Bekanntestes Theater Zentralasiens in Gefahr
13. Februar 2020"Dem Ilkhom-Theater droht die Schließung", teilte vor einigen Tagen das weit über die Grenzen Usbekistans und Zentralasiens hinaus bekannte Theater mit. Der neue Besitzer des Gebäudes, die Firma "Ofelos Plaza", habe das Taschkenter Theater aufgefordert, in den kommenden Wochen die Räumlichkeiten zu verlassen, in denen es seit 44 Jahren spielt. Das Gebäude solle zu einem Geschäftszentrum umgebaut werden.
Nun wendet sich das Theater an die Öffentlichkeit. Denn der Verlust der Räumlichkeiten, die einst dem Gründer des Theaters, Mark Weil, vom Staat zur Verfügung gestellt worden seien, würde das Ende des Theaters bedeuten. In sozialen Netzwerken ist bereits eine Debatte in Gang, und Vertreter des diplomatischen Korps westlicher Länder haben ihre Unterstützung für das Theater bekundet. Auch Saida Mirsijojewa, die ältere Tochter des usbekischen Präsidenten, meldete sich zu Wort. "Ich versichere, dass wir uns für unser Theater einsetzen werden! Das Ilkhom gehört zum Stolz unseres Kulturlebens", schrieb sie auf Instagram und Telegram.
Gleichzeitig trafen sich Vertreter des Theaters mit Kulturminister Osodbek Nasarbekow. Nach einem gemeinsamen Treffen mit der Vertreterin der Firma "Ofelos Plaza" erklärte diese, die Parteien hätten eine Einigung erzielt: Das Theater behalte garantiert für die nächsten zehn Jahre seine historische Spielstätte, gleichzeitig dürfe der neue Besitzer das Gebäude umbauen. Für diese Zeit müsse das Theater aber an einen vom Kulturministerium angebotenen Ort umziehen.
Unklare Baupläne und Fristen
Doch schon am nächsten Tag kündigten die Bauherren auf einer Pressekonferenz an, der Umbau werde rund zwei Jahre dauern. Vorher sei nur von etwa drei Monaten die Rede gewesen, so das Theater. Anstelle des Gebäudes mit zwei Stockwerken soll eines mit fünf oder sechs entstehen. "Das bedeutet, dass eine Baugrube ausgehoben und unser Keller zerstört wird", sagte die Direktorin des Theaters, Irina Bharat, gegenüber der DW. Die Dauer der Bauarbeiten und der Verlust der historischen Räumlichkeiten seien für die Truppe ein "doppelter Schock", so Bharat.
Die beiden oberen Stockwerke des kleinen Gebäudes neben dem Taschkenter Hotel "Shodlik Palace" sind seit einem Brand Mitte der 1990er Jahre ungenutzt. Im Erdgeschoss befinden sich Ausstellungsräume, und das Theater nutzt das Untergeschoss. Mit dem Vorbesitzer hatte es einen langfristigen unentgeltlichen Nutzungsvertrag. Später ging das Gebäude für einige Zeit wieder an den Staat und wurde dann erneut privatisiert, wodurch es in den Besitz der Firma "Ofelos Plaza" kam.
Auf der Pressekonferenz konnte der Vertreter der Firma auf die Frage von Journalisten, ob der Eigentümer die Umbaupläne und Fristen mit den Behörden bereits abgestimmt habe, nicht beantworten. Das Theater wandte sich daraufhin an die Tochter des Präsidenten, mit der Bitte um ein Treffen. Die Theatertruppe hofft aber auch, mit Druck seitens der Öffentlichkeit erreichen zu können, dass das Gebäude dem Ilkhom-Theater zur ständigen Nutzung überlassen und der jetzige Besitzer entschädigt wird.
Das Ilkhom-Theater - eine Erfolgsgeschichte
1976 gelang dem Regisseur Mark Weil und seinen Mitarbeitern, Absolventen der Taschkenter Theaterschule, etwas Undenkbares in der damaligen Sowjetunion. Sie gründeten eines der ersten unabhängigen Theater, das mit künstlerischem Mut von sich Reden machte. Nach dem Tauwetter der Perestroika fand es sich Anfang der 1990er Jahre im unabhängigen Usbekistan wider. Die Truppe bot modernes Theater, experimentelle Performances und eine postmoderne Lesart klassischer Stücke. "Wir haben viele Stile durchlaufen, vom Drama bis zur Clownerie, und wahrscheinlich unseren eigenen Stil geschaffen", sagte Mark Weil einmal über sein Theater.
Er war Träger staatlicher usbekischer Auszeichnungen und hat dem Theater sein unverwechselbares Gesicht gegeben. Auch wenn Russisch die Hauptsprache ist, so ist das Theater doch zutiefst kosmopolitisch, offen für viele Theater-Traditionen und zugleich innovativ. Die Truppe ging oft auf Tournee in andere Länder und nahm regelmäßig an internationalen Theaterfestivals teil, so auch bei den "Theaterformen" in Niedersachsen.
2007 ereilte das Theater ein schwerer Schlag. An einem Septemberabend wurde Mark Weil auf seinem Heimweg von zwei Männern niedergestochen. Kurze Zeit später starb er an den Folgen der Verletzungen. Er war nicht nur unermüdlicher Regisseur, sondern auch Nachwuchskräften ein Lehrer. Sein Theater brachte viele talentierte Schauspieler und Regisseure hervor, darunter den bekannten Filmproduzenten Timur Bekmambetow ("Wächter der Nacht", "Ben Hur").
Heute ist das Ilkhom mehr als nur ein Theater. Es ist ein Kulturzentrum mit Musik und Ausstellungen, pädagogischen und sozialen Projekten. Letztlich ist es für Usbekistan ein Fenster in die Welt des internationalen Theaters. Hier kann man erfahren, was modernes Theater in Deutschland, den USA oder Frankreich bewegt.
Seit über zehn Jahren werden im Ilkhom mit Unterstützung des Goethe-Instituts Tage zeitgenössischer deutscher Dramen veranstaltet. Die nächsten sollen, so das Theater, Ende Februar stattfinden. "Das Goethe-Institut arbeitet seit Jahren mit dem Ilkhom zusammen, in Form von Workshops, Aufführungen deutscher Gegenwartsdramatik und Konzerten. Wir hoffen sehr, dass das Theater erhalten bleibt. Es ist künstlerisch erstrangig und hat eine große internationale Reputation", sagte eine Sprecherin des Goethe-Instituts in Berlin der DW.