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Reise

Beim Lunchkonzert in der Philharmonie

Frederike Müller
16. Januar 2014

Die Berliner Philharmoniker gehören zu den gefragtesten Orchestern weltweit. Wer sie erleben möchte, kann sich regulär ein Ticket kaufen - oder kommt zum kostenlosen Lunchkonzert ins Foyer. Immer dienstags.

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Deutschland Musik Berliner Philharmonie
Bild: DW/F. Müller

Philharmoniker Lunchkonzert

"Einmal hier zu sein, das war mein Traum", sagt die junge Frau aus Süd-Korea und lächelt. Dabei sei sie gar kein Klassikfan. Aber als sie in ihrer Heimat gelesen hat, dass zu den Lunchkonzerten der weltberühmten Berliner Philharmoniker besonders viele Einheimische kommen, wollte sie das unbedingt einmal miterleben. Nun steht sie in der Schlange am Osteingang der Philharmonie, zwischen Berlinern und anderen Touristen, und wartet geduldig. Denn die Plätze für die kostenlosen Konzerte im Foyer sind begehrt und begrenzt: Beim 1500. Gast ist Schluss, mehr Menschen dürfen aus Sicherheitsgründen nicht hinein.

Das Foyer als Picknickwiese

Deutschland Musik Berliner Philharmonie
Genuss mit allen Sinnen: Nach dem Essen gibt es klassische MusikBild: DW/F. Müller

Um Punkt zwölf Uhr tut sich etwas, die Türen öffnen sich. Kurz darauf strömen die Menschen in das Foyer, das mehr einem Labyrinth verwinkelter Treppenaufgänge gleicht. In der Mitte der Halle steht ein Flügel, daneben etwa 50 Stühle für Menschen mit Behinderung. Während einige Senioren zielstrebig auf ihre Stammsitzplätze zusteuern, lassen sich die Touristen entspannt auf Stufen, der umlaufenden Galerie oder einfach auf dem Fußboden nieder.

Eine Gruppe Studenten aus Ohio wirkt noch ein bisschen orientierungslos. Sie halten den gelben Chip in der Hand, den jeder am Eingang als Eintrittskarte bekommen hat. Für die US-Amerikaner ist der Konzertbesuch Teil ihrer durchorganisierten Berlinreise. Da es erst um 13 Uhr losgehen soll, bleibt noch Zeit für einen kleinen Snack. An einer aufgebauten Theke kaufen sie sich einen Kaffee, für erschwingliche Preise gibt es außerdem Brezeln, Salat, aber auch warme Speisen wie Eintopf. Einige haben sich um die wenigen Stehtische verteilt, die meisten Besucher aber machen es sich auf dem Boden gemütlich: auf mitgebrachten Decken oder improvisiert auf der eigenen Jacke. Das Foyer als Picknickwiese. Mit dem steifen Klischee, das klassischer Musik zuweilen anlastet, hat das nichts zu tun.

Eine beliebte Tradition

Sir Simon Rattle und Pamela Rosenberg
Chefdirigent Sir Simon Rattle und die damalige Intendantin Pamela Rosenberg im Jahr 2005Bild: Berliner Philharmomie

Im Oktober 2007 luden die Berliner Philharmoniker zu ihrem ersten Lunchkonzert. Seitdem spielen immer andere Orchestermitglieder, oft mit Gastmusikern aus anderen Ensembles und Orchestern. Gage bekommen sie keine. Initiiert hat diese unkonventionelle Kammermusik-Reihe die damalige Intendantin Pamela Rosenberg. Die Idee brachte sie von der Londoner Oper mit. "Die Öffnung der Philharmonie war mein Hauptanliegen", erinnert sich Rosenberg. Nicht das typische Konzertpublikum, sondern alle Menschen aus der nahen Umgebung sollten kommen, etwa die Geschäftsleute vom nahen Potsdamer Platz. Sie sollten in der Mittagspause in die Philharmonie schlendern, etwas essen und klassische Musik genießen.

Philharmoniker Statement Mor Biron

Längst sind die Lunchkonzerte auch für die Musiker ein Highlight. Dabei musste Pamela Rosenberg zunächst Überzeugungsarbeit leisten: "Manche Musiker waren skeptisch. Ich glaube, sie wollten gucken, wie sich das entwickelt." Doch der Erfolg ließ schnell alle Zweifel verschwinden. Zwar strömten nicht die Businessleute der umliegenden Büros, dafür aber Hunderte Berliner Senioren, Schulklassen und Touristen in die Philharmonie. 1400 Menschen besuchen im Schnitt das Lunchkonzert.

Oft kopiert und dennoch einmalig: Die Philharmonie

Beim heutigen Konzert sind schon so gut wie alle Plätze vergeben. Kurz vor 13 Uhr ergattert schließlich ein junges Pärchen zwei der letzten Eintrittschips und setzt sich auf den Garderobentresen. Andere lehnen an Säulen und Wänden. Auf der oberen Galerie hat es sich eine Frau im Liegen auf dem Teppichboden bequem gemacht. Durch die bunt gefärbten Glasbullaugen fallen Sonnenstrahlen und verleihen dem Foyer ein weiches, fast sakrales Licht. Mitarbeiter des Hauses nennen diese wiederkehrende Kreisform auch liebevoll die "Scharoun-Bullaugen", nach dem Architekten Hans Scharoun. Als er das Gebäude 1963 der Öffentlichkeit präsentierte, setzte er neue Maßstäbe.

Philharmonie Innenansicht Konzertsaal
Der Große Saal: Frei von der Decke hängende Klangreflektoren sorgen für exzellente AkustikBild: picture-alliance/akg

Nie zuvor hatte ein Architekt das Orchester derart ins Zentrum gerückt. Bei der sogenannten Weinbergarchitektur des Konzertsaals ist das Publikum auf verschiedenen Terrassen um die gesamte Bühne herum plaziert. Das erzeugt eine besondere Nähe zu den Musikern. Die Bauweise wurde zum Vorreiter einer neuen Konzertsaal-Architektur - Tokio, Sydney und Los Angeles griffen sie auf.

Ein glückliches Publikum

Auch im Foyer hat sich das Publikum auf verschiedenen Ebenen um die Bühne herum plaziert, wo um Punkt 13 Uhr zwei Philharmoniker und eine Gastpianistin erscheinen. Applaus brandet auf. Es gibt Stücke von Mozart und Schumann. Erstaunlich wie gut der Klang von Fagott, Violoncello und Flügel überall zu hören ist.

Das Publikum lauscht konzentriert und andächtig. Pärchen halten sich eng umschlungen. Eine ältere Frau wiegt sich selbstvergessen lächelnd im Rhythmus der Musik, daneben stillt eine Mutter ihr Baby. Als nach 40 Minuten alles vorbei ist, blicken die Musiker rundum in lächelnde Gesichter. "Ich hätte auch für das Konzert bezahlt", sagt eine 16-jährige Schülerin aus Neuseeland und schwärmt, wie wunderbar sie sich beim Lunchkonzert entspannt habe.