Bemba-Urteil "Warnung für Vergewaltiger"
21. Juni 2016Jean-Pierre Bemba ist der ranghöchste Politiker, der bisher vom Internationalen Strafgerichtshof für schuldig befunden wurde. Wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilte das Haager Gericht den ehemaligen kongolesischen Vizepräsidenten und aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten von 2006 am Dienstag zu 18 Jahren Haft - eine Entscheidung, die international begrüßt wurde.
Genugtuung in der Zentralafrikanischen Republik
Bembas Miliz "Bewegung für die Befreiung des Kongo" (MLC) habe in der Zentralafrikanischen Republik zwischen 2002 und 2003 gemordet und gefoltert und zudem massenhaft Vergewaltigungen begangen, urteilte das Gericht - und machte den Kongolesen als damaligen Befehlshaber der MLC für diese Taten verantwortlich. In der Zentralafrikanischen Republik wurde das Urteil positiv aufgenommen. Der dortige Staatsanwalt Gilles Gilbert Grezenguet zeigte sich zufrieden über die "bedeutende Entscheidung" des Haager Gerichts. "Die Gerechtigkeit hat gesiegt", sagte Grezenguet, ein bekennender Fürsprecher des Internationalen Strafgerichtshofs, der selbst mehrfach nach Den Haag gereist war, um die Ermittlungen zu unterstützen.
Gespaltene Meinungen erhielt die DW von Passanten in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Bemba habe geerntet, was er gesät habe, sagte ein sichtlich zufriedener Passant am Mikrofon von DW-Korrespondent Benjamin Baramoto. Ein weiterer äußerte Zweifel, ob das Strafmaß ausreichend sei, und stellte die Frage: "Welches Schicksal erwartet die Zentralafrikaner, die an den Verbrechen beteiligt waren? Sie müssen auch vor das Gericht gestellt werden. Zweimal achtzehn Jahre wären für sie nicht zuviel."
"Nicht hinter der Macht verstecken"
DW-Nutzer aus verschiedenen Teilen Afrikas sehen in der Verurteilung Bembas eine Warnung für andere Kriegsverbrecher. So schreibt Patient Paul aus Kongos Hauptstadt Kinshasa auf Facebook: "Möge diese Entscheidung den Afrikanern als abschreckendes Beispiel dienen, die sich noch hinter ihrer Macht verstecken und den anderen das Leben schwer machen." Früher oder später werde man auch sie kriegen, "so wie es auch der Fall von Hissène Habré war". Der ehemalige tschadische Diktator war Ende Mai von einem afrikanischen Sondertribunal zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
"Bemba bezahlt heute für den Mangel an Bürgersinn seiner Soldaten, die kaum Bildung erfahren haben", schreibt Paul weiter - und kritisiert gleichzeitig, dass viele politische Führer wie der damalige Herrscher der Zentralafrikanischen Republik weiter straflos bleiben: "Ich bin enttäuscht, dass Ange-Félix Patassé Jean-Pierre Bemba durch dieses Martyrium hat gehen lassen, während er selbst, der ihn eingeladen hatte, bis zu seinem Tod nicht behelligt wurde." In der tansanischen Metropole Dar-es-Salaam hofft Ismaili Togolani auf die Signalwirkung des Urteils: "Das Urteil über Jean-Pierre Bemba ist eine Lektion für die Führer, die Menschen unterdrücken oder Menschenrechte in Afrika verletzen."
Hoffnung für Opfer von Vergewaltigung
Zum ersten Mal ging auch der Einsatz von sexueller Gewalt als Kriegswaffe in das Urteil des Gerichts mit ein. Das ist eine historische Entwicklung: Zwar hatte das Weltstrafgericht auch im Falle des kongolesischen Kriegsverbrechers Germain Katanga wegen Vergewaltigung ermittelt. In diesem Punkt hatte das Gericht aber keine Schuld feststellen können. Adam Pastory Waushirombo in Tansania gratuliert dem Gerichtshof in Den Haag für die Entscheidung im Fall Bemba: "Vergewaltigung ist ein Akt der Erniedrigung", schreibt er auf Facebook.
Das Strafmaß biete den Opfern von sexueller Gewalt "ein gewisses Maß an Gerechtigkeit", sagte Géraldine Mattioli-Zeltner nach der Urteilsverkündung. Sie arbeitet bei der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Das Urteil interpretierte sie auch als Warnung: "Andere Befehlshaber sollten aufmerksam werden, dass sie auch für Vergewaltigungen und anderen Missbrauch von Menschen durch ihre Soldaten zur Verantwortung gezogen werden können."
Viele schwere Verbrechen, darunter der systematische Gebrauch von sexueller Gewalt, blieben jedoch nach wie vor in beiden Ländern unberücksichtigt - in der Zentralafrikanischen Republik genauso wie in der Demokratischen Republik Kongo, sagt Mattioli-Zeltner. Rechtsexperte Mark Ellis von Bar International zeigte sich im DW-Interview indes enttäuscht von der "fehlenden Transparenz und Kohärenz" des Gerichts: Für so ein schwerwiegendes Urteil hätte das Strafmaß schärfer ausfallen müssen als 18 Jahre, sagte er der DW.
Einige afrikanische DW-Nutzer äußerten auf den DW-Facebookseiten eine ganz andere Kritik: "Warum werden immer nur Afrikaner verurteilt?", fragte etwa Achille Bukondo aus dem ostkongolesischen Goma. Und Nutzer Akd-Diase kritisierte: "Der IStGH ist das Gericht für afrikanische Führer."
Mitarbeit: Benjamin Baramoto, Mark Caldwell