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Literatur

Benedict Wells: "Vom Ende der Einsamkeit"

Jochen Kürten
9. Oktober 2018

Drei Geschwister, ein Autounfall und eine lebenslange Liebe: Der junge Benedict Wells erzählt in "Vom Ende der Einsamkeit" mit Schwung und Esprit vom Erwachsenwerden - und wandelt damit auf den Spuren großer Vorbilder.

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Benedict Wells, Autor
Bild: Imago/teutopress

"Und dann kam der 8. Januar, ein Sonntag. In den Jahren danach habe ich oft versucht, mir eine dumpfe Vorahnung anzudichten, aber das war vermutlich Unsinn. Gegen Abend läutete das Telefon. Als meine Tante den Hörer abnahm, spürte ich sofort die Veränderung in der Atmosphäre." 

Man verrät nicht zu viel, wenn man an dieser Stelle berichtet, was am 8. Januar geschehen ist, vom Autounfall der Eltern des jungen Helden Jules erzählt. Die Ausgangssituation im Roman "Vom Ende der Einsamkeit" erschließt sich dem Leser früh. Jules und seine beiden Geschwister Marty und Liz werden zu Waisen, sie sind auf sich allein gestellt.

"Das Ende der Einsamkeit" von Benedict Wells

Der Roman handelt von den Verletzungen der Seele

Sicher, Jules Bruder und Schwester sind noch da, und Verwandte kümmern sich um die Drei. Doch was passiert in der Seele, im Kopf, was mit der Psyche von einem, der noch nicht erwachsen ist und dem schon so etwas Schreckliches widerfährt?

"Wie ein sich ausbreitender Riss nahmen meine Ängste zu. Ich begann, mich vor dem Dunkeln zu fürchten, vor dem Tod, vor der Ewigkeit. Diese Gedanken trieben einen Stachel in meine Welt, und je häufiger ich über all das nachdachte, desto mehr entfernte ich mich von meinen oft unbeschwerten, gutgelaunten Mitschülern. Ich war allein. Und dann traf ich Alva." 

Alva, ein junges Mädchen, wird zur innigen Freundin von Jules, an Liebe und Sex denken die beiden zunächst nicht. Die Beiden teilen Interessen, sie lieben Musik und Bücher, sie tauschen sich aus, über das Leben, über Verluste, Hoffnungen und Sehnsüchte.

Schule und Internat Schloss Salem am Bodensee
Der junge Benedict Wells wuchs wie sein literarischer Held Jules in Internaten aufBild: Imago/sepp spiegl

Schwere Themen - leicht zu lesen: Vom Ende der Einsamkeit

Ein Paar werden sie erst sehr viel später, da ist das Buch schon weit voran geschritten, Jahre sind vergangen, beide haben andere Partner gehabt. Und doch ist diese Beziehung zwischen Jules und Alva der innere Kern, die Seele des Romans, der ein ganzes Leben erzählt, von der Jugend bis zum Erwachsenenalter.

"Das hier ist alles wie eine Saat. Das Internat, die Schule, was mit meinen Eltern passiert ist. Das alles wird in mir gesät, aber ich kann nicht sehen, was es aus mir macht. Erst wenn ich ein Erwachsener bin, kommt die Ernte, und dann ist es zu spät." 

Benedict Wells hat sieben Jahre an seinem vierten Roman geschrieben, der 2016 in die Buchläden kam. Er war erst Mitte Zwanzig, als er mit dem Buch begann. "Vom Ende der Einsamkeit", das man sich auch unter dem Titel "Vom Ende der Jugend" hätte vorstellen können, ist ein erstaunlicher Roman. Er erzählt von Verlust, Tod und Krankheit und ist doch ein leicht zu lesendes Buch, unterhaltsam, vollgepackt mit Ereignissen aus dem Leben Jules'.

Schauspielerin Jeanne Moreau ist tot
Die deutsche Ausgabe des Romans, in dem der Held Jules heißt, schmückt ein Bild mit François Truffaut und Jeanne Moreau - Gruß an Truffauts Film "Jules und Jim"Bild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

Als "besten John-Irving-Roman, der nicht von John Irving stammt", lobte ein Kritiker den Roman. Benedict Wells, der eigentlich mit dem Familiennamen von Schirach geboren wurde, änderte seinen Namen zu Wells - auch weil ihm Homer Wells aus John Irvings "Gottes Werk und Teufels Beitrag" so gut gefiel. Neben Irving darf man getrost einen anderen US-Autor nennen, der einem bei der Lektüre von "Vom Ende der Einsamkeit" einfallen könnte: Paul Auster. Dass Wells auch diesen gelesen hat, verrät eine Stelle im Roman.

Doch das Schöne an dem Roman ist, dass man nie das Gefühl hat, hier lehne sich ein junger, begabter deutscher Autor lediglich an große Vorbilder an. Benedict Wells hat eine ganz und gar eigene literarische Stimme, die Gewicht hat und es schafft, auch eine breite Leserschaft anzusprechen.

 

Benedict Wells: "Vom Ende der Einsamkeit" (2016), Diogenes Verlag.

Benedict Wells wird 1984 in München geboren, besucht verschiedene Internate und veröffentlicht mit 23 seinen Roman "Becks letzter Sommer", der inzwischen auch verfilmt ist. "Vom Ende der Einsamkeit" ist bereits der vierte Roman des Autors, der nach mehreren Jahren in Barcelona wieder in Berlin lebt. Benedict Wells hat auch die Schweizer Staatsbürgerschaft.