Beim Knödelkurs in Bayern
21. Mai 2013Die Autofahrt von München in den kleinen Ort Fischbachau führt durch die frühlingshafte Alpenlandschaft rund um den Schliersee. Felder, Hügel und Blätterkronen in kräftigem Grün laden zum Wandern und Radfahren ein.
Am Gasthof "Alte Bergmühle" empfängt mich die Wirtin Michaela Schmitz-Guggenbichler auf ihrer Sonnenterasse. Während neben uns ein kleiner Wildbach plätschert, erzählt sie munter von ihrem Vollzeitjob: Sie kümmert sich um die Familie, vermietet zwölf Ferienzimmer und bewirtet die Gäste. Vor acht Jahren kam ihr außerdem die Idee der Knödelseminare. "Ich eifere nicht den Sterneköchen vom Tegernsee nach. Bei uns gibt es keine Krustentiere, sondern authentische, bayerische Kost." Und wie diese zubereitet wird, möchte Michaela Schmitz-Guggenbichler gern an ihre Gäste weitergeben.
Respekt vor dem Knödel
So schwer kann das doch nicht sein, denke ich mir. Zumindest das Grundrezept für Knödel klingt simpel: Kartoffeln, Mehl und Eier zu einem Teig verarbeiten. Viele fügen Speck und Semmelbrösel hinzu, Michaela Schmitz-Guggenbichler experimentiert gern mit Chiliflocken, Knoblauch, Ingwer und Wildkräutern.
Allerdings dürfen die Teigkugeln weder im Topf zerfallen, noch wie Steine auf den Teller rollen. Als ich begreife, dass selbst die großen Köche in der Region an der Qualität ihrer Knödel gemessen werden, bekomme ich Respekt. Ob es mir wohl gelingt, schmackhafte Teigkugeln zu zaubern?
Knallende Autotüren und fröhliches Stimmengewirr beenden unser Gespräch und lassen selbst den Bach kurz verstummen. 16 Freundinnen aus dem 60 Kilometer entfernten Wasserburg haben sich zum Knödelkurs angemeldet. Normalerweise begrenzt Schmitz-Guggenbichler die Teilnehmerzahl auf acht. "Damit viel Platz für fleißige Hände bleibt." Für geschlossene Gruppen macht die Wirtin allerdings eine Ausnahme. "Das wird eine Gaudi!", sagt sie und lächelt mir vielversprechend zu.
Exotische Ingwer-Karotten-Knödel
Während die Damen in der Küche ihre Dirndl- gegen Küchenschürzen eintauschen, Trachtenschmuck ablegen und Hände waschen, stellt die Gastwirtin das Menü vor. Wir beginnen mit den Ingwer-Karotten-Knödeln. Eifrig ahmen wir nach, was die Küchenchefin demonstriert: "Tauchen Sie die Hände vorher in Wasser, sonst klebt der Teig." Zaghaft greife ich in den schmatzenden, glitschigen Teig. "Solche Knödel habe ich noch nie gemacht", wundert sich meine Nachbarin, "richtig exotisch!"
Unser Profi lüftet das erste Geheimnis: Neben der Zusammensetzung komme es auf das Timing an, sagt Schmitz-Guggenbichler. "Kartoffelknödel werden nach dem Pressen rasch verarbeitet, während Semmelknödelteig eine Weile ruhen muss." Ist notiert.
Zuletzt wird das Dessert aus angenehm kühlem, geschmeidigem Quarkteig vorbereitet: Kugeln formen, plattdrücken, auseinanderzupfen. Dann werden in den Miniplätzchen noch süße Köstlichkeiten versteckt: Erdbeeren mit Würfelzucker, Kirschen oder Nougat. "Und jetzt zuzwicken", dirigiert die Köchin, "sonst öffnen sich die Knödel im Wasser."
Die Stunde der Wahrheit
Während die süßen und herzhaften Teigbällchen im heißen Wasser ziehen, rückt der Moment der Wahrheit heran. Die Gastwirtin bittet zu Tisch - eine lange Tafel mit traditionellen Tischdecken und Blumengestecken. In Windeseile verpassen wir den Gerichten den letzten Schliff: Knödel und Suppe werden mit Gemüseraspeln und Rosmarinzweigen, das Dessert mit halbierten Erdbeeren dekoriert. Die eben noch winzigen Speckknödel und Grießnocken haben in der Suppe ihre Größe verdoppelt. Ob sie wohl schmecken?
Vorsichtig probiere ich und stelle fest: Sie zergehen förmlich auf der Zunge. Die sogenannten Kaspress-Pflanzerl - frittiert und mit angeschwitzten Zwiebelwürfeln und Bergkäseraspeln - schmecken wunderbar knusprig. Vor allem der Spinatknödel mit Feta entfaltet Suchtfaktor. Auch verführerisch duftende, in Rosmarinbutter geschwenkte Gnocchi lassen Fertigprodukte hoffnungslos erblassen. Und die Dessertkugeln, ummantelt mit braunen Butterbröseln, schmecken durch den Überraschungseffekt noch besser: "Wer hat Nugat? Tausche gegen Kirsche!" ruft eine Teilnehmerin quer über die Tafel.
Zugegeben, unter der Anleitung einer echten Profiköchin und Urbayerin konnte wenig schiefgehen. Auf unsere ersten selbstgemachten Knödel sind wir trotzdem stolz, das kleine Heft mit den Grundrezepten als Erinnerung nehmen wir dankbar entgegen. Und auch wenn nicht eindeutig überliefert ist, ob das Rezept nun tatsächlich aus Bayern stammt - oder aus einer der benachbarten Regionen Böhmen und Südtirol, in deren Küche die Knödel einen ebenso festen Platz haben. Ein Knödelkurs im bayerischen Land lohnt sich und entfaltet eine Liebe zur Region. Denn Liebe geht bekanntlich durch den Magen.