Berlin in Sorge um Julia Timoschenko
26. April 2012Nach Angaben seines Sprechers wird Bundespräsident Joachim Gauck nicht an einem Treffen der zentraleuropäischen Präsidenten Mitte Mai auf der Krim teilnehmen. Damit bestätigte der Sprecher einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung". Die ukrainische Botschaft in Berlin sei darüber informiert worden. Nach Angaben der Zeitung ist die Absage in Absprache mit Bundeskanzlerin Angela Merkel erfolgt.
Klare Worte aus Deutschland
Hintergrund ist die tiefe Besorgnis Berlins über das Schicksal Julia Timoschenkos, die in der Haft erkrankt und in Hungerstreik getreten ist. Die Bundesregierung hatte am Mittwoch in scharfen Worten den Umgang mit der früheren ukrainischen Ministerpräsidentin kritisiert. Regierungssprecher Steffen Seibert verwies auf Berichte, wonach bei der Verlegung in ein Krankenhaus Gewalt angewendet worden sei. Wenn diese Berichte zuträfen, "dann wäre das Vorgehen der ukrainischen Strafvollzugsbehörden inakzeptabel und vollkommen unverhältnismäßig", sagte Seibert.
Mit Blick auf den Hungerstreik der Politikerin erklärte er, es sei umso dringender, dass Timoschenko nun endlich angemessen medizinisch behandelt werde. Kiew hatte offiziell darum gebeten, sie von deutschen Ärzten behandeln zu lassen. An das Angebot Deutschlands, die in der Haft schwer erkrankte Julia Timoschenko in der Bundesrepublik medizinisch zu betreuen, knüpfte die Ukraine allerdings Bedingungen. Vizeregierungschef Waleri Choroschkowski sagte bei einem Besuch in Brüssel, dazu sei grundsätzlich eine Gesetzesänderung notwendig, was für Einzelfälle nicht üblich sei. Wenn die Frage jedoch in den Verhandlungen mit der Europäischen über ein Assoziierungsabkommen die einzig offene bleibe, sei eine Ausnahme jedoch denkbar.
Sorge um Timoschenko
Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte, die Bundesregierung sei sehr besorgt über den Gesundheitszustand der Politikerin. Diese Sorge gelte auch anderen Oppositionellen in ukrainischer Haft. Die Bundesregierung erwarte, dass Timoschenko und die anderen Häftlinge eine anständige und angemessene medizinische Behandlung erhielten. Für den Fall, dass dieses nicht gewährleistet werde, drohte Westerwelle mit Konsequenzen für das Verhältnis der Ukraine zu Deutschland und der EU: "Für eine weitere Annäherung der Ukraine an die Europäische Union durch die Unterzeichnung und auch Ratifizierung des Assoziierungsabkommens erwarten wir zunächst einmal glaubwürdige und eindeutige Schritte hin zu mehr Rechtsstaatlichkeit."
Zweiter Prozess gegen Timoschenko läuft
Die 51-Jährige war im Oktober 2011 in einem als politisch motiviert kritisierten Prozess wegen angeblichen Amtsmissbrauchs in ihrer Zeit als Ministerpräsidentin zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Grund war ein im Jahr 2009 mit Russland geschlossenes Gasgeschäft, das der Ukraine einen Schaden in Millionenhöhe beschert haben soll. Seit kurzem wird gegen die Führerin der pro-westlichen "Orangenen Revolution" von 2004 in einem zweiten Verfahren wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung verhandelt.
Inzwischen werden erste Boykottaufrufe gegen die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine laut. Die Ukraine ist gemeinsam mit Polen in knapp sechs Wochen Ausrichter dieses sportlichen Großereignisses.
pg/qu/kle (dpa,dapd,rtr,afp)