Bereitet dem Herrn den Weg!
1. Dezember 2016In die „Wüste von Judäa“ – und nicht auf den nächsten Weihnachtsmarkt, das ist die Richtung, die Johannes der Täufer im Matthäus-Evangelium (Mt 3,1-12) vorgibt, jetzt im Advent, wo alles schon auf Weihnachten ausgerichtet ist, vor allen Dingen in den Geschäften. Überall tönt und duftet es schon weihnachtlich, unübersehbar kleine und übergroße Weihnachtsbäume, und man fragt sich unwillkürlich: Wo bleibt denn der Advent? Wo bleibt der Zweite Advent mit seinem Johannes dem Täufer? Passt er vielleicht gar nicht in unseren Advent, der doch mehr oder weniger eine vorweggenommene Weihnachtszeit ist. Reißt er uns zu sehr aus dieser vorweihnachtlichen Stimmung heraus, ja verdirbt er sie geradezu: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“
Die Stimme des „Rufers in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!“ „Metanoeite!“ (Griechisch:) Denkt um! Denkt anders! Ja werdet anders! Stimmungsvoll adventlich hört sich das nicht an, im Gegenteil, kernig, ja hart, zumal dann, wenn er den Religionsvertretern, Pharisäern und Sadduzäern, entgegenschleudert: „Ihr Schlangenbrut“, und ihnen mit dem kommenden Gericht droht, wenn er von der Axt spricht, die an die Wurzel der Bäume gelegt ist, die keine Frucht bringen. Das alles kann einem wirklich die Stimmung verderben. Und darum lieber: Weihnachtsmarkt.
Radikale Veränderung oder gemütliche Weihnachtsmärkte
Aber die Frage bleibt: wollen wir wirklich Advent mit johanneischer Fraktursprache, wo Veränderung möglich wird? Oder wollen wir doch lieber alles beim Alten belassen und gemütlich über den Weihnachtsmarkt spazieren und einfach nur Stimmung haben? Stimmungsvolles gibt es genug, aber Stimmung vergeht, und wenn es das alleine war, bleibt nicht viel übrig. Darum Johannes: „Bereitet dem Herrn den Weg!“ Dem Herrn, den Christen bekennen als den menschgewordenen Gott in Jesus in Bethlehem. Und wenn es denn auf das Fest der Menschwerdung Gottes zugeht und wir uns darauf vorbereiten, dann ist unsere Menschlichkeit angefragt, unsere eigene Menschwerdung.
Darum stellt sich mit Johannes die Frage nach der Trennung von Spreu und Weizen, von dem, was verfliegt und keinen Nährwert hat und dem, wovon man wirklich leben kann. Die Unterscheidung zwischen dem, was uns überall zu gelingendem Leben angeboten wird – mit verstecktem oder offenem Geschäftsinteresse – oder dem, was uns wirklich in unserer eigenen Menschwerdung weiterhilft. Und wenn Johannes uns in die Wüste führt, dann legt sich die Umkehrung einer Floskel aus dem Geschäftsleben nahe, wo Waren noch auf der Waage abgewogen werden: Darf es etwas weniger sein? Wieviel geschäftliche Weihnachtsgrüße einen in diesen Wochen erreichen, muss das alles geschrieben werden? Muss ich das alles lesen? Muss ich bei jedem Adventskonzert dabei sein? Ist jeder gemütliche Adventskaffee wirklich so gemütlich oder nicht vielmehr nur einer mehr in den vielen Adventsterminen?
Wüste – es darf weniger sein! Die Erlaubnis, es weniger sein zu lassen, um zu dem vorzustoßen, was ich wirklich will, was mir wirklich guttut und was mir weiterhilft. So könnte Raum entstehen, leerer Raum, der etwas zulassen könnte, das mehr und anders ist als Weihnachtsmarkt. Die Leute gingen in die Wüste. Die Wüste ist immer der Ort, wo vieles nicht ist, wo der Mensch ins Wesentliche gezwungen wird, um zu überleben. Was ist wesentlich in deinem Leben?
In der Wüste zurück zum Wesentlichen
Wie sehr wir von Apparaten umgeben sind, die ständig unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, die uns mehr bestimmen als dass wir uns ihrer bedienen. Offline zu sein, das scheint für viele Menschen lebensbedrohlich, ja geradezu sündig, den „Chat“ zu verlassen, den Bildschirm auszuschalten. Menschen fühlen sich schuldig, wenn sie auf eine SMS nicht sofort reagiert haben. Jedoch beziehungsfähig werden wir nicht, wenn alle miteinander vernetzt sind, sondern wo Menschen bei sich selbst sind, sie selbst sind, wo Menschen aus freier Entscheidung, weil sie selbst es wirklich wollen, miteinander in Beziehung treten und somit dem anderen wirklich als Mensch begegnen, von Mensch zu Mensch. Der andere ist eben mehr als ein Bild auf einem Schirm
Christlicher Advent ist der Advent Gottes. Für die Christen der frühen Zeit war er sehr stark geprägt vom Gedanken an die Wiederkunft Christi am Ende der Zeiten. Advent war eine Zeit ernster Besinnung auf das, „worauf es ankommt, wenn er kommt“1, wie es in einem modernen religiösen Lied heißt. Wenn das einmal klar ist, dann dürfen wir gelassen auf den Weihnachtsmarkt gehen und in so manches andere Geschäft, wohl wissend: das, was ich wirklich brauche, suche und finde ich anderswo – eben in der Wüste, bei Johannes, beim Wort Gottes, bei Gott, menschgeworden in Jesus, geboren aus Maria der Jungfrau. Es darf weniger sein – der Fülle wegen.
1 „Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde“, Alois Albrecht, in: „Gotteslob“ für die Erzdiözese Bamberg, Nr.: 862.
Pater Hans Peters SVD gehört seit 1967 dem Orden der Steyler Missionare an, in dem er in vielen verschiedenen Funktionen gewirkt hat und bis heute wirkt, unter anderem in der Jugendarbeit, als Novizenmeister und im Rektorat des Missionshauses St. Michael in Steyl (Niederlande). Seit 2008 arbeitet der gefragte Seelsorger und Lebensberater als Wallfahrtsseelsorger in Goch am Niederrhein. Seit 1994 schreibt er regelmäßig für die christliche Familienzeitschrift „Stadt Gottes“.