Achterbahnfahrt
5. Juni 2007Die Börse Schanghai hat am Dienstag (5.6.2007) erneut eine Berg- und Talfahrt über eine Bandbreite von fast zehn Prozent hingelegt. Im frühen Handel fiel der Leitindex SSEC um mehr als sieben Prozent, womit sich die Verluste der vergangenen Tage auf rund 21 Prozent oder fast eine halbe Billion Dollar summierten. Am Ende des Handels stand am Dienstag aber ein Plus von 2,6 Prozent auf der Kurstafel. Grund für die Erholung waren nach Angaben von Händlern Gerüchte, die Regierung in Peking bereite eine Erklärung zur Beruhigung des Marktes vor. Die Trendwende sorgte auch in Asien und Europa für steigende Kurse.
Das neu gewonnene Vertrauen der chinesischen Anleger führte die "China Daily" auf eine Neuzulassung verschiedener Fonds zurück. Damit sei der Kapitalzufluss an Chinas Börsen gesichert worden, was wiederum Aktienpreise steigen ließ. Der vorangegangene Börsensturz war durch Panikverkäufe verunsicherter Anleger ausgelöst worden, die weitere Schritte der Zentralregierung zur Abkühlung des chinesischen Aktienmarkts befürchteten. In der vergangenen Woche überraschte das Finanzministerium die Anleger mit der Verdreifachung einer Aktiensteuer von 0,1 auf 0,3 Prozent. Daraufhin waren die Kurse eingebrochen.
"Der Markt ist verrückt"
Auf der Kurstafel Schanghai ging es am Dienstag zeitweise im Sekundenabstand um Zehntel-Prozentpunkte auf und ab. Binnen Minuten wurden mehrere Prozentpunkte übersprungen. Erinnerungen an die Nasdaq-Kurstafel beim Platzen der Dot.com-Blase wurden wach. Zeitweise lag der SSEC 7,25 Prozent im Minus, am Ende stand ein Plus von 2,63 Prozent auf 3767 Zähler angeschrieben.
"Ich finde keine Worte für diesen Markt - er ist einfach verrückt", sagte Analyst Wu Nan von Xiangcai Securities. Dabei hatten auch am Dienstag die Beschränkungen des Handels - eine Aktie darf pro Tag höchstens um zehn Prozent fallen - einen noch größeren Absturz verhindert.
Verkaufspanik hatte zuletzt zu den höchsten Kursverlusten seit einem Jahrzehnt geführt. Allein am Montag gab der SSEC 8,3 Prozent nach, obwohl die Regierung auf den Titelseiten großer Zeitungen versicherte, der mittel- und langfristige Ausblick für China sei positiv. Der SSEC ist seit 2006 um fast 200 Prozent gestiegen. Millionen Kleinanleger investieren daher ihr Gespartes in der Hoffnung auf schnelles Geld. Inzwischen gibt es 100 Millionen Aktiendepots, täglich kamen zuletzt etwa 300.000 neue dazu. Schätzungen zufolge halten 50 Millionen Chinesen Aktien. Das entspricht aber weniger als vier Prozent der Gesamtbevölkerung. Deshalb gibt es viel Potenzial für weiteres Wachstum, zumal die Wirtschaft boomt und viele Chinesen davon profitieren wollen.
Fonds fahren China runter
Mehrere Fonds haben nach dem Einbruch nach Einschätzung von Beobachtern ihren Anteil an chinesischen Aktien auf 50 von einst 90 Prozent zurückgefahren. Sollten sie wieder einsteigen, gäbe dies dem Markt kräftig Auftrieb. "Viele unserer Fondsmanager gehen davon aus, dass der Tiefpunkt vorbei ist - heute oder spätestens irgendwann im weiteren Verlauf dieser Woche", sagte bereits Gabriel Gondard, Vize-Investmentchef bei Fortune SGAM.
Hilfe könnten die Optimisten von der Regierung erwarten. Ein robuster Aktienmarkt ist wichtig bei den Wirtschaftsreformen. Daher wird erwartet, dass Peking einen nachhaltigen Kursrutsch nicht hinnehmen wird.
Den neuerlichen Absturz der Börse in Schanghai nahmen die Händlern in Deutschland gelassen auf: "Das Niveau, was der [dortige] Markt erreicht hat, ist schon sehr hoch und eine Korrektur um fünf bis zehn Prozent wäre sehr gesund. Andererseits lässt sich aktuell niemand von dem Chaos an den chinesischen Märkten beeindrucken. Und ansonsten gibt es eben keine wirklich schlechten Nachrichten." Der Dax legte bis zum Mittag um 0,13 Prozent auf 7987 Punkte zu und hielt sich damit in Reichweite der am Freitag zum ersten Mal seit sieben Jahren erreichten Marke von 8000 Punkten. (vem)