NSU: Befangenheitsanträge abgewiesen
10. Mai 2013Es gebe keine berechtigten Zweifel an der Unparteilichkeit der Richter, heißt es in ähnlicher Form in den beiden Beschlüssen. Zschäpes Verteidiger hatten ihr Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl damit begründet, dass Götzl eine Durchsuchung auch aller Verteidiger vor jedem Prozesstag angeordnet hat - im Gegensatz etwa zu den Vertretern der Bundesanwaltschaft. Das sei eine bewusste Diskriminierung. Das Gericht sieht darin keinen Grund für eine Befangenheit: Es gebe sachliche Gründe für die Differenzierung.
Zuvor hatte das Oberlandesgericht bereits einen Befangenheitsantrag gegen drei Richter des Staatsschutzsenats zurückgewiesen. Der im Namen des Angeklagten Ralf Wohlleben gestellte Antrag sei nicht begründet, hieß es. Es lägen keine berechtigten Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richter vor. Wohllebens Verteidiger hatten ihr Ablehnungsgesuch unter anderem damit begründet, dass das Gericht keinen dritten Pflichtverteidiger für den ehemaligen NPD-Funktionär bestellt hatte.
Am ersten Verhandlungstag im Prozess gegen die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrunds" (NSU) hatten die Verteidiger Wohllebens und Zschäpes Befangenheitsanträge gestellt. Daraufhin hatte das Gericht entschieden, die Verhandlung bis zur einer Entscheidung über die Anträge zu unterbrechen. Am Dienstag soll der Prozess gegen Zschäpe und vier weitere Angeklagte fortgesetzt werden. Wann die Anklage verlesen werden kann, ist noch unklar. Wohllebens Anwalt wollte sich nicht zu seinem weiteren Vorgehen äußern.
Ein beliebtes Instrument der Anwälte
Befangenheitsanträge gegen Richter gehören vor allem in größeren Strafverfahren zum Standardrepertoire der Verteidigung. Nach Paragraf 24 der Strafprozessordnung kann ein Richter "wegen Besorgnis der Befangenheit" abgelehnt werden, wenn "ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen".
Das Recht zur Ablehnung haben die Staatsanwaltschaft und der Beschuldigte. Ein Grund kann das Verhalten des Richters vor und während eines Verfahrens sein - zum Beispiel, wenn Zweifel an seiner Objektivität aufkommen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der jeweilige Richter tatsächlich parteiisch oder befangen ist. Es reicht aus, dass ein Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Über den Befangenheitsantrag entscheidet das Gericht ohne den betroffenen Richter.
Kauder mahnt zur Zurückhaltung
Kurz vorher hatte Unionsfraktionschef Volker Kauder an Anwälte und Öffentlichkeit appelliert, beim laufenden NSU-Prozess "das Gericht in aller Ruhe seine Arbeit machen" zu lassen. In einem Video-Interview der "Leipziger Volkszeitung" sagte Kauder, er selbst erhoffe sich von dem Verfahren gegen Beate Zschäpe und Mitangeklagte "Gerechtigkeit, und dass es dem Gericht gelingt, tatsächlich die Frage zu klären, in welchem Umfang Frau Zschäpe an den ganzen Dingen beteiligt war". Er wisse, dass viele der Opfer von dem Verfahren nicht nur ein Urteil über Frau Zschäpe erwarteten, "sondern dass sie auch Aufklärung darüber bekommen, warum das alles hat passieren können" und warum Sicherheitsbehörden versagt hätten. "Das wird das Gericht aber so nicht leisten können", meinte Kauder.
In dem Prozess müssen sich neben Zschäpe vier mutmaßliche Helfer des NSU verantworten. Zschäpe soll mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die Terrororganisation NSU gebildet haben. Die Neonazi-Gruppe wird für zehn Morde zwischen 2000 und 2007 verantwortlich gemacht. Neun der zehn Opfer haben türkische oder griechische Wurzeln. Das zehnte Opfer war eine deutsche Polizistin.
kle/sti (dpa, afp, rtr)