Schäuble soll angeblich vermitteln
15. Juni 2018Auf Wunsch der CDU-Spitze soll Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble im Asyl-Streit zwischen CDU und CSU vermitteln. Es geht um die Frage, ob bestimmte Flüchtlinge bereits an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden dürfen: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will jene Asylbewerber an der deutschen Grenze abweisen, die bereits in anderen EU-Ländern registriert sind. Regierungschefin Angela Merkel (CDU) lehnt dies ab. Sie will in den kommenden zwei Wochen eine Lösung auf europäischer Ebene suchen. Der Streit droht zum schwersten Konflikt der Schwesterparteien seit Jahrzehnten zu werden und stürzt die Regierung in eine Krise.
Wie die "Rheinische Post" berichtet, haben deshalb die CDU-Führung und der Chef der Unionsfraktion in Bundestag, Volker Kauder (CDU) Schäuble gebeten, in den kommenden Tagen mit der CSU-Führung zu sprechen, um eine Kompromisslinie auszuloten.
Unter Berufung auf Informationen aus der CDU-Führung berichtet das Blatt weiter, Schäuble habe in der Flüchtlingspolitik immer wieder eine kritische Haltung eingenommen, ohne die Loyalität zu Kanzlerin Merkel (CDU) aufzugeben. Der frühere Bundesfinanzminister besitze "auf beiden Seiten Glaubwürdigkeit".
Die CSU hat mit einem Alleingang von Bundesinnenminister Horst Seehofer bei der Zurückweisung von Flüchtlingen an den deutschen Grenzen gedroht. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verteidigte das Vorgehen: Wenn man den Satz ernst nehme, dass sich 2015 nicht wiederholen dürfe, brauche man eine grundlegende Veränderung - und dazu gehöre die Sicherung der Grenzen, sagte er in einem TV-Interview.
Brandbrief an die Parteibasis
Mit einem dramatischen Appel rief die CDU-Spitze die Parteibasis zur Unterstützung Merkels auf. Die von Seehofer geplante Zurückweisungen von Migranten an der Grenze könnte "zu einem negativen Dominoeffekt und letztlich der Infragestellung des Europäischen Einigungswerks führen, für das wir als CDU immer gestanden haben", schrieb Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer in einem Brandbrief an die Mitglieder. "Eine solche Maßnahme, die ohne Absprache mit unseren Nachbarländern und zu Lasten Dritter vollzogen würde, birgt die Gefahr, Europa weiter zu spalten und zu schwächen."
Asylpolitik nicht für Wahlkampf instrumentalisieren
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner unterstützt die Position von Innenminister Seehofer. Zugleich äußerte er aber Unverständnis darüber, dass die CSU jetzt so viel Zeitdruck macht. "Es wäre doch durchaus nachvollziehbar, jetzt noch 14 Tage bis zum Europäischen Gipfel zu warten", sagte er. Inzwischen hätten alle europäischen Partner erkannt, dass es politisch so nicht weitergehen könne. Außerdem warnte er davor, die Asylpolitik nicht für den Landtagswahlkampf in Bayern zu instrumentalisieren, wo im Oktober die Landtagswahl stattfindet.
SPD mahnt Sacharbeit an
SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles fordert ihre "Koalitionspartner auf, das Wochenende zu nutzen, um sich wieder auf eine sachliche und auf eine kooperative Ebene zu begeben". Nach einer Sondersitzung ihrer Fraktion in Berlin sagte sie: "Nur mit Europa können für Deutschland die richtigen Lösungen gefunden werden." Das gelte auch für die Migrationsfrage. Eine Lösung im Alleingang sei "nicht denkbar und auch nicht sinnvoll".
Der offene Streit "muss jetzt schnell wieder aufhören", sagte auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil m ARD-"Morgenmagazin". Inhaltlich stellte sich Klingbeil klar auf die Seite Merkels. "Es gibt einen Koalitionsvertrag, der gilt", sagte Klingbeil. "Der sagt ganz klar, wir müssen die europäische Lösung suchen."
Verantwortungsloses Verhalten
Grünen-Chef Robert Habeck warf der CSU verantwortungsloses Verhalten vor. In der "Rheinischen Post" sagte er, Seehofers Plan "bedeutet faktisch, dass Deutschland Italien, Griechenland oder Spanien die gesamte Verantwortung für die Flüchtlinge aufhalst". Damit treibe man besonders Italien aus der EU, warnte der Grünen-Vorsitzende.
UN warnen vor "nationalen Alleingängen"
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) warnte davor, bereits in anderen EU-Ländern registrierte Schutzsuchende an der Grenze abzuweisen. "Deutschland ist verpflichtet, bei Schutzsuchenden, die an der Grenze um Asyl nachsuchen, zu prüfen, welches Land zuständig ist", sagte der Leiter des UNHCR in Deutschland, Dominik Bartsch, der Zeitung "Die Welt". "Jedenfalls für die Dauer dieser Prüfung muss die betreffende Person auch bleiben dürfen." Eine Zurückweisung wäre vor diesem Hintergrund "europarechtswidrig", wenn sie nicht auf einer entsprechenden bilateralen Verwaltungsvereinbarung beruhe, sagte Bartsch. Solche Vereinbarungen seien aber nur dann möglich, "wenn sie die Anwendung der Dublin-Vorschriften erleichtern, effizienter gestalten und das bestehende Schutzsystem nicht aushebeln".
uh/as (afp, rtr, dpa)