Bedrohte Riesen
22. Juni 2009Wale sind Säugetiere, so wie der Mensch. Aber irgendwann in der Entwicklungsgeschichte gingen die Vorfahren der Wale wieder vom Land ins Meer zurück. Und in Jahrmillionen hat sich ihr Körperbau perfekt an die Umgebung angepasst. Kein Wunder also, dass sie rein äußerlich ihren Nachbarn, den Fischen, sehr ähnlich sind. Aber wie wir Menschen haben sie Lungen und atmen Luft. Und müssen also in regelmäßigen Intervallen an die Wasseroberfläche kommen, wie hier dieser Buckelwal.
Die kleinsten der etwa 80 Walarten haben eine Körperlänge von 1,5 Metern. Der Blauwal hingegen ist nicht nur das größte lebende Tier; er steckt auch mit einer Länge bis zu 33,5 Metern und einem Gewicht von bis zu 200 Tonnen die in Sachen Größe einzigen ernstzunehmenden Konkurrenten aus der Erdgeschichte, die Dinosaurier, noch locker in die Tasche.
Der Buckelwal ist mit durchschnittlich 13 Metern Länge deutlich kleiner. Auch er ernährt sich wie die anderen Bartenwale hauptsächlich von Plankton und Krill.
Auch das Gehirn der Wale ist groß, aber das ist noch kein zwangsläufiger Beleg für besondere Intelligenz. Fest steht, dass sie ein hoch entwickeltes Sozialverhalten haben, dass sie mit ihrem Gesang und mit Klicklauten kommunizieren, dass sie in bestimmten Lebensräumen bestimmte kulturelle Angewohnheiten entwickeln und diese dann an ihren Nachwuchs weitergeben.
In Gefangenschaft erlernen Wale und Delfine akrobatische Kunststücke oder lassen sich für bestimmte Aufgaben abrichten, viele Wale dulden Menschen im Wasser in ihrer Nähe. Und so fühlen sich wiederum viele Menschen zu den Meeressäugern hingezogen. In der Gegenwart wie in der mythologischen Überlieferung, von den Gründungssagen der Maori in Neuseeland bis hin zur Bibel.
Andererseits ist die Beziehung von Mensch zu Wal aber auch sehr viel pragmatischer: Seit der Mensch technisch in der Lage ist, Wale zu jagen, ist er der grösste und im Grunde auch einzige Feind der Meeressäuger. Der Walfang war jahrhundertelang ein immens wichtiger Wirtschaftsfaktor. Mit den primitiven Methoden der Anfangszeit - hier auf dem Bild die Expedition von James Cook -gingen die Walfänger nicht nur hohe eigene Risiken ein, sie gefährdeten auch nicht ernsthaft das Überleben der gejagten Arten.
Das änderte sich mit dem Fortschritt der Technik, mit dem Aufkommen von Harpunenkanone und Dampfschiff. Und längst ging es bei der modernen Waljagd nicht mehr primär darum, das Fleisch der Tiere zu essen: Von den Korsett-Stäben aus Fischbein bis hin zur Nitroglycerin-Herstellung, ein Wal war eine gigantische schwimmende Rohstoff-Ressource, geradezu unersetzlich zumindest in der vorindustriellen Zeit.
Das hat sich allerdings mit den Möglichkeiten der modernen Chemie völlig verändert. Wale werden als Rohstoff-Lieferant nicht mehr gebraucht. Damit wäre die Zeit gekommen, die stark zurückgegangenen Bestände nicht weiter zu gefährden. Das sehen auch viele Mitgliedstaaten in der Internationalen Walfangkommision IWC so, in der Fangquoten und Schutzzonen festgelegt werden. Bei der letzten Tagung 2007 wurde das Verbot der kommerziellen Jagd auf Großwale bestätigt. Es wird allerdings von Island und Norwegen weiterhin nicht anerkannt.
Auch Japan leistet hartnäckigen Widerstand. Die Asiaten setzen Jahr für Jahr ihren wissenschaftlichen Walfang fort; wobei allerdings nicht klar ist, welche Erkenntnisse dabei gewonnen werden sollen. Die eigentliche Motivation dürfte wie in den anderen klassischen Walfangnationen in der noch bestehenden Fang- und Verarbeitungsindustrie liegen, die sonst abgewickelt werden müsste. Speziell in Japan sind aber auch altehrwürdige Traditionen im Spiel.
Das ist umso skurriler, als selbst die Japaner kaum noch Walfleisch essen. Bis in die 1960er Jahre war das Fleisch die wichtigste Proteinquelle im Land und auch wesentlicher Bestandteil der Schulspeisungen. Die Schüler auf dem Foto hingegen dürften wie ihre erwachsenen Mitbürger keinen großen Appetit mehr auf Walfleisch haben: Der statistische Pro-Kopf-Verbrauch ist jedenfalls auf einen Wert von 40 Gramm pro Jahr zurückgegangen.
Trotzdem zieht Japan politisch alle Register: Es zahlt offensichtlich Geld an Entwicklungsländer, um neue Mitglieder in die IWC zu holen und die Fraktion der Walfang-Befürworter stärken. Vielleicht auch deswegen sind die Japaner Lieblingsgegner der Walschützer, die immer wieder in spektakulären Aktionen versuchen, die Fangschiffe zu behindern. Wie hier auf dem Foto, wo "Greenpeace"-Aktivisten im Jahr 2008 das Betanken der "Nisshin Maru" zu stören versuchen.
Bei der IWC-Konferenz 2009 befürchten die Walfanggegner einen Kuhhandel: Ein umstrittenes Kompromisspaket sieht vor, für weniger wissenschaftlichen Walfang mehr Küstenwalfang zu genehmigen. Das würde den kommerziellen Fang durch die Hintertür wieder einführen und vor allem zulasten von Kleinwalen und Delfinen gehen, sagen die Kritiker.
Ohnehin kommen von den kleineren Walen und Delfinen jedes Jahr hunderttausende in Fischernetzen und bei Schiffskollisionen ums Leben, anderen Arten macht die globale Erwärmung zu schaffen. Die Walschützer fordern einen radikalen Schlussstrich bei der aktiven Bejagung, aber der ist nicht in Sicht - auch nicht für diese Buckelwale im Lynn Canal in Alaska.
Im Film "Star Trek" ("Raumschiff Enterprise") IV droht unser Heimatplanet im 23. Jahrhundert vernichtet zu werden, weil die Signale einer rätselhaften fremden Sonde an eine irdische Intelligenz nicht beantwortet werden: Die Sonde versucht nämlich, wie sich herausstellt, mit Buckelwalen Kontakt aufzunehmen. Und leider sind die Wale im 21. Jahrhundert ausgestorben ...
Beim "Raumschiff Enterprise" gibt es den Warp-Antrieb und die Möglichkeit der Zeit-Reise, um verschwundene Tierarten wieder hervorzuzaubern. In der Realität geht das wohl bis auf weiteres nicht...
Realisation: Michael Gessat
Redaktion: Judith Hartl