Windows zum Wischen
26. Oktober 2012Es musste etwas passieren im Hause Microsoft: Das Betriebssystem Windows wirkte trotz netter Upgrades angesichts der schicken Oberflächen auf Tablets, Smartphones und den Lifestyle-Notebooks von Apple etwas angestaubt. Während trendige User nur noch auf Displays und Trackpads herumwischten, musste bei Windows noch geklickt werden.
Damit ist jetzt Schluss. Windows 8 kommt in völlig neuer Optik daher. Kacheln auf dem Bildschirm, keine Programm-Icons mehr, mit denen man sich den Desktop zumüllt. Die Kacheln haben nette Farben, und dahinter stecken keine "Programme" mehr, sondern "Apps", selbstverständlich ist das kein Zufall, man spricht ja auch kaum noch von "Nutzern", sondern von "Usern".
In den Kacheln bewegt sich ständig etwas; man sieht, ob neue Mails gekommen sind, welcher Termin gleich ansteht. In anderen Kästchen laufen Börsendaten und Wetterinfos. Gleichzeitig kann man bei eBay mitbieten, auf youtube Videos gucken, hat Facebook und Twitter im Auge.
Die Navigation ist denkbar einfach: Man fasst die kleinen Bildchen an, schiebt sie auf der Oberfläche hin und her, mit bestimmten Fingerbewegungen kann man sie vergrößern oder verkleinern, aktivieren oder deaktivieren. Schon sind im Netz viele Anleitungen zu finden, in denen die "Fensterputz"-Technik erklärt wird.
Wie neu ist das nun?
Natürlich möchte Microsoft damit gegen seine Konkurrenz auftrumpfen. Doch so innovativ es für den Software-Riesen auch sein mag: Die Wischtechnik gehört bei Apple-Computern schon lange zum Standard. 2008 brachte Apple sein erstes Notebook mit einem Multi-Touch-Trackpad heraus, das eine Steuerung ganz ohne Maus möglich machte.
Jetzt also sollen auch Windows-Computer endlich sinnlich werden. Nun, bedingt. Natürlich kann man mit dem neuen Betriebssystem keinen normalen Bildschirm zu einem Multi-Touch-Display machen. Man kann also nicht fröhlich auf seinem alten Monitor herumwischen, sobald man Windows 8 installiert hat.
Aus die Maus!
Wer einen Desktop-Computer hat, der muss sich tatsächlich extrem umgewöhnen. Die Maus kann man zwar benutzen, aber es hakt immer wieder, und – Hand aufs Herz – wie lange glauben Sie, wird man noch mit Mäusen arbeiten? Viele orakeln schon, dass die Computermaus in spätestens fünf Jahren neben Faxgerät und DvD-Player im Technik-Museum zu sehen sein wird. Da, wo schon die Video- und Kassettenrekorder stehen.
Dass Microsoft alles daran setzt, der Konkurrenz richtig wehzutun, das sieht man am Preis, mit dem das Unternehmen in ungewohnt aggressiver Weise auf den Markt rauscht: Für einen Einführungspreis von 30 Euro gibt es das Upgrade. Und das nicht nur für PCs neueren Datums. Von Windows 7 über Vista bis zu XP sollen sich die Betriebssysteme problemlos upgraden lassen.
Microsoft am Puls der Zeit angekommen
Mit Windows 8 soll auch das neue Flagschiff aus der hauseigenen Hardware-Reihe gepusht werden. Gerade ist nämlich das Microsoft-Tablet "Surface" erschienen. Das Gerät, von Microsoft als "High-End-Tablet", von Technik-Freunden auch als "Edel-Flunder" bezeichnet, soll Apples iPad zeigen, wie der Hase läuft: eine Mischung aus Tablet und Laptop, ein 16:9-Bildschirm, an den eine sehr dünne Tastatur angedockt ist, die – zugeklappt – als Displayschutz gilt, die man aber bei Betrieb auch ganz abnehmen kann. Hübsch für Leute, die nicht auf dem Monitor herumschmieren wollen, ohne auf die Optik eines Tablets verzichten zu müssen.
Ohne Zweifel: Das "Surface" ist schick - und das macht so manche Branchenpartner nervös. Samsung, Acer und andere große Player, deren Computer mit Windows laufen - jetzt auch mit Windows 8, bekommen Konkurrenz für ihre eigenen schicken Tablets und Notebooks. Doch davon darf sich Microsoft nicht beeindrucken lassen, wenn es seine Spitzenposition behaupten will. Die Zeiten der wuchtigen Desktop-PCs gehen zu Ende, die Leute wollen schlanke, mobile Geräte mit Sex-Appeal haben. Microsoft muss da mitspielen, damit es seine langjährige Vorherrschaft auf dem Software-Markt in dieses neue, stylishe Computerzeitalter hinüberretten kann.
Dass die Präsentation der frischen Microsoft-Produkte genau zwei Tage nach einer großen Apple-Show stattfand, ist sicherlich auch kein Zufall. Apple hat im Silicon Valley gerade mit dem üblichen Tamtam die neue Generation seiner MacBooks, iMacs und das iPad Mini vorgestellt. Da wollte Microsoft-Chef Steve Ballmer um nichts zurückstehen und gab in New York eine schicke Windows 8 - Releaseparty, bei der man direkt auch das "Surface" ausprobieren konnte. Das übrigens läuft nur mit Windows RT, einer abgespeckten Version von Windows 8. In wenigen Wochen aber wird es das komplette Paket geben. Wenn Windows 8 stabil läuft.
Dann wird sich auch zeigen, ob Microsoft endlich in der Lifestyle-Liga angekommen ist. Technik muss gut aussehen und sich gut anfühlen. Feinste Elektronik, verpackt in elegantem Design, ein Fest für die Sinne. Mit einem "Rechner" kann man heutzutage keinen mehr beeindrucken.