1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zu atomaren Risiken und Nebenwirkungen

29. April 2016

Angesichts der Pannen in belgischen Atommeilern kam die Forderung zur Abschaltung nicht nur von der Opposition. Die Entscheidung Belgiens, Jod-Tabletten an die Bevölkerung zu verteilen, sorgt für Verunsicherung.

https://p.dw.com/p/1If9v
Das Atomkraftwerk Doel in Belgien (Foto: dpa)
Das belgische Atomkraftwerk Doel 3 bei Antwerpen gilt unter deutschen Experten als SicherheitsrisikoBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Nur rund 70 Kilometer von Aachen entfernt liegt das AKW Tihange, das immer wieder mit Problemen für Schlagzeilen sorgt. Dennoch: sowohl Tihange als auch das Kernkraftwerk in Doel 3 bei Antwerpen sollen weiterlaufen. Bei beiden waren unter anderem Materialfehler festgestellt worden. In Deutschland macht man sich deswegen Sorgen. So forderten die Linkspartei und die Grünen mit Blick auf den 30. Jahrestag der Atomkatastrophe von Tschernobyl, alte Reaktoren in Belgien schnell abzuschalten.

Vergangene Woche hatte sich Bundesumweltministerin Barbara Hendricks bei den belgischen Behörden dafür eingesetzt, die Reaktoren Tihange und Doel bis zur Klärung von Sicherheitsfragen vom Netz zu nehmen. Doch die wollen davon nichts wissen und halten die Atomanlagen für sicher.

Belgien verteilt Jodtabletten an Bevölkerung

"Ich bedaure sehr, dass dieser dringenden Bitte von der belgischen Seite bislang nicht entsprochen wurde", sagte Hendricks im Bundestag. Sie erwarte, dass die Nachbarn Deutschlands die Sorgen der Menschen in Grenzgebieten ernst nähmen und für höchstmögliche Sicherheit sorgten. Deutsche Experten sind nicht überzeugt, dass die Meiler auch bei Störfällen sicher wären. Grund sind Tausende feine Risse in den Druckbehältern.

Auf die Reaktorhülle eines belgischen AKW haben Greenpeace-Aktivisten einen Riss gemalt (Foto: Greenpeace/Eric De Mildt)
Greenpeace-Aktion: Mit eunem aufgemalten Riss warnen Umweltschützer vor Sicherheitsmängeln in belgischen AtomkraftwerkenBild: Greenpeace/Eric De Mildt

Erst am Donnerstag hatte Belgien die deutschen Bedenken mit der Ankündigung verstärkt, im nächsten Jahr vorsorglich Jod-Tabletten zum Schutz vor radioaktiver Strahlung an alle seine rund elf Millionen Einwohner auszuteilen. Dadurch sollten gesundheitliche Schäden im Falle eines Atomunfalls vermieden werden, erklärte das belgische Gesundheitsministerium. Bislang hatte der belgische Staat Jodtabletten nur an diejenigen Bürger kostenlos verteilt, die in einem Umkreis von 20 Kilometern um atomare Einrichtungen wohnen. Die Jodtabletten sollen die Schilddrüse vor radioaktiver Verstrahlung schützen.

"Nur Abschalten hilft gegen Nuklearunfälle"

Die belgische Regierung setzt mit dem Beschluss eine Empfehlung des belgischen Gesundheitrats um. Dieser hatte eine Verteilung von Jodtabletten an alle Menschen empfohlen, die in einem Umkreis von hundert Kilometern um eine atomare Einrichtung wohnen. Wegen der Verteilung der Anlagen auf dem gesamten belgischen Staatsgebiet und der geringen Gesamtfläche des Landes betrifft das jetzt alle Bewohner Belgiens.

Atomkraftwerke in Belgien - Infografik

Die Umweltorganisation Greenpeace nannte die Maßnahme "absurd". "Jodtabletten schützen etwa so gut vor einem Reaktorunfall wie ein Cocktailschirmchen vor einem Wolkenbruch", erklärte der Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital. Die Entscheidung der belgischen Regierung unterstreiche erneut, "wie ernst auch die Nachbarländer die Gefahr durch marode belgische Atommeiler nehmen müssen". Das einzig wirklich wirksame Mittel gegen Nuklearunfälle sei der Atomausstieg, erklärte Greenpeace.

Auch Aachen fordert Verteilung von Jod-Tabletten

In der nur 70 Kilomenter von Tihange entfernten Region Aachen löste die belgische Ankündigung große Sorge aus. Städteregionsrat Helmut Etschenberg sagte, die Entscheidung des belgischen Gesundheitsrats bestätige die Befürchtungen im Raum Aachen vor einem nuklearen Störfall in Belgien. Etschenberg forderte für die Bevölkerung in der Region Aachen ebenfalls die die vorsorgliche Ausgabe von Jod-Tabletten zum Schutz vor radioaktiver Strahlung und will nach eigenen Angaben das NRW-Innenministerium bitten, der Verteilung der bereits eingelagerten Tabletten zuzustimmen.

cw/cr (dpa, afp)