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Berlin wirbt um Abuja

Julia Hahn18. April 2012

6000 Kilometer legt Nigerias Präsident Goodluck Jonathan zurück, um Kanzlerin Merkel zu besuchen. Beide Länder wollen enger zusammenrücken. Es geht um Megawatt, Rohstoffe und um die Sicherheit.

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Berlin begruesst Nigerias Staatspräsidenten Goodluck Jonathan (Foto: dapd)
Bild: dapd

Er trägt das Glück im Namen und weckt Hoffnungen - auch in Berlin: Hier ist Nigerias Präsident Goodluck Jonathan in den nächsten Tagen zu Gast, will Beziehungen pflegen, zu Deutschland und zur Kanzlerin. Kein Jahr ist es her, da reiste Angela Merkel selbst nach Nigeria – als erstes deutsches Regierungsoberhaupt seit mehr als 30 Jahren. "Deutschland will Partner Nigerias sein auf dem Weg zu mehr Wohlstand", versprach sie damals.

Mehr als 150 Millionen Menschen leben in dem westafrikanischen Staat, so viele wie in keinem anderen Land des Kontinents. Politisch und wirtschaftlich ist Nigeria ein Schwergewicht. Und die Nigerianer haben etwas, das den Deutschen weitgehend fehlt: Rohstoffe.

Reiches Land, arme Menschen

"Deutschland ist der zweitgrößte Wirtschaftspartner Nigerias und für uns ist besonders die Rohstofffrage interessant", sagt Afrika-Experte Hartwig Fischer, der für die CDU/CSU-Fraktion im deutschen Bundestag sitzt. Nigeria gehört zu den Top 10 der erdölreichsten Staaten der Welt. Zwei Millionen Barrel fördert die Ölindustrie pro Tag, vor allem im südlichen Niger-Delta. In der Rangliste der Nationen mit den größten Erdgasvorkommen belegt Nigeria Platz 7. Mit dem Export von Öl und Gas macht der Staat seine lukrativsten Geschäfte. Auch die Deutschen gehören zu den Abnehmern.

Mann neben einem Stromgenerator in der Stadt (Foto: ddp/AP)
Nicht genug Energie: Nigerias Stromnetz ist marodeBild: picture-alliance/dpa

Doch trotz der Petrodollars leben nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mehr als 60 Prozent der Nigerianer in Armut. Nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung ist ans Stromnetz angeschlossen. Kraftwerke und Leitungen sind leistungsschwach und marode. Überall brummen Dieselgeneratoren.

Megawatt gegen Flüssiggas

Mit Energie kennen sich die Deutschen aus. Schon 2008 hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der inzwischen verstorbene nigerianische Präsident Umaru Yar'Adua eine Energiepartnerschaft besiegelt. Kern der Abmachung: Deutsche Unternehmen bauen die Stromversorgung in Nigeria aus, im Gegenzug liefert das Land ab 2014 Flüssiggas in die Bundesrepublik. Dann wären die Deutschen nicht mehr so abhängig von Gaslieferungen aus Russland.

Eine Chevron Öl-Verwertungsanlage im Niger-Delta (Foto: Epa)
Riesige Reserven: Nigeria ist eines der erdölreichsten Länder der WeltBild: picture-alliance/dpa

"Außerordentlich schleppend" seien die Verhandlungen anfangs vorangekommen, sagt Parlamentarier Fischer. Mit der Regierung von Goodluck Jonathan habe sich das allerdings geändert. Die Deutschen setzen in Nigeria aber auch auf erneuerbare Energien, auf Strom aus Sonne und Wasser. Aber können sie schon in zwei Jahren das erste Flüssiggas aus Nigeria importieren? Die Politik gibt sich optimistisch. "Ich gehe im Augenblick davon aus, dass beide Seiten und besonders Nigeria bemüht sind, dass dieser Zeitplan eingehalten werden kann", sagt Fischer.

Schlüsselstaat in Westafrika

Auch politisch wollen Berlin und Abuja ihre Beziehungen vertiefen. Unter deutschen Diplomaten gilt Nigeria als "Stabilitätsanker" in Westafrika. Gerade als Vermittler in den politischen Krisen der Region habe Nigeria großes Potenzial, sagt Thomas Mättig von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Abuja. An der Elfenbeinküste, in Mali oder jüngst in Guinea-Bissau zum Beispiel. "Da ist Nigeria sehr deutlich und sehr offen gegen Militär-Coups und für Stabilität und Demokratie eingetreten."

Die nigerianische Armee ist 80.000 Soldaten stark, die größte in der ganzen Region. Die Truppen sind eine wichtige Stütze von Friedensmissionen der Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union und der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. "Trotzdem wird Nigeria oft verglichen mit einem gefesselten Riesen, der mit seinen eigenen Herausforderungen so beschäftigt ist, dass er seine Kraft nicht entfalten kann", sagt Mättig. Im Nordosten hat die islamistische Sekte Boko Haram der Regierung den Krieg erklärt, terrorisiert die Bevölkerung mit Anschlägen. Das Wüstenland im Norden gilt als Rückzugsgebiet der Al-Kaida. Im Süden schwelt ein bis heute ungelöster Konflikt um die Erdölförderungen. "Ich gehe davon aus, dass diese Konflikte auch eine Rolle in den Gesprächen mit Goodluck Jonathan spielen", sagt der Abgeordnete Fischer. Eine Sicherheitspartnerschaft mit Deutschland könnte er sich vorstellen, sie spiele aber offiziell bei dem Besuch keine Rolle.

Polizeiposten und gesperrte Straßen in Kano, Nordnigeria (Foto: Katrin Gänsler)
Angst vor Anschlägen: Polizeiaufgebot in Nord-NigeriaBild: Katrin Gänsler

Politische Partnerschaft

Und dabei treibt die Sicherheitslage im Land auch deutschen Investoren die Sorgenfalten auf die Stirn. "Zurzeit beobachten wir die Entwicklung speziell in Nord-Nigeria mit Sorge und müssen natürlich eingestehen, dass wir niemandem guten Gewissens empfehlen können, sich derzeit in der Region wirtschaftlich zu betätigen", sagt André Rönne, Delegierter der deutschen Wirtschaft in Nigeria.

Deshalb sei es wichtig, dass Berlin neben wirtschaftlichen Vereinbarungen auch die politischen Probleme Nigerias anspreche, sagt Thomas Mättig von der Friedrich-Ebert-Stiftung. "Ob sich Nigeria demokratisch festigt und Fortschritte macht, das wird nicht nur für die Region, sondern für den ganzen Kontinent entscheidend sein". Der Besuch von Präsident Goodluck Jonathan – er wäre eine gute Gelegenheit.