkte sind Innenpolitik und Menschenrechte. In den 1990er Jahren setzte er sich für die Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes für homosexuelle Paare ein, das 2001 in Kraft trat.

Das Gespräch führte Friedel Taube.