Belarus: Annäherung an Europa braucht politische Reformen
29. November 2007Die Position des offiziellen Minsk hat während des 10. Minsker Forums Wladimir Serpikow, Leiter der Abteilung für gesamteuropäische Zusammenarbeit beim belarussischen Außenministerium, dargelegt. Ihm zufolge ist Belarus ein verlässlicher Partner der EU in allen Bereichen, angefangen bei der Energiesicherheit bin hin zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Um die Beziehungen zur EU auszubauen, sei ein breiter direkter Dialog ohne Vorbedingungen und ideologische Vorurteile notwendig. Die EU, so Serpikow, pflege Vorurteile und vertrete einseitige Ansichten zu Belarus. Serpikow widmete seine Rede den Chancen und Aufgaben der EU gegenüber Belarus und nicht umgekehrt. Er betonte, in der EU wolle man Belarus nicht verstehen, man sage nur: ändert Euch, dann werden wir Euch helfen.
Gemeinsame Werte als Voraussetzung
Welche Änderungen Brüssel erreichen wolle, erläuterte Hans-Dieter Lucas, der im deutschen Auswärtigen Amt sich mit Osteuropa befasst. Ziel der Bemühungen der EU sei es, so Lucas, Belarus als einen stabilen, demokratischen Partner zu haben. Die praktischen Bereiche der Zusammenarbeit, von denen Minsk ständig spreche, seien sehr wichtig, aber für eine wahre Annäherung sei ein gemeinsames Fundament von den Werten notwendig, die der EU zugrunde lägen. Das seien Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit. Lucas machte ferner darauf aufmerksam, dass Belarus wie andere Länder heute mit globalen Herausforderungen konfrontiert sei, auf die man gemeinsam mit der EU besser Antworten finden könne.
Die Vorteile einer Zusammenarbeit mit der EU stellte auch der Koordinator der Europäischen Kommission für die Beziehungen zu Belarus, Jean-Eric Holzapfel, heraus. Er erinnerte daran, dass Brüssel vor mehr als einem Jahr eine Strategie für Belarus vorgelegt habe. Jedoch, so Holzapfel, schließe das Dokument auch die bekannten 12 Forderungen der EU nach Reformen ein. Wenn Minsk diese nicht erfülle, sei es unmöglich, sich alle Vorteile einer Zusammenarbeit mit der EU zu Nutze zu machen.
Geopolitische Unentschlossenheit
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann führte Argumente dafür an, warum Belarus keine andere Wahl bleibe, sich in Richtung Europa zu bewegen. Wellmann sagte, die GUS sei tot. Der russische Präsident Wladimir Putin, der die Subventionen für Minsk reduziere, werde auch in Zukunft eine Schlüsselfigur auf dem politischen Olymp Russlands bleiben. Länder wie der Iran oder Venezuela seien wohl kaum in der Lage, Belarus bei der Modernisierung der Wirtschaft behilflich zu sein.
Zur geopolitischen Ausrichtung von Belarus äußerte sich auch der Forschungsleiter des russischen Rates für Außen- und Verteidigungspolitik, Timofej Bordatschew. Seiner Meinung nach ist Belarus heute eines der wenigen Länder, dessen Koordinaten sowohl innerhalb Europas als auch im internationalen Kontext immer noch nicht festgelegt seien. Gleichzeitig hätten sich die Nachbarländer Litauen, Lettland und Polen, die bereits der EU angehörten, aber auch Russland, das einen eigenständigen Kurs verfolge, längst entschieden. Belarus könne sich, wenn man die Größe und das Potenzial des Landes berücksichtige, nicht ausschließlich auf eigene Kräfte stützen. Diese Unentschlossenheit, so Bordatschew, schaffe Raum für Einflussnahmen von außen, was sich nicht immer positiv auf die Lage im Lande selbst auswirke.
Pendelpolitik in Minsk
Zugleich versuche das offizielle Minsk, jene Unentschlossenheit dazu auszunutzen, um Europa und Russland gegeneinander auszuspielen, mit dem Ziel, das derzeitige soziale Modell aufrecht zu halten. Dieser Meinung ist der Experte des Forschungszentrums Strategija, Walerij Karbolewitsch. Erfolge habe diese Politik Präsident Aleksandr Lukaschenko allerdings nicht gebracht. Brüssel lehne es ab, Beziehungen nur auf Grundlage gemeinsamer Interessen unter Ausschluss von Werte-Fragen aufzubauen. Minsk könne Brüssel nichts anbieten, was die Europäer veranlassen würde, die Augen vor den Problemen mit den Menschenrechten im Lande zu verschließen. Und Russland andererseits glaube nicht daran, dass Lukaschenko, der über die hohen Energiepreise verärgert sei, deswegen nach Westen umschwenken würde. Schließlich hat sich Karbolewitsch zufolge eine Situation ergeben, in der der Westen politische und Russland wirtschaftliche Veränderungen fordert und Belarus alles so belassen will, wie es ist.
Wladimir Dorochow, DW-Belarus