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Beliebt, umstritten: Erdogan in Deutschland

Stephanie Höppner30. März 2014

Gezi-Park-Proteste, Korruptionsvorwürfe, Youtube-Sperre: Das Image des türkischen Ministerpräsidenten ist auch hier stark angekratzt. Doch die Deutsch-Türken könnten im Sommer äußerst wichtig für ihn werden.

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Erdogan auf Wahlkampftour (Foto: Anadolu Agency)
Bild: picture alliance / AA

Die Kommunalwahlen in der Türkei könnten zu einem Seismographen für Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan werden. Denn an diesem Sonntag dürfen rund 53 Millionen Türken über Bürgermeister und regionale Parlamente entscheiden – und gleichzeitig beweisen, wie stark sie noch hinter dem umstrittenen Ministerpräsidenten und seiner AKP stehen. Wie Erdogan aus der Wahl hervorgeht, entscheidet sich nicht zuletzt in der 15-Millionen-Metropole Istanbul.

Fällt Istanbul, kommt vermutlich auch die Macht der Erdogan-Partei ins Wanken. Nach den Prognosen dürfte zwar auch in diesem Jahr die AKP als Siegerin aus den Wahlen hervorgehen. Experten gehen jedoch davon aus, dass sie nur 35 bis 45 Prozent holt. Und das wäre eine Schlappe im Vergleich zu den vergangenen Parlaments-Wahlen. Denn Erdogans Ansehen hat in den vergangenen Monaten abgenommen – nicht nur in der Türkei, sondern auch bei den Menschen der türkischen Diaspora.

Traditionell hohe Zustimmung

Mit großer Spannung dürften deshalb auch die rund drei Millionen Deutsch-Türken auf die Wahl blicken. Für den türkischen Politiker ist diese Gruppe wichtig: Etwa die Hälfte von ihnen ist wahlberechtigt. Sie dürfen zwar nicht an den Kommunalwahlen teilnehmen, aber in diesem Sommer zum ersten Mal über den Präsidentschafts-Kandidaten mit abstimmen. Dafür sollen extra in den türkischen Konsulaten Wahlurnen bereit stehen. Erdogan weiß, dass nun auch die Wählerstimmen aus Deutschland zählen. Erst vor rund zwei Monaten war der türkische Ministerpräsident in der Bundesrepublik – und betrieb mitten in der Krise Wahlkampf.

Lange konnte er auf die Deutsch-Türken zählen: "Erdogan ist in Deutschland sogar beliebter als in der Türkei", sagt Kenan Kolat, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde. Bei den vergangenen Parlamentswahlen hat er von den Deutsch-Türken zehn Prozentpunkte mehr bekommen als von den Wählern in der Türkei. Einer der Gründe: Im Vergleich zu den Vorgängerregierungen hat sich Erdogan für die in Deutschland lebenden Türken stets interessiert und eingesetzt. Auch bei seinem letzten Besuch unter dem Motto "Berlin trifft den großen Meister" im Berliner Tempodrom kamen Tausende und bejubelten ihn.

Anhänger bejubeln Erdogan im Berliner Tempodrom (Foto: dpa)
"Berlin trifft den großen Meister": AKP-Anhänger bejubeln Erdogan im TempodromBild: picture-alliance/dpa

Der Mann aus der Mitte - gerade in Deutschland

Ein anderer Grund für seinen Erfolg: Erdogans einfache Herkunft. Als Sohn eines Fährboot-Kapitäns sei er ein Mann aus der Mitte der Bevölkerung, der vor allem bei Migranten aus den ländlichen Regionen der Türkei gut ankommt. "In der Türkei, besonders in den ländlichen Bereichen, wo sich auch die Diaspora nach Deutschland herspeist, fühlt man sich dem Mann nah", sagt Gülay Kizilocak vom Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung. "Er hat die Menschen aus den ländlichen Regionen 'salonfähig‘ gemacht.“ Mit seiner Politik konnte Erdogan auch viele Liberale gewinnen - denn er gilt als Reformer, als Vorantreiber in der Europa-Politik. "Jeder kann sich leicht mit ihm identifizieren", sagt Kizilocak.

Inzwischen hat Erdogans Image heftig gelitten: Seine Härte gegenüber den Protestbewegungen im Gezi-Park und auf dem Taksim-Platz sorgten auch in der Bundesrepublik für Empörung, tausende gingen auf die Straße. Zahlreiche prominente Deutsch-Türken, darunter auch die Grünen-Politiker Cem Özdemir und Memet Kilic forderten Erdogan in einem offenen Brief zu einem Ende der Gewalt auf.

Gezi-Demo in Istanbul. (Foto: DW)
Beerdigung für ein Todesopfer: Die brutale Antwort Erdogans auf die Gezi-Proteste löst Empörung ausBild: DW/S. Sokollu

Angekratztes Image

Nach den Ausschreitungen rund um den Gezi-Park wiegen zur Zeit vor allem die Korruptionsvorwürfe schwer. Fast täglich tauchen im Internet neue Mitschnitte von Telefonaten auf. Erdogan sieht sich als Opfer eines Komplotts, angezettelt von der Bewegung des islamischen Predigers Fetthulah Gülen. Als Antwort auf die Korruptionsvorwürfe lässt er Polizisten, Richter und Staatsanwälte versetzen, die als Gülen-Anhänger gelten. Wenig später versucht er auch auf die sozialen Medien Einfluss zu nehmen und sperrt Twitter, wenig später Youtube.

"Diese Nachrichten aus der Türkei werden in Deutschland sehr gemischt wahrgenommen", glaubt Kizilocak."Es gibt einen nicht zu unterschätzenden Teil aus seienm eigenen Wählerkreis, auch aus dem religiösen Spektrum, der sich plötzlich abgewendet hat", sagt sie. "Das spürt man genauso in Deutschland". Auch Kolat glaubt, dass Erdogan einige Anhänger in Deutschland verloren hat. Doch: Die "ganz große Unterstützung" bleibe.